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NASCAR: Analyse Texas November 2014

von KristianStooss
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Die NASCAR lieferte in Texas – dem stressigen neuen Chase-Format geschuldet – ein Spektakel ab, in dem die Emotionen nach einem anfänglichen Langstreckenrennen zum Schluss ordentlich hochkochten. Jimmie Johnson sicherte sich einen zu späten Sieg und dahinter flogen zwischen Jeff Gordon und Brad Keselowski die Fäuste.

Texas_NSCS_R_JimmieNachdem die erste Hälfte des Rennens mehr weniger vor sich hinplätscherte, verlängerten in der zweiten Halbzeit gefühlte 30.000 Debris-Cautions diese Texas-Ausgabe auf einen stattlichen Riemen, der schließlich durch ein actionreiches Finale mit zwei Green-White-Checkered-Verlängerungen und einer Massenschlägerei abgerundet wurde. Dabei hatte wie erwartet eine Chevrolet-Fraktion mit Team-Penske-Beiwerk die Nase vorn, allerdings konnte ich nicht alle Beteiligten korrekt vorhersehen. Schließlich lieferten die von mir nicht favorisierten Jeff Gordon (49 Führungsrunden), Kevin Harvick (2) und sogar Matt Kenseth (59) im eigentlich schwächeren Toyota auf der PS-Strecke eine ähnlich solide Performance wie z. B. Brad Keselowski (22) ab, doch als wahrer Dominator zeigte sich Jimmie Johnson (191), der am Ende auch gewann – wenngleich ein paar Rennen zu spät im Chase.

Richtig sicher war der Sieg von Jimmie Johnson trotz der großen Anzahl an Führungsrunden aber zu keiner Zeit, vor allem in der turbulenten Schlussphase der letzten regulären 34 Umläufe ab Runde 300 nicht. Hier sorgten mehrere Unfälle und Dreher für ständige Wechsel bei Boxenstopps während der Cautions oder anschließend beim Restart. Die sechs Gelbphasen im Finale erhöhten deren Gesamtanzahl am Abend schließlich auf satte 13 – ein neuer Rekordwert für Texas. Kurz zusammengefasst:

– Caution #8: Unfall Brett Moffitt (Runde 297),
Führungswechsel: Jimmie Johnson -> Matt Kenseth -> Kurt Busch
– Gelbphase #9: Dreher Joey Logano (Umlauf 305)
– Caution #10: Unfall Kasey Kahne, Marcos Ambrose (Runde 315),
Führungswechsel: Kurt Busch -> Jimmie Johnson
– Gelbphase #11: Unfall Kasey Kahne, Trevor Bayne (Umlauf 321),
Führungswechsel: Jimmie Johnson -> Jeff Gordon

An dieser Stelle machen wir einen kleinen Break und betrachten die Rennentscheidung etwas genauer: Jeff Gordon lag beim Restart in Runde 325 in Führung und steuerte auf einen so wichtigen Sieg zu, um sich bereits vorzeitig für das Meisterschaftsfinale in Homestead zu qualifizieren. Nachdem bereits alles nach einem sicheren Erfolg aussah, crashte Clint Bowyer auf der Zielgeraden zwei winzige Umläufe vor Schluss. Gordon wollte die erste Green-White-Checkered-Verlängerung daraufhin auf der Außenbahn in Angriff nehmen und musste sich dazu gegen seinen Teamkollegen Jimmie Johnson durchsetzen. Die #24 erwischte keinen guten Restart und wurde sofort von Brad Keselowski angegriffen, der zwischen den beiden Hendrick-Piloten eine mehr oder weniger nicht wirklich vorhandene Lücke witterte.

Es kam, wie es kommen musste und Brad Keselowski berührte Jeff Gordon, der sich bei dieser Aktion den linken Hinterreifen aufschlitzte und sofort massiv an Positionen verlor. Normalerweise geht solch ein Schubser glimpflicher aus, doch an diesem Abend entwickelten einige NASCAR-Fahrzeuge leichte DTM-Verformungen an der rechten hinteren Seitenschürze. Das abstehende Blech an der #2 wirkte somit wie ein Messer durch die Butter in Form von Gordons fragilem Gummi. Ein Dreher des Betroffenen kurze Zeit später war die Folge und so wurde aus dem sicheren Sieg ein 29. Platz mit einer Runde Rückstand, die Gordon zusätzlich zum direkten Ticket nach Homestead verlor.

Jeff Gordon war angefressen und zwar richtig! Nach der Zieldurchfahrt hielt er in der Boxengasse direkt neben Brad Keselowski an und stellte diesen zur Rede. Da sich Letzterer nicht wirklich interessiert zeigte, was sein Kontrahent zu sagen hatte, flogen die Fäuste. Am besten gefiel mir an dieser Stelle der Troll-Move von Kevin Harvick, der sich unerwartet einmischte und Brad Keselowski in Form eines Schubsers Richtung Gordon den weisen Ratschlag gab, seine Kämpfe doch auch mal ordentlich auszufechten, die er ständig anzettele. Die feine englische Art war das sicher nicht, doch abstreiten kann man diese Argumentation dann auch nur schwer. Das Ende vom Lied waren zwei – hauptsächlich durch die Massenschlägerei inkl. Boxencrews – in Mitleidenschaft gezogene Gesichter mit leichten Cuts bei Keselowski und eine dicken Lippe bei Gordon sowie zwei gegensätzliche Meinungen.

Brad Keselowski sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen, im Gegenteil: Als er im vergangenen Jahr nach seinem Meistertitel 2012 konservativer fuhr, um den Erwartungen der Kontrahenten gerecht zu werden, qualifizierte er sich nicht einmal für den Chase. Daher sei es für ihn die beste Lösung, aggressiv zu fahren, auch wenn er mit den Konsequenzen leben müsse. Jeff Gordon kann sich dagegen nicht vorstellen, wie Keselowski mit dieser Fahrweise überhaupt jemals einen Titel gewinnen konnte und ist sauer über das seiner Meinung nach zu aggressive Manöver beim Restart.

Ich denke, dass die Reaktion beider Fahrer unmittelbar dem ungeheuer belastenden neuen Chase-Format geschuldet ist, bei dem Piloten in Bedrängnis ohne Zögern agieren und reagieren sowie vielleicht auch in einer Situation mal über die Grenzen gehen müssen, um im Finale noch dabei zu sein. Das führt dann dazu, dass Brad Keselowski nach der Verwicklung in den Big-One von Martinsville ganz einfach einen Sieg braucht und die „Lücke“ beim Restart annehmen muss. Jeff Gordon fehlte nach dem zweiten Platz ein weiteres konstantes Ergebnis, von daher ist der Quasi-Ausfall in Texas natürlich ein Desaster. Meiner Meinung nach aber ein klarer Rennunfall, denn Keselowski ist schon in der halben Lücke als Gordon die Tür zuwirft.

Die Geschichte drum herum gibt der Situation allerdings die Würze. Wenn man jetzt ganz böse ist, könnte man sagen, dass der Sieg von Dale Earnhardt Jr. anstatt Jeff Gordon in Martinsville ganz schnell zurückgeschlagen hat. Aber ich sage dasselbe, was ich auch nach dem letzten Rennen schon im Chat sagte: So funktioniert die NASCAR nicht! Gordon muss nun einfach das Beste aus seiner Situation machen, wie Keselowski es in Texas auch versuchte. Vielleicht kann sich Gordon dann auch besser in die Lage des Verfolgers hineinversetzen, denn eigentlich ist er nur frustriert, weil es schon wieder nicht so geklappt hat, wie er gerne wollte.

Noch kurz zum Endergebnis: Brad Keselowski konnte Jimmie Johnson beim zweiten und letzten GWC-Restart übrigens nicht mehr aufhalten und wurde sogar noch von Kevin Harvick geschnappt. Dahinter platzierten sich Kyle Busch und Jamie McMurray in den Top 5. Die Top 10 wurden von Dale Earnhardt Jr., Kyle Larson, Kurt Busch, Carl Edwards und Denny Hamlin komplettiert. Die verbleibenden Chaser Joey Logano (12), Ryan Newman (15.) und Matt Kenseth (25.) betrieben im so engen Titelkampf nicht viel mehr als Schadensbegrenzung – mehr oder weniger erfolgreich.

Die Meisterschaftstabelle der ersten Acht favorisiert nach zwei Siegen von bereits ausgeschiedenen Piloten eindeutig die ersten drei Piloten, die sich innerhalb von nur zwei Punkten befinden. Joey Logano (+13), Denny Hamlin (+13) und Ryan Newman (+12) haben auch ohne Fahrt in die Victory-Lane die besten Chancen auf ein Ticket für das Finale in Homestead. Jeff Gordon (+1) verlor wichtige Zähler und befindet sich gemeinsam mit Matt Kenseth (-1), Carl Edwards (-1), Brad Keselowski (-5) und Kevin Harvick (-6) nur noch im Verfolgerfeld. Die beste Alternative zu einer konstanten Fahrt in Phoenix ist natürlich ein Sieg in der Wüste von Arizona. Der Einfachheit halber kann man aber sagen, dass derjenige Fahrer dieser Fünfergruppe weiterkommt, der jeweils vor allen anderen Fahrern ins Ziel fährt – doch was ist in der NASCAR schon einfach?

Das gesamte Rennergebnis kann hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal nachgeschaut werden. Es folgen wie gewohnt die Fahrerwertung und die Owner-Punkte.

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3 Kommentare

floehde 4 November, 2014 - 21:25

Die Verformung an der rechten Seitenschürze haben seit ein paar Wochen alle Autos und hängt nach meiner Ansicht mit dem dort endenden Auspuff zusammen. Darum der Reifenschaden. Sonst haben bei etwas Lackaustausch die Reifen ja auch überlebt.

DonDahlmann 5 November, 2014 - 01:24

„Troll-Move“ – großartig. Ich hab das nach dem Move von Keselowski förmlich kommen sehen. Harvick hätte ihn ja fast noch nach dem Restart abgeschossen. Bin aber auch ganz bei Dir, dass das neue Chase Format diese Reaktionen provoziert Ich freu mich schon auf Phoenix, wo die acht dominierenden Fahrer der Saison dann um die vier Plätze kämpfen. Ich hol schon mal das Popcorn.

Jens 5 November, 2014 - 15:58

Ja das neue Chase-Format ist sicher der Anlaß des Ganzen. Rein sportlich bin ich kein Fan davon, aber die NASCAR reibt sich doch sicher die Hände aufgrund der jüngsten Vorfälle, natürlich nur im Hintergrund ;-) Keselowski-Gordon war ein Rennunfall, dass jetzt alle auf den 2012er Champion verbal einschlagen, finde ich auch nicht richtig. Troll-Move klingt super und nicht vergessen, das Ganze hat schon einen eigenen Hashtag #Harvicking ;-) Phoenix wird sicher…..interessant

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