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BTCC: Analyse Knockhill 2014

von Sebastian Focks
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Im schottischen Knockhill präsentierte die BTCC drei gut anzusehende Rennen und mit Matt Neal, Mat Jackson und Rob Collard drei Sieger, die schon lange darauf gewartet hatten, endlich mal wieder auf der höchsten Stufe des Podiums zu stehen.

Die BTCC gehört ja von Hause aus schon zu den Rennserien, die nicht gerade mit Spannung und Action geizen. Aber wenn die BTCC auf diesem schmalen, gerade einmal knapp über zwei Kilometer langem Asphaltband gastiert, das sich in der schottischen Grafschaft Fife malerisch um die Hügel windet und auf den Namen Knockhill Racing Circuit hört, gibt es kein Halten mehr. Drei actiongeladene Rennen ließen das Herz eines jeden Tourenwagenfans höher schlagen und mich selbst nur selten ruhig vor dem Fernseher verweilen. Das ganze Spektakel in einen überschaubaren Bericht zu zwängen, wird schwierig sein. Ich versuche also, mich auf die Schlüsselmomente zu konzentrieren, und lasse die anderen größeren und kleineren Scharmützel außer Acht. Schaut euch die Rennen am besten selbst an, wenn noch nicht geschehen ;-)

Turkington8Fangen wir aber mal damit an, dass der Sieger des Wochenendes eigentlich schon wieder Colin Turkington heißen muss; und das obwohl er gar kein Rennen gewonnen hat und sogar einmal ausgefallen ist. Trotzdem untermauerte der WSR-Pilot seine Titelambitionen und zeigte vor allem im zweiten Lauf, als er 23 (!) Kontrahenten überholte, eindrücklich, dass er mit seinem BMW die unzweifelhaft stärkste Fahrer-Auto-Kombination in dieser Saison bildet.

Bereits in den freien Trainings distanzierte Turkington die Konkurrenz mit zwei Bestzeiten und setze sich anschließend im Qualifying fast eine halbe Sekunde vom Rest des Feldes ab! Zum Vergleich: Ohne Turkingtons Qualifying-Zeit hätten die ersten 23 Startplätze innerhalb einer Sekunde gelegen. Aber, wie auch immer  – Turkingtons Qualifying-Gala war am Ende mehr oder weniger wertlos, da er noch eine Acht-Plätze-Strafe aus Snetterton mit nach Knockhill brachte und sich mit dem neunten Startplatz begnügen musste. Allein dieser Umstand dürfte eine ähnlich dominante Vorstellung, wie zuletzt so oft gesehen, verhindert haben und war auch indirekt der Auslöser für Turkingtons folgenden Ausfall im Rennen.

TordofffDie Pole-Position erbte Sam Tordoff, der mit seinem Qualifying eine feine Leistung zeigte, die er am Sonntag gleichwohl nicht in zählbare Resultate ummünzen können sollte. Startplatz zwei ging an den starken Rob Austin, der sich im Vorjahr an gleicher Stelle bereits die Pole Position holen konnte. Knockhill passt vor allem mit der langsamen Haarnadel, bei deren Ausfahrt es auf Traktion ankommt, den Hecktrieblern bekanntlich besonders gut. Es folgten die Honda von Jordan, Shedden und Neal und schließlich Tordoffs Teamkollege und Noch-Meisterschaftsaspirant Jason Plato, der im Qualifying keinen zufriedenstellenden Run auf der mit 31 Autos ziemlich überfüllten Strecke zusammenbringen konnte.

Alle Qualifying-Ergebnisse gibt es hier

Beim Start zum ersten Rennen gelang es Tordoff zunächst, seine Pole in eine relativ sicher scheinende Führung vor Austin umzusetzen. Dahinter überholte Shedden mit der Mission, Boden in der Meisterschaft auf Turkington gutzumachen, seinen Markenkollegen Jordan in Runde vier in der Haarnadel für Platz drei. Matt Neal lauerte unmittelbar dahinter, während Turkington auf Platz sieben keinen rechten Weg vorbei an Mat Jackson und Jason Plato fand.

Shedden912Das erste halbe Drama geschah dann in Runde elf, als Shedden und Austin ausgangs Clark’s leicht kollidierten, der Audi daraufhin in die Wiese rodelte und einige Plätze verlor. Austins tolle Ausgangslage und sein bis dato sehr gutes Rennen schienen schon dahin zu sein. Doch weit gefehlt, denn das richtig große große Drama folgte zweieinhalb Runden später: Jordan, auf Platz vier liegend, attackierte Shedden in der ersten Kurve, einen Richtungswechsel später in Duffus Dip kam es bei Sheddens Konter zur Berührung, woraufhin der Schotte plötzlich sich drehend in Scotsman Corner (wo auch sonst …) einbog und dort rücklings wiederum mit Jordan kollidierte. Shedden verlor dadurch zwei Positionen an Neal und Austin, während Jordan sein Rennen mit gebrochener Aufhängung komplett beenden musste. Das Ziel des amtierenden Champions, nach begrabener Hoffnung auf die Titelverteidigung noch um einige Siege zu kämpfen, war – zumindest in Knockhill – damit erledigt.

Für Shedden war die Aktion zunächst doppelt ärgerlich. Denn nicht nur, dass er bei seinem Heimspiel eigentlich ein gutes Resultat einfahren wollte; die Rückversetzung Turkingtons in der Startaufstellung war auch eigentlich die perfekte Ausgangslage, um als erster Verfolger in der Meisterschaft wichtige Zähler gutzumachen.

Turkington5Aber Sheddens Pech sollte nur von kurzer Dauer sein. Einige Positionen weiter hinten war es Turkington zwischenzeitlich zum zweiten Mal gelungen, Mat Jackson zu überholen (den ersten Versuch hatte dieser noch gekontert) und der WSR-Pilot schickte sich zum Ende von Runde 17 an, auch Plato zu attackieren. Nachdem er es dank Traktionsvorteil des BMW auf dem Weg in die erste Kurve eigentlich schon geschafft hatte, steuerte die Dreiergruppe Turkington/Plato/Jackson auf die bereits bekannte Scotsman Corner zu. Hier gerieten Jackson und Plato aneinander, trafen dadurch wiederum Turkington, der sich mit einer Pirouette ins Kiesbett verabschiedete. Ausfall, null Punkte und ein Startplatz weit hinten für das zweite Rennen waren somit die bittere Quittung, die Turkington wegen seiner Strafversetzung in der Startaufstellung bekam. Hätte er statt im dichten Feld von der Pole starten können, wäre ein weiterer Sieg ziemlich wahrscheinlich gewesen.

Neal1In Führung war mittlerweile Matt Neal gegangen, der kurz vor der Saftey-Car-Phase zur Bergung von Turkingtons BMW Tordoff überholt hatte. Und für den MG-Piloten sollte es noch dicker kommen, als er wenige Runden später plötzlich ausrollte, nachdem sich zuvor durch Rauchbildung am linken Vorderrad bereits drohendes Unheil angekündigt hatte. Hinter dem führenden Neal lag beim Restart somit plötzlich wieder Rob Austin gefolgt von Gordon Shedden (zwei Paradebeispiele für erfolgreiche Schadenbegrenzung möchte man meinen).

Die letzten Runden gingen dann vergleichsweise gesittet ab. Matt Neal sicherte sich seinen ersten Sieg in dieser Saison. Rob Austin, der, wie er mehrfach beteuerte, eigentlich auch sehr gerne gewonnen hätte, war mit Rang zwei durchaus zufrieden und Gordon Shedden holte auf dem dritten Platz wichtige Zähler in der Meisterschaft. Auf den vierten Platz kam Mat Jackson gefolgt von Jason Plato und einem bärenstarken Adam Morgan, der sich mit seinem Mercedes von Startplatz 17 nach vorne gearbeitet hatte. Die Top Ten komplettierten Tom Ingram, Árón Smith, Dave Newsham und Nick Foster.

Shedden6Mit einem auf Startplatz 27 stehenden Colin Turkington war das zweite Rennen für Gordon Shedden, der zu diesem Zeitpunkt nur noch neun Punkte Rückstand in der Meisterschaftstabelle hatte, die optimale Gelegenheit, um weitere Zähler gutzumachen und vielleicht sogar die Führung zu übernehmen. Doch der Schotte erlebte direkt nach dem Start in – ihr ahnt es schon – Scotsman Corner ein makaberes Déjà-vu. Zunächst versuchte der sehr gut startende Rob Austin, außen in der ersten Kurve an Matt Neal vorbei zu gehen, musste dann aber nach leichter Berührung mit dem Honda durch die Auslaufzone und traf bei der Rückkehr auf die Strecke Shedden, der sich dadurch erneut in Scotsman in einen Dreher verabschiedete.

Glück im Unglück für Shedden war eine kurze Safety-Car-Phase, die ihn in der Folge wenigstens rasch wieder ans komplett vorbei gerauschte Feld aufschließen ließ. Sein Vorteil gegenüber Turkington war aber natürlich dahin. Das Safety Car war übrigens nötig, weil in einem anderen Zwischenfall nach dem Start Warren Scott rückwärts in Richtung Scotsman Corner (Ja, fünf Mark ins Phrasenschwein!) rodelte und dort seinem Teamkollegen Jack Goff eine volle Breitseite mit dem Kofferraum verpasste.

Jackson2Zwei Runden nach dem Restart übernahm dann der durch die Kollision in der ersten Runde auf Platz zwei vorgespülte Mat Jackson kampflos die Führung, weil Matt Neal eine Drive Through Penalty wegen Frühstarts absolvieren musste. Im weiteren Rennverlauf gelang es Jackson, den ersten Platz souverän gegen Plato und Austin zu verteidigen und für sich und sein Team den ersten Sieg seit Silverstone 2012 einzufahren.

Turkington3Aber so schön dieser Sieg für die Ford-Mannen von Motorbase auch ist, die größte Geschichte des Rennens schrieb zweifellos einmal mehr Colin Turkington. Nach dem Ausfall im ersten Rennen nur von Startplatz 27 gestartet, tauchte er bereits gegen Rennhalbzeit in den Top Ten auf. Nach weiteren gewonnen Positionen überholte er in Runde 23 seinen Teamkollegen Collard und kurz darauf auch den auf Platz vier liegenden Adam Morgan. In den letzten zwei Runden hatte er dann nicht nur Sichtkontakt zum Führungstrio, sondern auch mehrere schnellste Rennrunden nacheinander hingelegt, deren beste mehr als eine halbe Sekunde schneller als die vom Rest des Universums war. Ganz ehrlich: Drei Runden mehr und ich bin mir sicher, er hätte gewonnen. Insbesondere die Traktion, die Turkington bei der Beschleunigung aus der Haarnadel aus seinem in diesem Lauf weich bereiften BMW abrufen konnte, war enorm. Die meisten Gegner vernaschte er einfach beim Beschleunigen in Richtung erster Kurve. Die anderen waren meistens ausgangs der Schikane fällig, wo Turkington sichtlich ruhiger über die Randsteine sprang und folglich schneller ans Gas gehen konnte.

Die weiteren Positionen hinter dem Viertplatzierten Turkington belegten Collard, Morgan, Ingram, Newsham, Giovanardi und Foster. Andrew Jordan, der ebenso weit hinten gestartet war wie Turkington, verpasste als Elfter den zehnten Platz denkbar knapp.  Wegen des Reverse Grid für den dritten Lauf wäre hier die Chance gewesen, auf der Pole Position zu starten. Einen Platz hinter Jordan kam der zweifellos leidgeprüfte Gordon Shedden ins Ziel, der seinen kurz zuvor gewonnen Boden in der Meisterschaft schlagartig wieder verloren hatte. Noch schlechter lief es für seinen Teamkollegen Matt Neal, der nach der Drive Through Penalty nur auf Platz 14 landete.

Für das dritte Rennen loste Nick Foster kurzerhand gleich mal sich selbst auf die Pole Position, indem er die Nummer Zehn aus der Urne beförderte und damit für eine komplett umgedrehte Startauftellung sorgte. “Hätte, wäre, wenn, …“ dürften sich Andi Jordan und Gordon Shedden da gedacht haben …

Einen Sieg hätte sich Nick Foster sicherlich gerne mal geholt, aber er hatte vor allem gegen seinen Teamkollegen Rob Collard, der sich mit einer aggressiven Fahrweise in den ersten Runden zum man on a mission aufschwang, schlichtweg keine Chance. Von Platz sechs gestartet war Collard nach dem ersten Umlauf bereits Dritter, krallte sich in der Haarnadel dann Giovanardi, der seinerseits eigentlich Foster attackieren wollte, und ging in der achten Runde schließlich in Führung.

Newsham2Zu diesem Zeitpunkt war man mit Collard und Foster auf den ersten beiden Positionen und einem gleichzeitig von hinten heran preschenden Turkington schon fast geneigt, einen BMW-Dreifachtriumph zu erwarten. Und fast wäre es so auch gekommen, wäre da nicht ein großartig fahrender Dave Newsham gewesen, der seinem AmD-Tuning-Ford beherzt durchs Rennen manövrierte und zusammen mit Tom Ingram in Runde neun an Foster vorbei gehen konnte. Dieser sah sich dann zur Rennmitte mit dem bereits angesprochenen Turkington im Rückspiegel konfrontiert und musste sich diesem schließlich in Runde 12 geschlagen geben. Gemeinsam gingen Turkington und Foster dann noch an Ingram vorbei, hatten aber anschließend keine Chance gegen Dave Newsham, der seinen Ford zwischenzeitlich auf die volle Streckenbreite auszudehnen zu können schien.

Collard8Rob Collard holte sich derweil mit rund sechs Sekunden Vorsprung einen lange notwendigen Sieg. Hinter Newsham, Turkington und Foster folgten Jordan und Shedden, die mit weichen Reifen immerhin einige Positionen gutmachen konnten, sowie Morgan und Menu (das einzige erwähnenswerte Resultat aus Knockhill für die zuletzt so starke Volkswagen-Truppe). Erst dahinter kam letzten Endes Tom Ingram ins Ziel, der in den letzten Runden noch einige Positionen verloren hatte. Jason Plato komplettierte mit beschädigtem MG die Top Ten. Zuvor hatte er Rob Austin unsanft abgeräumt und dem Audi-Piloten damit nach zwei Podiumsplatzierungen eine Nullnummer beschert. Erneut außerhalb der Top Ten war Matt Neal zu finden (11.), der ähnlich wie Sam Tordoff (12.) nach toller Ausgangslage zu Beginn des Tages nichts Vorzeigbares mehr rausholen konnte.

In der Meisterschaft führt nach Knockhill also weiterhin Colin Turkington. Mit 23 Punkten Rückstand liegt Gordon Shedden auf Platz zwei, gefolgt von Jason Plato (-39) und Rob Collard (-89).

Hier geht es zu allen Meisterschaftsständen

Und hier können die einzelnen Resultate aus den drei Rennen abgerufen werden

Was sonst noch auffiel:

  • JordanSheddenEs fällt mir zwar nach wie vor schwer, die Vorteile oder Nachteile der zwei verschiedenen Reifenmischungen in der BTCC umfassend einschätzen zu können. In Knockhill fiel aber auf, dass die weichen Pneus zumindest stellenweise deutliche Vorteile zeigten. Auffallend war, dass die weichen Reifen einerseits diesmal auch bei vielen Fronttrieblern über die gesamte Renndistanz hielten und andererseits auch über die gesamte Nutzungsdauer in der Lage waren, einen Vorteil zu generieren. So hatten alle drei Gewinner des Tages bei ihren jeweiligen Fahrten zum Sieg die weichen Pneus aufgeschnallt. Und zwei Mal (Austin in Lauf 1 und Newsham in Lauf 2) war der jeweils Zweitplazierte ebenfalls weichbereift unterwegs. Und Newsham gelang es ja immerhin, Turkington hinter sich in Schach zu halten. Und auch Colin Turkington seinerseits profitierte im zweiten Lauf bei seinem Ritt durchs Feld nach eigener Aussage vor allem von den Vorteilen der weichen Reifen. Im Umkehrschluss zeigt sich aber auch, dass andere Fahrer wie Plato oder Tordoff sich bei ihren Rennen mit der weicheren Mischung nicht so sehr in Szene setzen konnten. Und auch Andrew Jordan schien im zweiten Lauf, als er sich von hinten durchs Feld arbeitete, nicht im gleichen Maße von den weichen Reifen zu profitieren wie Colin Turkington. Hier kommt aber natürlich auch noch der grundsätzliche Unterschied zwischen Front- und Hecktrieblern ins Spiel. Da Knockhill mit seinen Traktion erfordernden Abschnitten traditionell eher den Hecktrieblern passt, hatten die weicheren Reifen bei diesen auch einen deutlich besseren Effekt als bei den Frontrieblern, die je nach Fahrzeug (vgl. vor allem die Ford gegenüber den MG) zwar immer noch profitieren konnten, aber eben nicht in demselben Maße.
  • Menu2Völlig unter dem Radar waren die vier VW von BMR Restart unterwegs. Der enge und gewundene Knockhill Circuit passt dem VW mit seinem langen Radstand offenbar so gar nicht. Das teamintern beste Resultat des Wochenendes war der siebte Platz von Alan Menu im dritten Lauf. Der Schweizer war bereits im Qualifying auf Platz 15 bester VW-Pilot und hielt sich auch als einziger aus den diversen Scharmützeln in den Rennen heraus. Während Árón Smit nach einem achten Platz in Lauf 1 in der letzten Runde des zweiten Rennens nach Kontakt mit Nick Foster unsanft in die Streckenbegrenzung knallte, erledigten sich Warren Scott und Jack Goff beim Start gleich gegenseitig.
  • Zwei schöne Resultate gab es für Jack Clarke, der mit seinem Crabbies-Ford Focus erstmals die Punkte erreichte: Platz 13 im zweiten und Platz 14 im dritten Lauf.

Das nächste Rennen der BTCC findet am 7. September in Rockingham statt.

 

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