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Formel Eins: Analyse Singapur 2013 – Red Bull mit Traktionskontrolle?

von DonDahlmann
8 Kommentare

Es war eine Demonstration der Stärke. Red Bull und Sebastian Vettel fuhren in Singapur die Konkurrenz in Grund und Boden. Die Abstände nach hinten waren und sind atemberaubend.

GP SINGAPORE F1/2013„Und dann haben wir nach dem Restart die Hosen runter gelassen.“ Das sagte Sebastian Vettel in der internationalen Pressekonferenz nach dem Rennen und Fernando Alonso schaute dabei leicht genervt zur Seite. In der Tat war das, was Vettel nach der einzigen Safety-Car-Phase im Rennen zeigte, für alle andere Teams frustrierend. Rundenlang düpierte er Nico Rosberg, indem er ihm im Schnitt zwei Sekunden pro Runde abnehmen konnte. Als Fernando Alonso einen Stopp weniger einlegte und zwischenzeitlich dem Red Bull auf die Pelle rückte, reagierte Vettel erneut mit Fabelrunden. Und am Ende hatte er auch noch einen frischen Satz „Supersoft“ übrig, mit denen er gemütlich zum Sieg cruisen konnte. Oder anderes gesagt: Es gibt Fragen.

Adrian Newey muss im Sommer einen genialen Einfall verwirklicht haben. Denn Red Bull sah sowohl in Monaco als auch in Ungarn zwar nicht schlecht, aber auch nicht so gut aus. In beiden Rennen musste man sich Mercedes geschlagen geben. In Singapur sah es dann so aus, als habe der Red Bull 100 PS mehr unter der Haube. Es kann auf einer Strecke, die mehr oder weniger nur aus Kurven und kurzen Geraden besteht, nur einen Grund geben, warum so viel stärker ist: Traktion. Nur wie genau Newey es hin bekommt, dass der Wagen um so viel schneller ist, das ist ein Rätsel.

Wir befinden uns in der Schlussphase der Saison, die Aerodynamik ist seit zwei Jahren mehr oder weniger bekannt, bei Ferrari, Mercedes, Lotus und McLaren sitzen die besten Ingenieure, die man für Geld bekommen kann. Und man sieht auch in Singapur, wie eng das Feld hinter Red Bull zusammenliegt. Also wie genau schafft es Red Bull, dass man einen derartigen Vorteil hat? Das böse Wort „Traktionskontrolle“ steht zumindest im Raum, und das nicht erst seit dem letzten Rennen. Schon in Kanada hatte es Gerüchte gegeben, Red Bull könnte per Motorsteuerung an so etwas arbeiten. Und Singapur bot weitere Argumente für dieses Gerücht. Zum einen der enorme Zeitvorsprung, zum anderen der geringe Reifenverschleiß, der bei Vettel schon auffällig war. Vettel ließ seine „Supersoft“ im ersten Stint länger drauf als die hinter ihm liegenden Fahrer (nur di Resta fuhr länger). Aber war er so viel schneller?

Hier sein erster Stint

Runde Vettel Rosberg
2 1:52.866 1:55.031
3 1:53.005 1:54.478
4 1:53.318 1:53.949
5 1:53.265 1:53.228
6 1:53.029 1:53.457
7 1:53.069 1:53.450
8 1:53.142 1:52.993
9 1:52.901 1:53.237
10 1:53.339 1:53.333
11 1:53.016 1:52.972
12 1:53.222 1:53.111
13 1:52.756 1:53.457
14 1:53.299 1:53.835
15 1:53.663 Box
16 1:53.784

Wie man sieht, sind die Unterschiede jetzt nicht so groß, allerdings hatte Vettel nach einiger Zeit sichtbar Gas rausgenommen und sich, wie in den letzten Rennen üblich, auf die Konservierung des Abstandes konzentriert. Interessant ist der Restart in Runde 31.

Runde Vettel Alonso Rosberg Raikkönen
31 1:51.773 1:54.473 1:53.965 1:54.575
32 1:50.641 1:53.470 1:52.998 1:53.954
33 1:50.430 1:53.158 1:53.191 1:53.317
34 1:50.996 1:53.013 1:52.642 1:52.708
35 1:50.687 1:52.513 1:52.711 1:52.463
36 1:50.182 1:52.707 1:52.491 1:52.658
37 1:50.185 1:52.497 1:52.452 1:52.526
38 1:50.123 1:52.287 1:52.335 1:52.836
39 1:50.259 1:52.628 1:51.891 1:52.764
40 1:50.262 1:52.362 1:51.950 1:52.411
41 1:50.022 1:51.724 Box 1:52.452
42 1:50.511 1:51.789 1:52.355
43 1:51.109 1:52.287 1:52.301
44 Box 1:51.082 1:51.970

Dabei muss man wissen, dass Vettel in Runde 17 gestoppt hatte, und mit Medium unterwegs war. Rosberg hatte in Runde 15 neue Medium-Reifen genommen. Räikkönen und Alonso hatten jedoch in der Unterbrechnung frische Medium aufgezogen und hatten auf dem Papier die besseren Reifen. Allerdings steckte man im Verkehr fest. Es bleibt also der Vergleich mit Rosberg, der zudem ebenfalls freie Fahrt hatte und wusste, dass noch ein weiterer Stopp kommen würde.

Der Vorsprung von Red Bull ist also ziemlich dramatisch und die Frage, wie das Team das schafft, darf schon gestellt werden. Wie kann man so schnell unterwegs sein und gleichzeitig die Reifen so schonen, dass man weit nach der Konkurrenz stoppen kann? Also doch eine Art der Traktionskontrolle? Doch ein Eingriff in die Motorsteuerung?

Das ist nicht so leicht, denn man müsste den passenden Code vor der FIA verbergen können. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Und auch, dass Red Bull zu einem solchen, auffälligen Trick greifen würde. Wie es mit einer passiven Traktionskontrolle über die Dämpfer aussieht, vermag ich nicht zu sagen. Einen Rotationsdämpfer setzt Red Bull nicht ein, der bringt auch nur etwas in Sachen Bodenabstand, nicht aber dafür, den Wagen zum Beispiel nach einer Kurve weicher abzufedern, damit man mehr Traktion bekommt. Aber auffällig sind die Zeiten und der Vorteil des Red Bull auf allen Strecken schon.

Der Rest des Rennens wurde von der Unterbrechung durch den Unfall von Ricciardo geprägt. Ferrari und Renault beschlossen einen Stopp einzulegen und fuhren mit dem letzten Satz dann durch. Mercedes entschloss sich, beide Fahrer draußen zu lassen, weil man wusste, dass man am Ende Probleme mit den Reifen bekommen würde. Das bedeutete aber auch, dass man nach dem Restart im hart umkämpften Mittelfeld hängen bleiben würde, was zusätzlich Zeit gekostet hat. Warum Mercedes die Strategie, vor allem für Hamilton, nicht gesplittet hat, ist etwas rätselhaft. Einen Versuch wäre es zumindest Wert gewesen.

Ansonsten gab es wenig aus Singapur zu berichten. An der Spitze war es nicht spannend, etwas enger ging es weiter hinten zu, weil die McLaren es ebenfalls mit der Strategie probierten, mit einem Stopp durchzufahren.

Deutlich mehr Aufregung gab es nach dem Rennen. Mark Webber war in der letzten Runde der Motor geplatzt, in den TV-Bildern sah man ihn dann als Mitfahrer auf dem Wagen von Alonso in die Box kommen. Das ist verständlich, die Wege in Singapur zum Paddock sind lang und kompliziert. Die Rennleitung bestrafte die Aktion mit einer Verwarnung für beide Fahrer. Weil Webber schon seine dritte Verwarnung in diesem Jahr bekommen hatte, bedeutet dies, dass er in Korea zehn Platze in der Startaufstellung aufgebrummt bekommt. Das klingt erst mal nach einer typischen „Ach, die FIA“-Entscheidung, sieht man sich allerdings die Bilder der Streckenkamera an, so kann man die Entscheidung der Rennleitung absolut verstehen. Allein, dass Webber da locker über die Strecke joggt ist schon unverantwortlich. (Aber auch erstaunlich, dass ausgerechnet Alonso angehalten hat).

Vettel hat jetzt bei noch sechs zu fahrenden Rennen 60 Punkte Vorsprung. Klar, es kann immer noch eine Pechsträhne kommen. Ein Motorschaden ist schnell da, ebenso kann ein Rennen mal schlecht laufen, wenn es Mischbedingungen gibt. Und das kann zumindest in Korea und Japan passieren. Alonso macht zumindest alles, was er kann: Er fährt die zweiten Plätzen ein und ist damit immer in der Position, einen Sieg zu holen, falls Vettel mal in Probleme kommt. Aber wer rechnet schon damit.

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8 Kommentare

nona 23 September, 2013 - 19:06

Nun, wie immer in solchen Fällen muss man mit in Betracht ziehen, dass (a) Vettel zwar das ganze Wochenende über dominant war, jedoch im Qualifying fast doch noch die Pole verloren hätte, und dass (b) der Teamkollege ganz und garnicht vergleichbar schnell unterwegs war, was mit Traffic mitten im Feld nicht durchweg zu erklären ist. Singapur ist eine von Vettels erklärten Lieblingsstrecken, auf denen er auch in der Vergangenheit schon sehr gut aussah, und natürlich sind es technische Kniffe die ein Auto schnell machen, aber er kann die Strecke wohl auch einfach sehr gut.

Um mal auf andere Schauplätze zu kommen: einmal mehr das Kapitel „bekloppte Entscheidungen der Rennleitung.“ Hülkenberg muss seine Position an Perez abtreten, weil der ihn berührt und mit dadurch zur Übertretung der Streckenbegrenzung veranlasst hat, obwohl Perez vorher garnicht an Hülkenberg vorbei war? Das ist schon eine – höflich formuliert – extrem kreative Auslegung des Regelwerks von wegen „Vorderrad auf Höhe des Seitenkastens“ und dergleichen. Und eine höchst interessante Umdefinition der Antwort auf die Frage, ab wann ein Überholvorgang als erfolgreich abgeschlossen und der Positionswechsel als vollzogen betrachtet wird. Nach Singapur müsste es dann ja quasi reichen, mit dem Vorderrad neben das Hinterrad des Kontrahenten zu kommen…

Ralf G. 23 September, 2013 - 19:36

Langweiliges Rennen (lustig der Versuch mit der überflüssigen Safety-Car-Phase Vettel einzubremsen, am Ende als fast der gleiche Crash nochmal passierte hatten sie dann keinen Bock mehr auf SC), in der Tat eine lachhafte Entscheidung in Sachen Perez/Hülkenberg, und dann am Ende der Gipfel der Lächerlichkeit mit der Alonso/Webber-Bestrafung. Die Totengräber der Formel 1 in Aktion.

DonDahlmann 23 September, 2013 - 19:39

@ nona:
Vettel hatte nur einen Run in Q3, da war auch ein paar kleine Fehler drin. Im Rennen sieht man ja im Zeitenvergleich, dass die Abstände zunächst nicht so groß waren, Rosberg, Alonso und Vettel aber mit den Reifen haushalten mussten. Und da ist eben die Frage, wie das geht – zwei Sekunden schneller fahren und dann auch noch weniger Reifenverschleiß.

Georg 23 September, 2013 - 21:38

Auf jeden Fall ist Vettel Weltmeister im Ausgebuht-Werden – und zwar über alle Sportarten hinweg. Tolle Leistung. ;)

Zum Thema mögliche Traktionskontrolle bei Red Bull kann ich mir nicht vorstellen, daß das Team eine solche ohne Wissen der FIA einsetzt. Was aber nicht heißen soll daß Red Bull keine Traktionskontrolle hat.

nona 24 September, 2013 - 17:38

@Don:
Alles richtig, trotzdem ist da die nicht vergleichbare Leistung des Teamkollegen. Und wir wollen neben der Traktionskontrollenverschwörungstheorie doch nicht noch eine Verschwörungstheorie anfangen von wegen Webber bekäme nicht dasselbe illegale Material wie Vettel. :)

@Ralf:
Naja also… vorsichtiger Einspruch. Ricciardo stand in Turn 18 vor der Unterführung de facto auf der Strecke (geht ja auch garnicht anders wenn man sich da verbremst und nicht den Notausgang wählt), und an dieser Engstelle kann man praktisch nicht gefahrlos aufräumen und die Strukturen wiederherstellen wenn lediglich lokal gelb gezeigt wird. Di Resta stand dagegen hinreichend weitab der Streckenbegrenzung und es hat kaum zwei Runden gedauert bis das Auto da weg war. Und in Sachen Alonso/Webber – das Mitnehmen von Beifahrern ist schon seit längerem verboten (was man nicht gut finden muss, ich find’s auch blöd), und die Fahrer wissen das eigentlich auch. Dass beide Beteiligten daraufhin verwarnt werden ist nachvollziehbar und entlang der Regeln legitim. Dummerweise war es bei Webber eben die dritte Verwarnung der Saison, was die automatische Grid Penalty nach sich zieht. Das ist alles sehr unschön, aber prinzipiell leider in Ordnung.

Montoya12 24 September, 2013 - 20:03

Kann mir mal einer erklären warum Webber 2,5 Sekunden langsamer war als Vettel wenn er doch das selbe Material haben soll.

Weissbrot 25 September, 2013 - 09:53

Vielleicht hat Rosberg nach dem Safety Car ja auch die Reifen schonen wollen um sich den Stop zu sparen.In Monaco hat er ja auch extra langsam gemacht.Kurz vor seinem Stop ist er plötzlich 1sek. schneller.Und das man auf so einer Strecke im Verkehr deutlich langsamer ist sollte eigentlich jedem klar sein…

Rolf 26 September, 2013 - 10:37

Fand das Rennen nicht so spannend. Bei der Strecke und im „Dunkeln“ hätte von mir aus mehr passieren können – jetzt keine Unfälle oder so – einfach mehr Trouble und so, denn die Strecke an sich finde ich echt cool :D

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