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Le Mans-Testtag: Batman und die Hybrid-Gang

von StefanTegethoff
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Der Le Mans Testtag steht bevor, und damit auch der erste wirklich öffentliche Auftritt des Nissan Delta Wing sowie des Toyota TS030.

Natürlich nutzen nicht nur diese zwei neuen Modelle den offiziellen Testtag auf dem Circuit de la Sarthe, sondern auch all ihre Kontrahenten sowie einige zusätzliche Teams, z.B. IMSA Performance Matmut und Lotus, die beide auf der Reserveliste stehen. Auch Sebastien Loeb Racing wird vor Ort sein, obwohl das Team im Debutjahr 2012 noch auf die Le Mans-Teilnahme verzichtet – dass der Teamchef höchstselbst als Fahrer genannt ist, wird dem Testtag noch etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Und obwohl mit dem neuen Pescarolo-LMP1 ein weiterer spannender Lokalmatador  (nach einem weiteren überstandenen Drama) seine erste öffentliche Ausfahrt haben wird, dürfte der Focus doch auf dem – nun überraschend blau lackierten – Hybrid-Toyota und dem ungewöhnlichen, Batmobil-ähnlichen Delta Wing mit seinem nur gut 300 PS starken Nissan-Motor liegen.

Der Nissan Delta Wing

Um kurz noch einmal die Geschichte des kuriosen Gefährts zu rekapitulieren: als die IndyCar ein neues Auto für die Saison 2012 suchte, machte sich neben den bekannten aktuellen Chassis-Bauern von Dallara, Lola und Co. auch der Ex-Ganassi-Ingenieur Ben Bowlby so seine Gedanken. Für seine Idee eines leichtgewichtigen Wagens mit sehr schmaler vorderer Spur konnte er seinen Ex-Chef Chip Ganassi als Unterstützer gewinnen, doch die Öffentlichkeit belächelte das Konzept eher (auch dank der Ähnlichkeit zu männlichen Genitalien) und auch die IndyCar entschied sich für die konservativere Idee von Dallara.

Doch Bowly machte weiter: er gewann Dan Gurney mit seinem All American Racers für das Projekt. AAR ist ein von Gurney und Carrol Shelby 1964 gegründetes Renn-Team mit jahrzehntelanger Formel 1-, Sportwagen- und IndyCar-Erfahrung von dem man seit dem Rückzug aus der CART-Serie 1999 nicht mehr viel gehört hat. Aus dem IndyCar wurde ein Sportwagen und mit dem neuen Konzept man bewarb sich um die neu ausgeschriebene „Garage 56“, also den letzten Startplatz bei den 24h, den der ACO an ein Fahrzeug vergeben wollte, das innovative Technologien demonstriert.

Obwohl er von vielen Seiten weiterhin belächelt wurde, bekam der Delta Wing den Zuschlag vom ACO. Seitdem hat sich das Delta Wing-Team um einige prominente Partner erweitert: Highcroft Racing wurde als Einsatzteam engagiert und verzichtete dafür auf die Teilnahme an der ALMS 2012; IMSA- und ALMS-Besitzer Don Panoz konnte für die Produktion und als Geldgeber gewonnen werden; Michelin erklärte sich bereit, die speziellen Reifen zu entwickeln; und zuletzt fand sich mit Nissan noch der so wichtige Motorenpartner, was auch die britische Mannschaft von Ray Mallock Ltd. noch ins Spiel brachte.

Doch was ist nun so innovativ am Delta Wing, dass der 56. Startplatz gerechtfertigt ist? Immerhin hat er sich gegen den Wasserstoff-getriebenen „GreenGT“ durchgesetzt, der auch am Test-Wochenende präsentiert wird und bei den verbleibenden WEC-Läufen Demo-Runden fahren soll? An sich ist schließlich weder ein 1,6l-Vierzylinder-Turbo-Benzinmotor, noch der Bodeneffekt „innovativ“ und auch Leichtbau und windschnittige Formen sind nicht erst von Ben Bowlby erfunden worden.

Doch der Delta Wing hat den Vorteil, dass er all diese eigentlich bekannten Technologien kombiniert – und zwar auf eine radikale Art und Weise. Und da es sich ja vor allem um ein Demonstrations-Fahrzeug handelt, ist besonders das wichtig. Mit seiner außergewöhnlichen Bauweise erregt der Delta Wing mehr Aufmerksamkeit als ein ‚herkömmlich aussehendes’ Fahrzeug, das eine innovative Technologie an Bord hat. Vor allem seit Nissan an Bord ist, hat der Delta Wing auch in Medien Aufmerksamkeit erfahren, die sich sonst wenig bis gar nicht mit Le Mans oder Sportwagen-Rennsport befassen.

Aber auch die technische Seite ist durchaus interessant und relevant. Denn Leichtbau (in diesem Fall durch eine andere Bauweise, nicht durch teure Spezialmaterialien) in Kombination mit effizienten Motoren, weniger Luftwiderstand und Energierückgewinnung dürfte für die Automobilindustrie kurz- und mittelfristig von größerer Bedeutung sein als reine Elektro-Autos oder die längst nicht serientaugliche (weil auch zu teure) Brennstoffzellen-Technik. Welche Rolle Leichtbau heute schon spielt, kann man auch daran sehen, dass Audi mit zwei Wagen und zahlreichen Werbebannern seine „ultra“-Strategie aggressiv vermarktet.

Der Delta Wing ist also insofern innovativ, als dass er nicht eine neue Technik, sonder vielmehr eine neue, radikale Herangehensweise präsentiert. Er hat zwar (leider) keinen Hybridantrieb – das wäre in der doch recht knappen Entwicklungszeit nach der langen Partnersuche auch zu viel verlangt – aber beim Gewicht setzt er mit 475kg tatsächlich einen neuen Maßstab. Sicher gab es schon einmal die LMP675 als LMP2-Vorläufer und sicher könnten auch Formel 1- oder LMP-Konstrukteure leichtere Autos bauen, als es die Regeln erlauben. Vielfach ist auch genau das als Kritik angeführt worden – doch es ist ja gerade Sinn der „Garage 56“, etwas auf die Strecke zu lassen, was andere Möglichkeiten aufzeigt, als die aktuellen Regeln sie bieten.

Und nach den Gerüchten und Insider-Infos zu urteilen, könnten ein geringeres Mindestgewicht, schmalere Autos (für weniger Luftwiderstand) und effiziente Motoren der Schwerpunkt des 2014er Le Mans-Reglements sein (auch wenn es gerade um die Motoren-Regeln momentan viel Verwirrung gibt). Der Delta Wing könnte vom ACO also auch unter dem Aspekt ausgewählt worden sein, dass er auf das 2014er Reglement hinleitet, über das wir hoffentlich in der Woche vor dem Rennen mehr Informationen bekommen.

Nach einem spät begonnenen  (Roll-out Anfang März) und durchwachsenen Testprogramm wird der Delta Wing nun in Le Mans seine ersten öffentlichen Fahrten im Renntrimm unternehmen. Nachdem bei den ersten Tests ein Chevrolet-Motor aus der WTCC als Übergangs-Antrieb diente, ist inzwischen der von RML für Nissan auf Basis des Vierzylinders aus dem Juke entwickelte 1,6l-Turbo verbaut. Der machte – soweit man hört – bisher keine Probleme und brachte den Wagen auf etwas über 300 km/h, den vom ACO vorgegebenen Zielwert. Schwierigkeiten soll bisher dagegen das Getriebe bereitet haben, das eventuell keine 24h überstehen wird.

Ebenfalls problemlos ist, allen Unkenrufen zum Trotz, das Fahrverhalten: ja, der Delta Wing fährt um Kurven, und das auch nicht gerade langsam – trotz geringer vorderer Spur und nur 10cm breiter Vorderreifen, die bei der hecklastigen Gewichtsverteilung und dem über den Unterboden erzeugten Abtrieb ausreichend sind. Auch bei Bremsmanövern bleibt der Wagen stabil. Dass die Fahrer (Marino Franchitti von Highcroft, Michael Krumm und Satoshi Motoyama von Nissan) sich ausschließlich positiv äußern, ist natürlich wenig überraschend, aber insgesamt scheint der Wagen wirklich gut fahrbar zu sein.

Man darf also sehr gespannt sein auf die Rundenzeiten, die die drei am Testtag fahren können – das vom ACO vorgegebene Ziel sind Zeiten zwischen den beiden Prototypen-Klassen, schneller als die LMP1 dürfte der Delta Wing auch dann nicht sein, wenn er das Potential dazu hätte. Eine andere Beschränkung ist der Tank, der nur etwa halb so groß ist wie die der anderen LMPs; dadurch wird der annähernd halbierte Spritverbrauch sich natürlich nicht in der Länge der Stints niederschlagen, aber der Wagen wird vollgetankt jeweils weniger Gewicht mit sich schleppen.

Was nun wirklich drin ist für den Nissan-Delta Wing, ist jetzt noch schwer zu sagen – aber nach dem Testtag wird das Bild hoffentlich etwas klarer sein. Bleibt zu hoffen, dass auch das anfällige Getriebe bis zum Rennwochenende standfest gemacht werden kann. Doch selbst wenn nicht: Aufmerksamkeit und Bewusstsein für eine radikal andere Herangehensweise wird der Delta Wing auf jeden Fall bringen. Und schon die Tatsache, es trotz aller Widrigkeiten tatsächlich bis in die 56. Garage des Circuit de la Sarthe geschafft zu haben, ist eine bemerkenswerte Leistung.

 

Hybridantriebe in Le Mans

Möglicherweise wird sich in diesem Jahr das erste Hybrid-Fahrzeug in die lange Siegerliste der 24h von Le Mans eintragen, denn die beiden Werksteam Audi und Toyota bringen eben solche Fahrzeuge an den Start. Doch sie sind nicht die ersten Hybriden, die im Langstreckenrennen an der Sarthe angetreten sind. Schon im Vorjahr war Hope Racing am Start und das kleine Schweizer Privatteam brachte seinen Wagen immerhin bis in die Nacht. Zwar nicht in Le Mans, aber in der ALMS fuhr schon 1998 der „Sparky“ getaufte Hybrid-Panoz Q1; dieses Pionier-Fahrzeug war damals noch mit gewaltigen Batterien ausgestattet, die das Fahrzeuggewicht und das Handling beeinträchtigten.

Inzwischen hat sich die Technologie enorm weiterentwickelt, Batterien können viel leichter und kompakter gebaut werden – doch Hybrid ist nicht gleich Hybrid, denn es gibt vier unterschiedliche Technologien, die ich im Folgenden (so gut mir das als Laie möglich ist) vorstellen möchte.

Die genannte Batterie-Lösung ist aus der Formel 1 bekannt, wo sie inzwischen alle Teams verwenden: beim Bremsen fungiert ein Elektro-Motor als Generator und erzeugt aus kinetischer elektrische Energie, die z.B. in einem Lithium-Ionen-Akkumulator gespeichert wird. Beim Beschleunigen (bzw. in der F1 auf Knopfdruck) treibt diese dann wiederum den Elektromotor an, der an die Vorder- oder die Hinterachse gekoppelt ist.

Doch Batterien haben Nachteile, vor allem für ein Langstreckenrennen: Zwar können sie viel Energie speichern (weshalb sie für Straßenfahrzeuge eine wichtige Technologie sind), doch verlieren sie mit jedem Ladezyklus an Effizienz: etwa 10% über die Distanz eines F1-Rennens, über 24h wäre der Verlust also gewaltig. Der Kühl-Bedarf ist groß und die Lade- und Entlade-Geschwindigkeit eher mäßig. Darüber hinaus sind auch die Rohstoff-Gewinnung (z.B. von Lithium) und die Wiederverwendbarkeit solcher Batterien Negativpunkte.

Der Hybrid-908 von Peugeot war mit Batterien bestückt, leider wird man nicht erfahren, ob die Franzosen diese Probleme in den Griff bekommen haben oder hätten…

Auch Toyota hat sich für eine elektrische Lösung entschieden, allerdings mit einem Kondensator (engl. Capacitator) als Speichermedium; das Funktionsprinzip: zwei durch einen Isolator getrennt Elektroden (Metallplatten) werden elektrisch aufgeladen, sodass sich zwischen ihnen ein elektrisches Feld bildet, in dem die Energie gespeichert wird. Superkondensatoren, wie Toyota sie einsetzt, sind um einiges komplexer, haben allerdings auch eine größere Energiedichte.

Kondensatoren sind wie Batterien recht schwer und benötigen viel Kühlung. Ihr Vorteil ist, dass sie schnell viel Leistung bereitstellen können – allerdings ist ihre Speicherkapazität bezogen auf das Volumen kleiner als die von Batterien. Noch sind die Hybrid-Antriebe allerdings durch das Reglement so begrenzt, dass dies kein Problem für Toyota sein sollte – ab 2014 könnten Superkondensatoren schwieriger einsetzbar sein.

Im Gegensatz zu diesen elektrischen Systemen steht das rein mechanische Schwungrad wie es von der britischen Firma Flybrid (ansässig direkt am Silverstone Circuit) gebaut wird und im Vorjahr von Hope Racing eingesetzt wurde. Verlangsamt das Fahrzeug, wird über Antriebswellen und Getriebe ein Kohlefaser-Rad in Schwung gebracht und dreht sich mit bis zu 60.000 U/min. Beim Beschleunigen wird die so gespeicherte Energie durch Abbremsen des Rades über das Getriebe wieder zurück in Richtung Hinterräder gespeist.

Zwar ist das Getriebe komplexer als bei anderen Fahrzeugen, doch alles in allem ist diese Lösung die simpelste und darum auch die leichteste: mit nur 38kg schlägt das gesamte System sich kaum auf der Waage nieder, und die Effizienz ist mit um die 65% sehr hoch. Die Zuverlässigkeit ist hoch und Effizienverluste treten kaum auf. Das System eignet sich entsprechend gut für Privatteams und soll laut Motor Sport Magazine (Print) noch in dieser Saison von einem Privatier eingesetzt werden.

Auch Audi setzt auf ein Schwungrad, verbindet dies allerdings mit einem Generator, es handelt sich also um ein elektro-mechanisches System, in dem das Schwungrad im Grunde die Batterie als Energiespeicher ersetzt. Durch die mehrfache Umwandlung der Energie sind die Verluste höher, die Effizienz sinkt entsprechend gegenüber dem rein mechanischen System. Der Vorteil liegt jedoch im „Packaging“, also der Möglichkeit, die Bestandteile flexibler im Fahrzeug zu verteilen. So nutzt Audi es, um die Vorderräder anzutreiben, was mit einem rein mechanischen System (noch) nicht möglich wäre.

Auch das elektro-mechanische Schwungrad ist inzwischen relativ leicht und vor allem zuverlässig, wie Porsche zweimal bei den 24h auf der Nordschleife bewiesen hat. Audi setzt wie Porsche ein von Williams Hybrid Technologies entwickeltes System ein, in dem sich das Schwungrad mit 45.000 U/min dreht.

Die Zukunft

Hybrid-Antriebe werden ab 2014 in Le Mans und in der Formel 1 eine viel größere Rolle spielen, wenn die Limits an speicher- und abrufbarer Energie deutlich erhöht werden. Der Wettbewerb unterschiedlicher Technologien würde damit in Zeiten, in denen in den Top-Serien mehr und mehr Gleichmacherei und strikte Regulierung regiert, wieder gefördert werden.

Diese Systeme können damit dem Motorsport auch die so oft beschworene Straßen-Relevanz zurückgeben, die er in den letzten Jahren kaum noch hatte. Zwar wird in keinem Straßenwagen ein Formel 1-KERS verbaut werden, doch bei dieser noch jungen Technologie kann der Motorsport als Forschungs-Beschleuniger fungieren. Mercedes hat z.B. das Gewicht seines Batterie-KERS für die Formel 1 in vier Jahren von 120kg auf 24kg gesenkt. Das neueste F1-taugliche Flybrid-System wiegt gar nur 18kg. Neue Materialien oder sonstige Verfeinerungen verbessern die Systeme aller Bauarten ständig. Mit der Zeit werden sich diese Entwicklungen auch mehr und mehr in der Serienproduktion niederschlagen und die Modellpaletten der Hersteller durchdringen.

Doch, wie der Delta Wing zeigt, Leichtbau und Efizienz sind auch auf andere Weise zu erreichen. Der Motorsport kann und sollte all diese Technologien promoten: er kann zwar per Definition nicht „grün“ sein (bestenfalls ein wenig grüner), weil Autos immer Energie verbrauchen, doch er kann zumindest beweisen, dass Leichtbau- oder Hybrid-Fahrzeuge spektakulärer sein können als ein Audi A2 oder Toyota Prius und dass diese „grünen“ Technologien neben Effizienz- auch Performance-Vorteile mit sich bringt.

In diesem Sinne: Go Audi! GoToyota! Go Delta Wing!

(Bilder: Nissan, WEC)

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2 Kommentare

24 Stunden von Le Mans: Vorschau – Die LMP1 | Racingblog 17 Juni, 2013 - 19:00

[…] Einen kleinen Vorteil dürfte  Toyota mit seinem Hybrid-Konzept haben, da der Superkondensator ein effizienterer Energiespeicher ist. Außerdem erlaubt das Reglement bei einem Einbau an der Hinterachse den Einsatz jederzeit, während Audi, deren Elektromotoren die Vorderräder antreiben, diese erst ab 120 km/h zuschalten darf. Welchen Beschleunigungsvorteil das den Japanern bringt, kann man in jedem direkten Zweikampf beobachten, bspw. in Spa oder im Vorjahr in Le Mans. An den für den Hybrid-Ausstoß entscheidenden offiziellen „Bremszonen“ hat sich derweil nichts verändert: die sieben Punkte sind wie im Vorjahr die Dunlop-Schikane, die beiden Hunaudières-Schikanen, Mulsanne Corner, Indianapolis, der Eingang der Porsche-Kurven und die erste Ford-Schikane. (Die Hybrid-Konzepte habe ich im Vorjahr erklärt.) […]

Die 24 Stunden von Le Mans – Vorschau (Teil 3): Die LMP1 | Racingblog 11 Juni, 2014 - 16:02

[…] 2MJ-Klasse an. Da Audi (wie die beiden Konkurenten) auf Hybrid-Technologien setzt, die ich schon 2012 in einem Artikel erläutert habe, möchte ich an dieser Stelle darauf […]

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