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NASCAR: Analyse Charlotte Mai 2011

von KristianStooss
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Kevin Harvick sicherte sich im Coca-Cola 600 seinen dritten Saisonsieg und kam dabei, wie schon bei den ersten beiden Fahrten in die Victory Lane, augenscheinlich aus dem Nichts. Auch im NASCAR-Teil des Super-Wochenendes gab es einen großen Verlierer, denn Dale Earnhardt Jr ging in der letzten Kurve der letzten Runde in Führung liegend der Sprit aus!

Wer am Sonntag gegen Mitternacht nach den spannenden Klassikern von Monaco und Indianapolis noch für eine weitere Runde wach geblieben ist, der wird es wahrscheinlich nicht bereut haben. Zwar ging ein Großteil des Rennens mit längeren Ausdauerfahrten unter Grün über die Bühne, aber das war ja beim längsten Meisterschaftslauf der NASCAR-Saison immerhin angekündigtes Programm. Wer dann auch noch bis zum Ende durchgehalten hat, der wurde mit einem spannenden Finish belohnt. Ich bin dummerweise leider ca. fünf Runden vor Schluss eingeschlafen und wurde gegen Ende von Kevin Harvicks Zeremonie in der Victory Lane wieder kurz wach. Die Frage, welche ich mir sofort stellte, war die übliche zu den Themen Harvick und Rennsiege: Where the hell did he come from? Weil ich dann vor der Arbeit noch etwas Schlaf kriegen wollte, schaltete ich den Rechner aus und bekam dabei ein wichtiges Detail erst gar nicht mit: Fast hätte Dale Earnhardt Jr das Rennen gewonnen, rollte jedoch kurz vor dem ersehnten Ziel ohne Benzin aus!

Den Weg zu diesen verpassten 15 Minuten ebnete die vorletzte Gelbphase des Abends ca. 55 Runden vor Schluss. Weil das Spritfenster normalerweise nur gute 50 Umläufe groß ist, begann zu diesem Zeitpunkt der große Spritpoker von Charlotte. Schon kurz vor dem Ende des Fuel-Runs mussten Matt Kenseth und Jeff Gordon mit geringem Benzindruck aufgeben und Sprit nachfassen, um nicht auszurollen.

Ihr größtes Problem war dabei, dass Jimmie Johnsons Motor nur einige Runden später den Tag vorzeitig beenden wollte, nachdem der Dauermeister schon zuvor nicht gerade vom Glück verfolgt war. Mehrere Scharmützel in der Boxengasse, darunter ein steckengebliebener Stellschraubenschlüssel in der Öffnung der Heckscheibe, warfen Johnson zeitweilig zurück. Just als er in die Top10 vordrang, löste er vier Runden vor dem regulären Ende die letzte Gelbphase aus und brachte den Benzinkrimi damit auch noch in die Verlängerung.

Nun könnte man meinen, dass Kenseth und Gordon dadurch mit vollem Tank einen Vorteil beim Restart haben würden, nur hingen beide nach ihrem Stopp unter Grün am Ende der Führungsrunde bzw. mit einem Umlauf Rückstand im Hinterfeld fest. Da die langsam trockenlaufende Konkurrenz aber keinen Moment lang daran dachte, noch einmal zum Nachfassen an die Box zu kommen, war ihr Tag damit erledigt. Der nächste Top-Contender, Greg Biffle, überstand das Herumrollen unter gelber Flagge nicht und musste ebenfalls zum Tanken fahren.

Dale Earnhardt Jr hatte sich zum Restart an zweiter Stelle hinter Kasey Kahne platziert und hatte nach einem guten Rennverlauf innerhalb der Top10 auch tatsächlich eine Siegchance. Sein letzter Erfolg entstammte natürlich ebenfalls einem Spritpoker, das war bekanntlich 2008 in Michigan. Doch fast wäre es für Junior schon unter Gelb vorbei gewesen, da er große Probleme damit hatte, seinen Motor wieder anzustellen, nachdem er ihn zuvor zum Benzinsparen ausschaltete. Dass man so auch ein Rennen verlieren kann, darüber wird Marcos Ambrose sicherlich noch eine lange Geschichte erzählen können, davon dass er im letzten Jahr in den kalifornischen Bergen ausrollte und Jimmie Johnson den Vortritt lassen musste.

Hinter Kahne und Earnhardt starteten dann übrigens Denny Hamlin und Brad Keselowski in die Verlängerung über zwei Runden. Der Restart ging jedoch überhaupt nicht gut, da Kasey Kahne sofort nach dem Schwenken der grünen Flagge ohne Benzin ausrollte. Als Führender stand er damit natürlich einer Menge weiterer Piloten im Weg rum, was fast zu einer Massenkarambolage führte. Weil alle betroffenen Fahrer ihre Wagen allerdings sofort wieder unter Kontrolle bekamen, sah NASCAR keinen Anlass, erneut eine Caution auszurufen. Man konnte an dieser Stelle sicherlich wieder die bösen Zungen vernehmen, welche einen Zusammenhang zur nun erlangten Führung von Dale Earnhardt Jr sahen. Mir liegt es dieses Mal jedoch fern, denn ich denke, dass NASCAR dort richtig entschieden hat. Immerhin löste sich die Gefahrensituation wirklich schnell wieder auf.

Nutzen konnte Junior den Umstand allerdings nicht mehr, denn nachdem zunächst Anfang der letzten Runde Verfolger Denny Hamlin der Sprit ausging, rollte auch Earnhardt ausgangs von Turn 4 mit leerem Tank langsam in Richtung Ziellinie. Profitieren konnte wieder einmal Kevin Harvick – oder „The Closer“ wie er jetzt genannt wird! Harvick führte im Laufe des Rennens übrigens nur zwei Runden an. Auf die Gründe für seinen Erfolg in diesem Benzinkrimi gehe ich gleich ein, zunächst möchte ich noch ein paar Worte über die in Charlotte sehr starke Ford-Flotte verlieren:

Denn Roush-Fenway Racing stellt sich momentan eindeutig am besten an, auch wenn man den Poker zum Schluss verlor und am Ende leider größtenteils nicht mehr in die Top12 fahren konnte. Die Roush-Fahrer dominierten über die Hälfte des Rennens, als es noch unter normalen Bedingungen zuging. Matt Kenseth (103, Rang 14), Carl Edwards (61, Platz 16), Greg Biffle (50, Rang 13) und David Ragan (7, Platz 2) führten gemeinsam 221 der 400 Runden an. Weil Ragan aber während der letzten Gelbphase an die Boxengasse kam, konnte er an den ausrollenden Fahrzeugen vorbei auf einen starken zweiten Rang fahren, welcher sich zuvor schon über die gesamte Renndistanz ankündigte. Insgesamt haben wir gesehen, dass sich die Roush-Fords sehr schwer mit ihrem Benzinverbrauch taten, ähnlich wie auch die Chevrolets von Hendrick Motorsports.

Der Meister im Spritsparen bleibt also nach wie vor der Chevy-Motor von Richard Childress Racing, welcher in Kooperation mit Earnhardt-Ganassi Racing hergestellt wird. Allerdings darf man bei aller Euphorie im Team auch nicht vergessen, dass z.B. Paul Menard (der zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Runden Rückstand hatte) als Schützenhilfe einsprang, um seinen Teamkollegen Harvick wörtlich durch die Gelbphase zu schieben. Eine solche Aktion ist im Übrigen nicht illegal, wenn sie nicht in der letzten Runde erfolgt. Damit ist RCR natürlich auch eine taktische Meisterleistung gelungen, welche die Super-Strategen von Hendrick gar nicht auf dem Programm hatten.

Dass aber auch sonst eine Menge passiert war, zeigte sich alleine an der Verteilung der Führungsrunden: Von den Top23 in der Ergebnisliste führten nicht weniger als 17 Fahrer das Rennen für mindestens eine Runde an. Rechnet man die Totalausfälle zweier weiterer Piloten mit ein, befanden sich sogar 19 von 43 unterschiedlichen Fahrern zwischenzeitlich an der Spitze des Feldes, was immerhin knapp 50% entspricht. Dabei wird auch die hohe Leistungsdichte im Sprint Cup deutlich, welche in dieser Saison ja schon so einige Male aufgeblitzt ist.

Leider entspricht das letztendliche Rennergebnis nicht so richtig dem Verlauf des Abends, daher kann ich lediglich auflisten, wer sich besonders gut und wer besonders schlecht verkauft hat:

– Roush-Fenway Racing und Kasey Kahne, auch wenn das nur in einem Fall belohnt wurde,
– Marcos Ambrose und AJ Allmendinger fuhren in die Top6, nachdem sie vorher auch lange Zeit konstant in den Top10 unterwegs waren,
– Ricky Stenhouse Jr verkaufte sich bei seinem Cup-Debüt recht ordentlich, bedenkt man, dass er zuvor schon 300 Meilen in der Nationwide Series gefahren ist. Platz 11 ist nach dem frühen Mauerkuss ein gutes Ergebnis!
– Kyle Busch und Mark Martin waren dummerweise in Umfälle verwickelt, während sich Jimmie Johnson und Jamie McMurray jeweils vor Rennende von ihren Triebwerken verabschieden mussten.

Kevin Harvick katapultierte sich mit seinem Sieg von Platz 5 in der Meisterschaftswertung auf Rang 2, vorbei an Jimmie Johnson (3.), Dale Earnhardt Jr (4.) und Kyle Busch (5.). Ganz vorne steht nach wie vor mit 36 Punkten Vorsprung Carl Edwards.

Das gute Ergebnis von Ricky Stenhouse Jr beförderte am Wochenende außerdem Robby Gordon aus den Top35 der Owner Points und das mehr als deutlich. Zwischen den Plätzen 35 und 36 liegen nun 17 Punkte, was das Rennen um die garantierten Startplätze erstmal für mindestens ein Rennen entschärfen dürfte.

In der nächsten Woche geht es dann gleich in Kansas weiter, einem weiteren 1,5-Meilen-Oval. Zur Unterstützung sind die Trucks dabei, während die Nationwide Series sich in Chicagoland vergnügt.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.

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