Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Brasilien – Die schlimme Pirelli Show

Formel Eins: Analyse GP von Brasilien – Die schlimme Pirelli Show

von DonDahlmann
7 Kommentare

Es war schon teilweise lächerlich, was man in Sao Paulo zu sehen bekam. Hilflos rutschende Autos, eine konfuse Rennleitung und schwere Unfälle. Die Reifen sorgten dafür, dass man nur ein zerstückeltes Rennen zu sehen bekam.

f1_race_brasil_2016_17Regenrennen sind immer so eine Sache. Einerseits gut für die Spannung, andererseits auch nicht gerade gut für die Sicherheit. Die Sicht ist gleich Null, Kollisionen vorprogrammiert und Abflüge sowieso. Auf einer traditionellen Strecke wie der in Sao Paulo gibt es dann auch nicht an jeder Ecke Auslaufzonen, was die Sache nicht besser macht. Auf der anderen Seite fährt die F1 ja nun nicht zum ersten Mal bei schlechtem Wetter. Und doch reagieren Rennleitung und Teams oft wie Autofahrer beim ersten Schnee des Jahres – nie gesehen, nie erlebt, Panik. Die so durchorganisierte Formel Eins, in der nichts dem Zufall überlassen wird, steht Kopf, wenn es mal nass ist. Weil man alle Strategieprognosen wegwerfen kann, weil man einfach nicht weiß, was passieren wird. Das ist eigentlich gut so und führt zu spannenden Rennen. Wenn denn ein Rennen gefahren wird.

Das Bild vom Sonntag waren die Runden 21 bis 29. Nach einer roten Flagge entschloss man sich das Feld für ein paar Runden wieder auf die Strecke zu schicken, langsam, hinter dem Safety Car. Um acht Runden später erneut das Rennen zu unterbrechen. In den acht Runden beklagten sich die Fahrer über Aquaplaning, kalte Reifen und wenig Grip. Es war ein Armutszeugnis der Formel Eins und der Rennleitung, die, sicher unter Druck, die Autos wieder zu schnell auf die Strecke geschickt hatte. Abwarten wäre deutlich besser gewesen. Abwarten, bis es nicht mehr so stark regnete.

Einen noch schlechteren Tag als die Rennleitung, hatte aber Pirelli. Der „Regenreifen“ ist sein Geld nicht wert. Er ist ein Witz. Beim Restart in Runde 20 verlor nicht nur Räikkönen auf der Geraden (!) die Haftung an der Vorderachse, sondern auch Max Verstappen und Joylon Palmer. Davor hatten Grosjean, Ericsson, Vettel, Verstappen, später Rosberg, Massa und Alonso an fest der gleichen Stelle das Auto verloren. Ja. es ist ein Problem, dass die Drainagen in Brasilien an der Stelle nicht so gut arbeiten und kleine Flüsse über die Strecke laufen. Ja, das hat schon immer für Probleme im Nassen gesorgt. Aber so schlimm hat man es selten gesehen.

f1_race_brasil_2016_05Und es gab schon Rennen in der Vergangenheit, in denen es deutlich mehr geregnet hat. Aber war dann nicht Pirelli, sondern Bridgestone der Reifenlieferant. Probleme wie das frühe Aquaplaning und das trotz einer Aerodynamik, die deutlich mehr Abtrieb liefert, als zum Beispiel in den 90ern, zeigen auf, dass die Regenreifen einfach schlecht sind. Sie verdrängen nicht genug Wasser – Punkt. Und damit ist man auch als bester Pilot der Welt einfach hilflos. Wie schlecht die die Regenreifen sind, konnte man in Brasilien auch an Zeiten beobachten. Mit den Intermediates war man bei gleichen Bedingungen vielleicht 2 Sekunden langsamer, hatte aber das Problem, dass man noch früher aufschwamm. Dennoch konnte die Hälfte des Feldes vor dem ersten Abbruch locker mit den Intermediates fahren. Wo eigentlich Full-Wets angesagt waren.

Wie soll da ein Rennen entstehen? 30 Runden lang passierte ja auch nichts, immerhin wurde es dann gegen Ende, als der Regen nachließ, dann doch besser. Nicht an der Spitze. Hier war eh klar, dass nichts passieren würde. Rosberg hatte die Pole am Samstag um ein Zehntel verpasst. Das war angesichts des Wetters am Sonntag doppelt ärgerlich, denn dieses Zehntel entschied dann vermutlich darüber, dass Rosberg seinen ersten Titel eben doch (noch) nicht gewinnen konnte. Auf der anderen Seite bin ich mir ziemlich sicher, dass Hamilton in der letzten Phase des Rennens mehr Risiko gegangen wäre. P1 für Rosberg war also keineswegs gesichert, selbst wenn er die Pole geholt hätte.

Der Deutsche entschied sich dazu, sich aus allem raus zu halten. Ein Angriff auf Hamilton hätte eh nur wenig gebracht, also hielt er sich an seinen Fahrplan für die WM. Zumal ihm in Abu Dhabi ein dritter Platz reicht um den WM-Titel zu holen. Sollte da alles wie immer laufen, sollte das auch kein Problem sein.

f1_race_brasil_2016_08Für sehr viel Abwechslung sorgte mal wieder Max Verstappen. Dessen Talent strahlte beim Wetter und den schlechten Pirelli-Reifen so hell, dass man fast geblendet wurde. Seine Überholmanöver sahen sensationell aus, vor allem in T3 auf der Außenseite. Warum er da der einzige blieb, der diese Linie nutzte, obwohl auf der Innenseite mehr Wasser stand, ist mir allerdings ein Rätsel. Es ist nicht das erste Mal, dass man diese Linie sieht, hätte sich eigentlich rumsprechen sollen. Das machte die Arbeit von Verstappen etwas leichter, was aber nicht dessen Leistung schmälern soll.

Und somit dann auch zum einzigen Punkt in Sachen Strategie. Den einzigen Fehler machte Red Bull in Runde 43. Da lag Verstappen auf den Full Wets auf Platz 2 und ohne große Not holte man Verstappen zum Wechsel auf die Intermediates. Tatsächlich war es zu dem Zeitpunkt nicht sicher, wie das Wetter werden würde. Viel sprach für mehr Regen. Aber die Versuche aus dem ersten Teil des Rennens zeigten, dass man mit den Intermediates bequem würde fahren können um dann bei abtrocknender Stelle einen Vorteil zu haben. Man versuchte mit dem etwas frühen Wechsel einen Undercut gegenüber Hamilton, aber Mercedes ließ sich da nicht aus der Ruhe bringen.

Als es wieder nasser wurde, holte man Verstappen dann wieder rein und gab ihm den letzten Satz neuer Full Wets. Erstaunlich war dann der Unterschied zwischen den neuen Regenreifen beim Niederländer und ca. 25 Runden älteren Reifen der Konkurrenz. Verstappen ließ die Fahrerkollegen stehen, als hätten diese Slicks aufgezogen. Ende Runde 55 lag er auf P15 und nur 14 Runden später war er schon auf P3. Das war dann schon eine Show, wie man sie lange nicht mehr gesehen hatte. Verstappen war in allen Belangen besser und vor allem schneller – außer gegenüber den Mercedes Piloten. Klar ist auf jeden Fall: sollte Red Bull im nächsten Jahr ein konkurrenzfähiges Auto haben, wird man mit Verstappen in Sachen WM rechnen müssen.

Was sonst so los war:

  • Ein ebenfalls interessantes Rennen hatten Felipe Nasr und Carlos Sainz. Nasr startete von P21 und landete am Ende auf P9. Zwischenzeitlich lag er sogar auf P6, wurde aber am Ende von Verstappen, Vettel und Ricciardo überholt. Sauber gelang das Kunststück, in dem man im ersten Stint nicht auf die Intermediates wechselte und dadurch nach vorne gespült wurde. Während fast das gesamte hintere Feld bis P10 auf die Intermediates wechselte, entschied sich Sauber zu warten. Am Ende stellte ich das als richtige Entscheidung raus. Dabei halfen die Unterbrechungen natürlich, denn da konnte man die Reifen wechseln. Der neunte Platz war für Sauber extrem wichtig. Zum einen waren es die ersten Punkte in diesem Jahr, zum anderen konnte man Manor auf P10 verdrängen, was am Ende vermutlich rund 30 Millionen Dollar mehr ausmacht. Die Mannschaft feierte den Erfolg wie einen Sieg.
  • Carlos Sainz erlangte P6 nachdem er vonP15 startete. Auch Toro Rosso beließ den Spanier auf den Regenreifen, was ihn nach vorne brachte. Mit Kvyat versuchte man es genau anders herum, aber das passte, ebenso wie bei der Konkurrenz, strategisch nicht. Der Russe landete auf P13.
  • Für Manor sah es zeitweise richtig gut aus, denn man hatte beide Autos in den Punkten. Auch hier war der Schüssel, dass man die Regenreifen drauf ließ. Die guten Positionen verlor man dann im letzten Drittel des Rennens, weil man einfach zu langsam war.
  • Ferrari hatte mit Räikkönen einerseits Pech, andererseits verzockte man sich bei Vettel ebenfalls mit den Intermediates. Das der Deutsche am Ende von Verstappen aufgeschnupft wurde, lag auch an den frischeren Reifen bei Verstappen. Generell machte der Ferrari im Regen aber nicht den allerbesten Eindruck. Vettel brauchte Ewigkeiten um an Sainz vorbei zu kommen, was ihm am Ende P4 kostete.
  • Nico Hülkenberg sollte man ebenfalls lobend erwähnen. Wegen eines schleichenden Plattfuss musste er ausgerechnet nach einer Unterbrechung an die Box und fiel weit zurück. Immerhin kämpfte er sich dann noch auf P7 vor. Perez profitierte wie viele davon, einfach die Regenreifen drauf zu lassen.

Und so geht es jetzt ins letzte Rennen der Saison nach Abu Dhabi. Für Rosberg sieht es gut aus, ihm reicht bekanntermaßen P3 um Weltmeister zu werden. Und schon das wäre eine Überraschung, denn die Mercedes sollten in Abu Dhabi das schnellste Auto haben. Der Druck dürfte bei Mercedes gleichmäßig verteilt sein. Hamilton muss gewinnen, Rosberg wird hoffen, dass sein Motor auch das letzte Rennen des Jahres hält.

 

 

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Red Bull Mediahouse/Getty Images, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

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7 Kommentare

Ralf G. 14 November, 2016 - 17:00

Das Rennen wird in dem Bericht ein bisschen arg schlecht geredet. Das war dank Verstappen eines der großen Regenrennen, von denen man auch noch in 20 Jahren reden wird wie über Monaco 84 oder Barcelona 96.

Der Marc Surer hatte bei Sky schon recht: „Es gibt kein Recht auf Vollgas.“ Es sind die besten Rennfahrer, ergo ist es ihr Job bei schwierigen Bedingungen (Rennen fahren ist nun mal ein Outdoor-Sport) die Grenze des mit den verfügbaren Reifen machbaren auszuloten. Und nicht einfach zu sagen „wenn ich nicht Vollgas fahren kann mit den Reifen dann ist der Reifen doof und es ist zu gefährlich“. Was ist das für eine Logik?

Man sollte es mit dem Sicherheitswahn nicht übertreiben. Da fährt Raikkönnen trotz Nässe über die Begrenzung, dann fliegt er halt ab, selbst schuld. Passierte den anderen ja auch nicht.

Die „einfach so“ Rotphase war ebenso überflüssig wie der Start hinter dem Safety Car, da hat das Publikum zu Recht gebuht und gepfiffen. Irgendwann enden wir in der Formel 1 wie bei den Ami-Serien, wo im Regen gar nicht erst gefahren wird.

DonDahlmann 14 November, 2016 - 17:09

Ein Recht auf Vollgas gibt es natürlich nicht. Die Fahrer kamen ja auch gut damit zurecht. Problematisch war der Abflug von Räikkönen. Gleichzeitig wäre hinter ihm beinahe Verstappen abgeflogen und Palmer erwischte es auch. Das hat etwas mit den Reifen zu tun. Auch der Vergleich mit den Regenrennen aus der Vergangenheit zeigt, dass die Pirelli Reifen nicht gut genug sind. Siehe auch Silverstone dieses Jahr.

Ralf G. 14 November, 2016 - 23:03

An den Full Wets muss Pirelli sicher arbeiten. Aber das war ja bekannt, und die meisten Fahrer haben es ja auch mit diesen hinbekommen. Die meisten Fahrer waren sogar ziemlich gut unterwegs, auch einige Leute die man als Aspiranten für Leitplankenkontakt als erstes im Sinn hatte. Nasr z.B., ich habe förmlich drauf gewartet dass er die Millionen-Dollar-Punkte wegwirft.

Von daher „Daumen hoch“ für die Entscheidung nach dem zweiten Rot das Rennen laufen zu lassen, da hat die Formel 1 gerade noch die Kurve bekommen, und am Ende war das Publikum (auch vor dem TV-Gerät) ja auch wieder begeistert.

nona 15 November, 2016 - 09:58

Nicht dass ich den heiligen Max künstlich schlechtreden will, aber man darf bei den Newey-Autos auch nicht vergessen, dass das Abtriebsmonster sind, die bei Regen in Brasilien bekanntermassen extrem gut gehen würden. Als sich vor dem Wochenende ein sicheres Regenrennen abzeichnete, wurden die Red Bulls ja schon tagelang als realistische Siegkandidaten gehandelt.

littleskill 15 November, 2016 - 13:57

Natürlich ist der Redbull ein gutes Auto im Regen, aber man sollte nicht vergessen, dass Verstappen in Runde 55 direkt hinter Riccardo lag, der bekanntermaßen auf Platz 8 ins Ziel kam.

DonDahlmann 15 November, 2016 - 14:44

Man darf nicht vergessen, dass Verstappen mit neuen Regenreifen unterwegs war und es etwas weniger nass war. Das macht eine Menge aus. Soll aber nicht die Leistung von ihm schmälern. Bemerkenswert waren vor allem seine Ausbremsmanöver, seine Linienwahl und die Fahrzeugkontrolle. Das war schon sensationell.

Carsten Paul (@PhoenixCP82) 16 November, 2016 - 11:17

Eigentlich hatte dieses Rennen alles, was es braucht um Legenden zu bilden: Regen, ein euphorisches Publikum, eine spannende Situation an der WM-Spitze, hinter den Mercedes eigentlich auch ein recht kompaktes Feld. Und was passiert? Das aktuelle Regelwerk sorgt für einen Start hinterm Safety Car (was ein Glück dass das nächstes Jahr ein bisschen anders wird), Fahrer von Autos mit wenig mechanischem Grip bekommen dabei natürlich die Reifen nicht in ein Arbeitsfenster. Die notwendige Safety Car Phase nachdem der Sauber verunglückt in der Boxengasseneinfahrt lag war mehr als notwendig und legitim, ebenso wie der Abbruch nach dem Unfall von Raikkönen. Man stelle sich nur vor wie es hätte ausgehen können wenn der Manor ihn frontal getroffen hätte… Unvorstellbar mit einem Monoposto… Anschließender Neustart aus der Boxengasse hinter dem Safety Car mit einem anschließenden, vollkommen unnachvollziehbaren erneuten Abbruch… Hallo? Die Formel 1 bezeichnet sich selbst als die Königsklasse des Motorsports, mit den besten Fahrern der Welt. Egal wie gut oder schlecht ein Reifen oder eine Drainage ist, aber wegen Regen wird das Rennen abgebrochen? Das ist doch eine Farce schlechthin. Vierfache Weltmeister die am Funk über das Wetter jammern und breitquatschen, das sie offensichtlich keine Lust haben, bei Regen zu fahren? Wo soll das noch alles hinführen?
Klar, bei stehender Nässe auf der Strecke kann man Aquaplaning bekommen und abfliegen. Einige konnten es abfangen und damit zeigen das sie entsprechend gut fahren können, andere konnten es nicht mehr abfangen und sind abgeflogen. Schade das es für Massa so ausgegangen ist, aber der anschließende Empfang in der Boxengasse was eine Gänsehaut-Situation vorm TV. Eigentlich schade das die Williams Box soweit vorn war… Die gesamte Boxengasse mit stehendem Spalier wäre schon ne geile Aktion gewesen.
Und dann endlich doch noch sowas wie ein Rennen. Ein paar Runden Spaß. Vorn kontrolliert Rosberg seine WM zu Ende und fährt in den Spuren von Hamilton. Dahinter geht teilweise echt die Post ab, insbesondere Verstappen zeigt, was der gescholtene Regenreifen (zugegeben auf dem Abtriebsmonster) zu leiten im Stande ist und fasziniert mit spannenden Fahrlinien und fantastischen Manövern, wie man sie lange nicht mehr gesehen hat. Schade, ich denke wenn er noch 20 Runden freies Fahren mehr gehabt hätte, wäre er m.M.n. an Rosberg und Hamilton dran gewesen und wir hätten vielleicht noch einen Kampf um den Sieg gesehen.

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