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FIA WEC: Vorschau 6h of Mexiko

von Flo aus N
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Nachdem die WEC zuletzt 2014 auf der Südhalbkugel fuhr, kehrt man nun nach Südamerika zurück. Auf dem Autodrome Hermanos Rodriguez, auf dem letztes Jahr die F1 debütierte, tritt man zur ersten Überseerunde an.

2016-6-Heures-de-Mexico-Adrenal-Media-DSCF3574_hdGanz ohne Komplikationen verlief die Aufnahme des Rennens aber nicht. Letztes Jahr wurde relativ lange von offizieller Seite an die Teams kommuniziert, dass auch 2016 die bisherigen Rennens auf dem Plan stehen werden. Zwar gab es Diskussionen über ein zusätzliches Rennen, aber es hieß auch bis Mitte des Jahres, dass es bei den vorhandenen acht Rennen bleiben würde. Erst recht spät, nach der Bestätigung der Budgets, kam dann aber die Nachricht, dass man ein zusätzliches Rennen fahren würde. Grundsätzlich bedeutet ein zusätzliches Rennen einen größeren finanziellen Aufwand, und im Falle von Mexiko ist gerade bei den LMP1 dieser zusätzliche Aufwand deutlich höher, als würde man zum Beispiel in Suzuka oder Sebring fahren.

Der Grund dafür liegt in der Höhe. Mit 2250 m liegt die Strecke wesentlich höher als alle anderen Strecken. Die größte Auswirkung hat die Höhe auf den Luftdruck und somit auf die Dichte der Luft. Die Luftdichte ist hier über 20 Prozent geringer als auf den vergleichbaren Strecken wie dem Nürburgring. Auf die Autos hat dies in Sachen Abtrieb starke Auswirkungen: Der Abtrieb ist linear abhängig von der Luftdichte, was dazu führt, dass man bei vergleichbaren Setups und Geschwindigkeiten eben über 20 Prozent weniger Abtrieb zur Verfügung hat. Mexiko ist aber eine Strecke, welche neben dem Nürburgring den meisten Abtrieb überhaupt verlangt. Verantwortlich sind dafür zum einen die Kurvenkombinationen T1-T3 sowie die mittelschnellen Kurven vor der Gegengeraden. Daher werden wir Autos mit den größten Angriffswinkeln bei den Flügeln überhaupt sehen, um den verloren gegangenen Abtrieb so gut es geht zu kompensieren. Der Topspeed wird in etwa auf dem Niveau anderer Strecken wie dem Nürburgring liegen, denn auch dieser ist linear von der Luftdichte abhängig.

Der zweite Punkt betrifft die Kühlung der Fahrzeuge. Die Kühlung ist relativ aufwendig, denn es gilt, das Batteriepaket, die E-Traktionsmaschine(n), den Motor, die Ladeluft, Ölkreisläufe etc. entsprechend zu kühlen. Wie überall im hochklassigen Motorsport ist man auch hier mit sehr geringen Sicherheiten unterwegs. Ein wichtiger Punkt bei der Auslegung der Kühlung ist die benötigte Kühlleistung. Diese errechnet sich aus dem Massenstrom, welcher sich wie folgt errechnet: Querschnittsfläche*Strömungsgeschwindigkeit*Dichte. Also muss man die Querschnittsfläche, welche durchströmt wird, auch hier um circa 20 Prozent erhöhen, um die gleiche Kühlleistung erreichen zu können. Dies ist notwendig, denn man will zum Beispiel den Antriebsstrang nicht mit 80 Prozent oder 90 Prozent der maximalen Leistung fahren, denn dann wären die Rundenzeitenverluste viel zu hoch. Die Teams sind daher gezwungen, für dieses Rennen die Kühlung und die Durchströmung der Wagen massiv anzupassen. Dieser Aufwand ist nur für dieses Rennen notwendig und höher als die eigentlichen Einsatzkosten für das Rennen. Wir werden daher bei den Hybridfahrzeugen zusätzliche Öffnungen, Kühlungsschlitze sehen, um die entsprechende Kühlleistung erreichen zu können.

Einen weiteren Effekt hat die Höhe auf die Ladeluft. Die Turbos sind in der Lage, den benötigten Ladedruck wie in der Tiefe herzustellen, allerdings ist das Verdichtungsverhältnis nun deutlich höher (von 0,8 bar auf zum Beispiel 2,0 bar anstelle von 1,0 auf 2,0 bar). Dies hat zur Folge, dass bei gleichem Ladedruck von zum Beispiel nun 2,0 bar die Ladeluft wärmer ist als auf den tiefergelegenen Strecken. Aus thermodynamischer Sicht ist aber eine möglichst geringe Ladeluftemperatur gewünscht, denn dadurch verringert sich zum einen die Klopfneigung und der Verbrennungsprozess verläuft effizienter. Dadurch werden zum einen Ladeluftkühler größer ausfallen, zum anderen muss gerade bei den Benzinern das Mapping in Bezug auf Zünd- und Einspritzzeitpunkt angepasst werden, um ein unerwünschtes Klopfen des Kraftstoffes zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund waren die Teams relativ stark verärgert, als ihnen recht kurzfristig gesagt wurde, dass man 2016 nach Mexiko fahren wird, zumal die Budgets zu diesem Zeitpunkt schon festgezurrt waren.

2016-6-Heures-de-Mexico-Adrenal-Media-GT7D0321_hdDie grundsätzliche Frage lautet nun: Welcher Hersteller kann auf diese Gegebenheiten am besten reagieren?
Beginnen möchte ich hierbei mit Toyota. Der TS050 ist ein Auto, welches fast ausschließlich für Le Mans entwickelt wurde. Das heißt, vor allem die interne Kühlung liegt sehr tief und flach, da sie von recht geringen Angriffswinkeln der vorderen Luft, welche vom Diffusor kommt, angeströmt wird. Auch ist zum Beispiel die Kühlung des Hybridsystems auf die 300 kW erlaubte Leistung ausgelegt, um hier für Le Mans keine zusätzlichen Verluste durch eine größere Kühlung zu generieren. Man hat zwar ein Paket für höheren Abtrieb entwickelt, aber man liegt damit immer noch konzeptbedingt etwas hinter dem Porsche und dem Audi. Damit hat man dann etwa in Shanghai oder Fuji wiederum Vorteile, in Mexiko oder dem Nürburgring allerdings nicht. Von daher erwarte ich, dass sich Toyota hier ähnlich wie am Nürburgring relativ schwer tun und wohl nicht auf Augenhöhe mit den Deutschen Rivalen liegen wird. In Sachen Fahrer wird man auf Anthony Davidson verzichten müssen, da dieser noch unter den Nachwirkungen eines Testunfalls leidet. Dazu kommt, dass Stephane Sarrazin am Donnerstag morgen bei einem zusätzlichen Test das Auto mit der #6 versenkt hat. Durch den fälligen Neuaufbau wird das Auto die ersten beiden freien Trainings am Donnerstag komplett verpassen, wodurch man am Freitag nur das letzte freie Training zur Verfügung hat.

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Vom grundsätzlichen Konzept sollte her sollte Mexiko eine Strecke sein, welche dem R18 von Audi mit am meisten liegt. Bereits am Nürburgring war man über eine Runde am schnellsten, hatte dann aber im Laufe des Rennens, wie schon in Le Mans, Probleme mit Pickup, welcher der Luftführungen hinter dem Frontflügel zusetzte. Dieser Pickup hat die sehr sensible Aero dahingehend gestört, dass die Luftführung hier nicht mehr optimal war und sofort ein beachtlicher Abtriebsverlust auf der Vorderachse die Folge waren.
IMG_7646 Man sieht auf den Bildern schön die sehr diffizilen Luftkanäle, wobei hier der äußere den Frontflügel Richtung Radhaus entlüftet, während der mittlere Kanal die Luft zu den Kühlern führt. Auch sind bei solchen Problemen die Vortexgeneratoren an der Innenseite der vorderen Radhäuser betroffen, welche nun nicht mehr wie gewünscht die Vortexe erzeugen können. Laut Audi hat man diese Probleme mit dem Pickup behoben. Dies ist grundsätzlich kein einfaches Unterfangen, denn je feiner die Luftkanäle ausgeführt sind, desto anfälliger sind sie. Es ist daher auch durchaus möglich, dass man sich etwas einfallen hat lassen, um die Fahrzeuge beim Stopp zu reinigen. Da der R18 in der Lage ist, sehr viel Abtrieb zu erzeugen, sollte die Strecke dem Auto entgegenkommen und sollte man die Probleme mit dem Pickup in den Griff bekommen, erwarte ich hier, dass man zumindest ein Wort um den Sieg mitreden wird können. Fahrerisch gibt es im Vergleich zum letzten Rennen nur eine Änderung: Benoit Trelyuer wird nach seiner Verletzung wieder zurückkommen und Andre Lotterer und Marcel Fässler unterstützen.

Würde jemand sein Geld auf Porsche setzen, dann würde er auch hier sicher nicht so falsch liegen. Wie Toyota hat man etwas mehr Hybridenergie (3,92 MJ anstelle von 2,94 MJ) als die Audis, was im Falle eines Zweikampfes den 919 Hybrid mehr Optionen offen lassen sollte, um ein Überholen ihrerseits zu erleichtern beziehungsweise um Überholmanöver seitens Audi besser kontern zu können. Im Vergleich zum Nürburgring hat sich am Auto bis auf die Kühlungsthematik kaum etwas getan. Auch verfügt der 919 nach wie vor über den stabilsten Reifenverschleiß, wodurch man zumindest keinen Nachteil haben wird. In Sachen Taktik sieht die Sache relativ einfach aus: Nominell sind laut EoT bei allen drei Herstellern 40 Runden pro Stint möglich, womit sich also die Stintlängen zwischen 38 und 40 Runden einpendeln sollten. Ein Stretchen der Stints auf 41 oder ein Verkürzen auf 38 Runden bringt hier auch nichts, denn man kann sich keinen Splash and Dash sparen. Diese Rechnung gilt natürlich immer so weit, dass die Verhältnisse konstant bleiben und es zu keinen SC-Phasen oder FCY kommt, da man hier bei einem Stopp dann deutlich weniger Zeit verliert.

2016-6-Heures-de-Mexico-Adrenal-Media-GT7D1478_hdBei den kleinen Prototypen der LMP2 gab es nur zwei wesentliche Veränderungen. So hat Manor das zweite Auto nicht mit nach Mexiko gebracht und tritt nur mit der #43 um Richard Bradley, Matthew Rao und Gaststarter Alfonso Diaz Guerra an. Dafür taucht ein Name unter der Nennung von Greaves Motorsport auf. Diese setzen einen betagten aber immer noch nicht langsamen Zytek für Ricardo Gonzalez, Luis Diaz und Bruno Junqueira ein, womit in der LMP2-Klasse immerhin vier Mexikaner am Start sind. Ansonsten sollte sich für Mexiko kaum etwas im Machtgefüge verändern, denn alle Teams treten mit dem 4,5l V8 Sauger an und auch auf Chassisseite ist bislang kaum zu erkennen, dass diese speziellen Anforderungen einem Hersteller mehr in die Karten spielen als anderen. Von daher sind meine Favoriten auf den Sieg wieder der G-Drive Oreca 05, der Ligier von RGR Sport by Morand sowie der Oreca von Signatech Alpine und der Manor mit der #44.

2016-6-Heures-de-Mexico-Adrenal-Media-GT7D0825_hdGrößere Auswirkungen auf die Klasse sollte die Höhenluft aber wiederum in der GTE-Pro haben. Waren im letzten Jahr alle Fahrzeuge noch mit Saugmotoren unterwegs, so hat sich dies für 2016 geändert. Ford setzte auf den 3,5l V6 Biturbo, während Ferrari auf einen 3,9l V8 Biturbo setzt und Porsche beziehungsweise Aston Martin weiterhin auf ihre bekannten Saugmotoren setzen. Ein Umstand, der wie schon weiter oben beschrieben normal klar für die ohnehin dominierenden Ford und Ferrari sprechen sollte, denn mit ihren Turbomotoren verlieren sie weniger Leistung als die Sauger. Dazu kommt, dass diese Autos gerade in unteren und mittleren Drehzahlbereichen, also beim Herausbeschleunigen, etwas mehr Leistung zur Verfügung haben als die Sauger. Von den Saugern sollte am ehesten der Aston Martin ein Wörtchen mitreden können, während der einzige Porsche 911 RSR mit Richard Lietz wieder auf ziemlich verlorenen Posten stehen dürfte.

In der GTE-Am gab es eigentlich auch nur eine wesentliche Änderung: Aston Martin hat sein Fahrzeug von Dunlop auf Michelin zurückgerüstet. Grund ist, dass man in der GTE-Am mit Fahrzeugen des Jahrgangs 2015 oder älter antreten muss und das Fahrzeug damals noch für die Michelins entwickelt worden war. Für 2016 ist man ganzheitlich auf Dunlop gewechselt, allerdings konnte / durfte man das Auto nicht so auf die Reifen adaptieren, wie dies beim 2016er Modell möglich war. Daher hat man sich relativ kurzfristig dazu entschlossen, auf Michelin zurückzuwechseln, während die GTE-Pro-Boliden auf den Dunlops bleiben. 2017, wenn dann das heurige Modell des V8 Vantage in der Klasse starten darf, wird man dann wieder auf Dunlop setzen. Da es in dieser Klasse bislang keine Turbobefeuerten GTE gibt, sondern alle auf Saugmotoren setzen (müssen), hat auch der geringere Luftdruck nicht so große Auswirkungen auf die Fahrzeuge wie zum Beispiel in der LMP1 oder GTE-Pro. Daher erwarte ich die Porsche mit einem leichten Vorteil, denn die vielen engen Kurven, aus denen man herausbeschleunigen muss, sollten dem Heckmotor des Porsche am meisten entgegenkommen, da hier viel Traktion gefragt ist. Der Ferrari wird seine Stärken eher kaum ausspielen können, ebenso wie die Corvette, bei der diesmal Ricky Taylor ins Volant greifen wird. Man munkelt, dass dies eine Vorbereitung für den lange erhofften GTE-Pro-Einstieg 2017 sein könnte.

Das Rennen startet am Samstag um 21:00 Uhr unserer Zeit und geht über die übliche Distanz von sechs Stunden, wodurch das Rennen dann im Laufe des Sonnenuntergangs beendet wird. Es soll wohl auch wieder einen kostenlosen Livestream von Eurosport geben, von daher lohnt es sich sicher, kurz vor Rennstart hier mal vorbeizuschauen.

Bilder: WEC/ACO/Adrenalin

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1 Kommentare

nona 2 September, 2016 - 21:15

Die Südhalbkugel fängt übrigens jenseits des Äquators an. Mexiko liegt dann doch so’n Stückchen weiter nördlich. Von Südamerika. In Mittelamerika. :)

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