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GT3-Report: Die Verwandlung

von Philipp Körner
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Das erste Rennwochenende des Blancpain GT Series Sprint Cups war so wechselhaft und unvorhersehbar wie das Wetter unweit der Adria. In der Nachbetrachtung lassen sich ein sehr überraschendes Podium, verbitterte Teams und Fahrer, merkwürdige Entscheidungen der Rennleitung und vieles mehr erkennen.

Qualifikationsrennen:
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Während die Talente der italienischen F4-Meisterschaft noch Gischt hinter sich im Rennen auftürmten, befuhren die Fahrer des Blancpain GT Sports Clubs, welcher durchaus sehenswert war, und des Sprint Cups eine nur leicht feuchte Strecke. Trotzdem sah sich die Spitze des Feldes gezwungen, die Regenreifenoption zu wählen. Das wäre unter normalen Umständen auch die richtige Variante gewesen, jedoch sollte dieser Fall nicht eintreten. Im Zuge der Qualifikation, welche noch unter teils sonnigen Voraussetzungen stattfinden sollte, zeigte sich, dass ein Audi-Alleingang nicht in Stein gemeißelt war. Zwar holten sich Frederic Vervisch und Laurens Vanthoor im #1 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS die Pole Position, aber dahinter konnten sich andere Marken in Stellung bringen. Auf Platz zwei landete das Duo um Rob Bell und Álvaro Parente im #58 Garage 59 McLaren 650S GT3. Drittstärkste Kraft am frühen Samstagnachmittag sollte das Ferrari-Team Rinaldi Racing mit der Nummer 333 und den Fahrern Marco Seefried und Norbert Siedler werden. Wegen des deutschen Teams gab es auch etwas Verwirrung, da sich teilweise nicht rumgesprochen hatte, dass man im Rennen den Ferrari 458 Italia GT3 verwendete. Die Zeit hatte für den neueren Ferrari einfach nicht gereicht. Neben den beschriebenen Feuchtigkeitsgraden bot das Nachtrennen eine weitere Herausforderung. Im Vergleich zur Helligkeitsintensität eines NASCAR- oder F1-Nachtrennens war die Strecke nur teilweise bis gar nicht ausgeleuchtet, was einen Langstreckencharakter in sich trug.
Den fliegenden Start trat die mit Regenreifen bestückte Spitze geordnet an, nachdem vorher noch der #59 Garage 59 McLaren 650S GT3 mit Craig Dolby am Steuer aufgrund von Elektrikproblemen nicht vom Grid wegkam.BGTS Report 4 Schon in den ersten Runden zeigte sich, dass die Rennleitung bei den Track Limits zu gönnerhaft gewesen war, da man nur in Kurve sechs die Regeln streng auslegen wollte. Über das gesamte Wochenende hinweg war das exzessive Verlassen des Asphaltbandes ein ärgerliches Thema. In den ersten Minuten des Qualifikationsrennens entwickelte sich ein sehenswertes Duell zwischen Laurens Vanthoor im #1 WRT Audi R8 LMS und dem #58 Garage 59 McLaren 650S GT3, den Parente gekonnt im Windschatten des Belgiers bewegte. Jedoch fielen die Briten bald den abtrocknenden Bedingungen zum Opfer und man wurde gnadenlos durchgereicht. Wegen des Zurückfallens generierte er einen intensiven Dreikampf mit dem #4 WRT Audi R8 LMS und dem #333 Rinaldi Racing Ferrari 458 Italia GT3. Am Steuer des Italieners saß Norbert Siedler, der trotz guter Pace dadurch aufgehalten wurde. Der #84 HTP Motorsport Mercedes AMG GT3 war Nutznießer der Kampfgruppe und konnte sich durch die sich balgende Konkurrenz hindurch manövrieren. Somit lag der deutsche Bolide vor dem Öffnen des Boxenstoppfensters (25. bis 35. Rennminute) auf Platz zwei.
Kurz vor der Schließung des Fensters rief die Rennleitung eine Full-Course-Yellow-Phase aus, was man mit Trümmerteilen auf dem Kurs begründete. Ein Großteil des Feldes war zu diesem Zeitpunkt bereits abgefertigt worden, weil die Regenreifen vielerorts zum Problem wurden. Für zwei Fahrzeuge war die Geschwindkeitsreduzierung ein unverhoffter Segen, da man dank risikoreicher Trockenpneus am Ende des ersten Stints länger ausharren konnte. BGTS Report 3Durch die taktische Spielerei befanden sich deshalb nun der #8 Bentley M-Sport Continental GT3 mit Maxime Soulet und der #99 Rowe Racing BMW M6 GT3, der von Philipp Eng übernommen wurde, auf den ersten beiden Plätzen. Beim Bentley wurde während des Stopps ein Reifen ausgetauscht, was nicht reglementkonform ist – bei Bedarf müssen alle Reifen gewechselt werden. Die Untersuchung der Rennleitung nach dem Lauf brachte M-Sport eine Geldstrafe von 1000 Euro ein. Sportliche Konsequenzen gab es keine, da dieses Vergehen nicht ergebnisentscheidend gewesen sein soll: eine weitere merkwürdige Entscheidung der Rennleitung. 16 Minuten vor Ende wurde eine zweite FCY-Phase eingerichtet, da es zu einem folgenschweren Kontakt zwischen dem #23 Nissan GT Academy Team RJN GT-R Nismo GT3 und dem Silver Cup WRT Audi R8 LMS mit der Nummer zwei gekommen war. Der Nissan von Alex Buncombe torpedierte das Heck von Stuart Leonhard, welcher vorher leicht in seine Richtung zog und stark abbremste. Wohl deswegen überwog der Charakter eines Rennunfalls. Der beschädigte Audi bescherte dem belgischen Team eine lange Nacht, aber es sollte für den Sonntag klappen. Kurz nach der Wiederfreigabe sah man am Streckenrand einen gestrandeten #16 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán und ein Stück vorher den #3 WRT R8 LMS. Da man das Ende der FCY wohl schlicht übersehen hatte, knallte der Audi in das Heck des Kampfstiers. Als krönender Abschluss eines äußerst kafkaesken Abends geriet Nicolaj Møller Madsen im #5 Phoenix Racing R8 LMS durch ein Ausweichmanöver auf den nassen Rasen und drehte etliche Pirouetten, ohne anzuschlagen. Eine unschöne Schlussminute für den Zweiten des letztjährigen TT-Cups.
An der Spitze gab es keine großen Sprünge mehr und deswegen war dem BGTS Report 5#8 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Andy Souček/ Maxime Soulet) der Sieg nicht mehr zu nehmen. Auch der #99 Rowe Racing M6 GT3 (Alexander Sims/ Philipp Eng) blieb ungefährdet auf Platz zwei. Das Podium komplettierte ein sichtlich frustrierter Laurens Vanthoor mit seinem #1 WRT R8 LMS, der sich wahrnehmbar schwer tat, mit Frederic Vervisch zu feiern. Im Laufe des Abends argumentierte er, dass eine Schließung der Boxengasse sowie eine Verlängerung des Pflichtboxenstoppfensters eine bessere Alternative zum derzeitigen FCY-Verfahren sei. Diese Idee macht durchaus Sinn und bietet eine gute Diskussionsgrundlage für die Zukunft. Im Silver Cup reüssierte der #19 GTR Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Luca Stolz/ Michele Beretta). Pro-Am-Cup-Sieger ist der #11 Kessel Racing Ferrari 458 Italia GT3 (M.Broniszewski/ G.Piccini) und die beste reine Am-Paarung des Abends war der #66 Black Pearl Racing Ferrari 458 Italia GT3 (Steve Parrow/ Christian Hook), welcher von Rinaldi Racing betreut wurde.

Hauptrennen:
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Fast symbolisch hatte sich die Dunkelheit der Nacht schnell verzogen und der wichtigere Sonntagslauf fand unter blauem Himmel statt. Dementsprechend war die Streckentemperatur relativ hoch und auch der verhältnismäßig starke Wind konnte daran nichts ändern. Das Feld überfuhr das erste Mal die Start-Ziel-Linie in der Form des Rennergebnisses des Vortages. Schnell übermannte der #99 Rowe Racing M6 GT3 den weiß-grünen Briten, was Philipp Eng Führungskilometer einbrachte. Hinter Maxime Soulet witterte die Audi-Armada ihre Chance. Während Vervisch noch problemlos überholen konnte, übertrieb es der junge Dries Vanthoor in seinem #4 WRT Audi R8 LMS und drehte den bulligen Briten. Das optimistische Manöver wurde kurze Zeit später mit einer Durchfahrtsstrafe geahndet, was dem #84 HTP Motorsport Mercedes AMG GT3 Platz drei ermöglichte. Nach einer Viertelstunde musste der weiße M6 den Vanthoor-Vervisch-Audi und den Mercedes ziehen lassen, da er die Pace nicht mitgehen konnte. Erwähnenswert ist das starke Debüt des #88 AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Vautier/Rosenqvist), der sich im Hauptlauf sogar bis dahin auf Rang vier vorkämpfte.
Ungefähr zur Mitte des Pflichtboxenstoppfensters ging die Spitze nahezu geschlossen an die Box, wo das Team WRT den Vorsprung der #1 ausbauen konnte. Überall fanden sich ansehnliche Duelle im Feld, aber ein besonderes Duell sollte die anderen überragen. Mit einem fairen Ausmaß an Kontakt schob sich der Schwede Felix Rosenqvist am #99 Rowe Racing M6 vorbei. Die Rennleitung kündigte zwar eine Untersuchung an, die aber keine Folgen haben sollte. Leider riss ein technischer Defekt die Franzosen von AKKA ASP wenige BGTS Report 6Minuten später aus dem Renngeschehen. Bis zum Rennende ging es nur noch im hinteren Feld zur Sache, wo es teilweise auch etwas zu ruppig wurde. Vorne änderte sich dagegen nichts mehr. Nach seinem dramatischen Unfall 2015 konnte sich Laurens Vanthoor zusammen mit Frederic Vervisch  in die Siegerliste eintragen. Dominik Baumann und Vorjahreschampion Maximilian Buhk unterstrichen im #84 HTP Motorsport AMG GT3 ihre Titelambitionen auf Platz zwei liegend. Die unterste Stufe des Podiums wurde von den Rowe-Piloten Philipp Eng und Alexander Sims besetzt, die dem bayerischen Hersteller ein unerwartet schönes Wochenende bescherten. Der Silver Cup wurde von Phoenix Racing und dem Juniorenduo in der #5 (Nicolaj Møller Madsen/ Markus Pommer) gewonnen. Bestes Pro-Am-Team war wieder der #11 Kessel Racing Ferrari 458 Italia GT3 (M.Broniszewski/ G.Piccini). Im Amateur-Cup wurde dem anderen AF Corse Ferrari 458 Italia GT3 (Claudio Sdanewitsch/Stephane Lemeret) mit der Nummer 55 die Klassensiegerehre zuteil.

BGTS Report 8So fand ein sehr ereignisreiches erstes Rennwochenende seinen Abschluss. Das größere Feld hatte nicht den prognostizierten riesigen Einfluss, aber brachte doch einige neue Variablen ins Spiel. Durch die hohe Qualität blieb die Anzahl an Zwischenfällen in einem normalen Rahmen. Nach den Boxenstoppfenstern konnte man die typischen größeren Abstände der vergangenen Jahre verzeichnen, was die Taktik weiterhin sehr wichtig erscheinen lässt. Der bedeutendste Vorteil diese Saison ist, dass Spannung und Kontaktsport immer gegeben ist und dies zudem auf einem sehr hohen Niveau veranstaltet wird. Ob dieser Trend auf den anderen, „normaleren“ Strecken anhält, wird eine wichtige Frage der Zukunft sein.  Vom 23. bis 24. April gastiert der Blancpain GT Series Endurance Cup im ebenfalls italienischen Monza, wo über 55 GT3-Renner sich eine dreistündige Highspeedschlacht liefern werden. Der Sprint Cup kann wieder vom 07. bis 08. Mai auf dem GP-Kurs in Brands Hatch verfolgt werden.

Im aktuellen SGT-Nachbericht gibt es Nachrichten zu neuen Auswüchsen der Kooperation zwischen der SRO und der GTA. Außerdem ist die Analyse für die beiden GT-Klassen wie immer zu empfehlen.PWC 2015: Pirelli World Challenge Pirelli World Challenge Apr 17
Gerne verweisen wir auf die sehr lesenswerten Vorberichte für die WEC und ELMS im Laufe der Woche. Kommendes Wochenende steht ein Klassiker in den traditionsreichen Straßen von Long Beach an. Die Fans der GTD können sich auf die USCC-Vorschau im Blog freuen. Die Pirelli World Challenge hat ebenfalls eine Einladung zum Toyota-Grand-Prix erhalten. 18 GT-Boliden und sechs weitere GTA-Fahrzeuge werden aktuell in der Nennliste aufgeführt. Bis auf einige Neuzugänge/Rückkehrer im GTA-Bereich hat sich nichts Großartiges verändert und falls jemand erst jetzt zu einem Saisonhighlight in die PWC reinschauen möchte, findet man in der Saisonvorschau das nötige Vorwissen. Durch den vollgepackten Zeitplan ist nur ein Rennen am Sonntagabend ab 19:00 Uhr deutscher Zeit möglich (vgl. TV Zeiten), welches hoffentlich umso mehr Spannung versprechen wird.
Zu guter Letzt ist auch das ADAC GT Masters nicht in Vergessenheit geraten. In den nächsten Tagen gibt es eine umfangreiche Saisonvorschau mit allen Nachrichten zum Jubiläumsjahr. Beide Läufe starten gegen 13:15 Uhr in der Motorsport Arena Oschersleben. Man reist unter anderem zusammen mit der neu gegründeten ADAC-TCR-Tourenwagenmeisterschaft und der ADAC Formel 4 an, welche sich durch einige öffentlichkeitswirksame Fahrer (z.B. Mick Schumacher und Sophia Flörsch) auszeichnen wird. Wir wünschen viel Spaß mit dem mannigfaltigen Rennsportangebot in den kommenden Tagen.

Bilderquelle / Copyright: Blancpain GT Series; Pirelli World Challenge

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