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NASCAR: Analyse Martinsville November 2015 – Dunkle Stunden

von Steffen Nobis
4 Kommentare

Für die NASCAR lief am Sonntag mal wieder alles nach Plan: Viele hitzige Duelle und eine Payback-Aktion, über die die ganze Welt nun spricht, sorgen für die gewünschte mediale Aufmerksamkeit. Während sich einige Fahrer nur mit ihren Gegnern beschäftigten, hielt sich Jeff Gordon aus allen Sperenzien heraus und sicherte sich den lang ersehnten Sieg.

NASCAR Sprint Cup Series Goody's Headache Relief Shot 500Es gibt viel aufzuarbeiten, nach einem teilweise schon chaotischen Wochenende im Süden von Virginia. Dabei wollen wir uns zunächst dem strahlenden und unfassbar glücklichen Sieger Jeff Gordon widmen. Schon vor dem Rennen war klar, dass er als einer der Favoriten auf die 500 Runden um den Short Track gehen würde. Nachdem er kurzzeitig die Führung innehatte, hielt er sich immerhin für den Großteil des Rennens in den Top Five auf. Unterdessen gab das Penske-Duo Joey Logano und Brad Keselowski an der Spitze den Ton an, so auch kurz vor Schluss. Doch nach unverhofften Drehungen und Wendungen schaffte es Jeff Gordon zurück auf den Platz an der inzwischen untergehenden Sonne und hielt im Schlussspurt einen herzerwärmend auffahrenden Jamie McMurray hinter sich. Für Gordon ist es der bereits neunte Erfolg in Martinsville und zugleich der extrem wichtige erste Saisonsieg. Damit steht der Kalifornier in seiner letzten Saison im Finale um den Meisterschaftstitel in Homestead.

Während Jeff Gordon damit eine schwierige Saison effektiv in eine große Chance umgemünzt hat, stehen die Chancen für das Penske-Duo nach einem turbulenten Martinsville-Rennen wesentlich schlechter. Brad Keselowski bewies abermals seine einzigartige Klasse auf Short Tracks und konnte sich teilweise fast zehn Sekunden vom restlichen Feld lösen. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Joey Logano ging es ab der Mitte des Rennens im fröhlichen Einklang durch den Verkehr. Dabei verstand man es auch, beide Fahrzeuge bei den zahlreichen Restarts an der Spitze zu halten. Nachdem dies einige Male blendend funktionierte, kam, was kommen musste.

Beim Restart in Runde 435 kam Leader Joey Logano auf der Außenbahn schlecht vom Fleck und Brad Keselowski musste auf der Innenseite lupfen, damit sein Teamkollege wie geplant vor der ersten Kurve einscheren konnte.  Durch dieses Lupfen konnte Matt Kenseth die nun freie Außenbahn nutzen und sich fast an der #2 vorbei auf Position zwei setzen, fast. Aus der Kurve kommend geriet Keselowski unglücklich an das Heck der #20, was die #2 ins Schlingern versetzte. Ein Gegenpendler resultierte schlussendlich im astreinen Abräumen des JGR-Toyotas. Auch Kurt Busch wurde dabei mitgerissen, denn als er blitzartig ausweichen musste, stieß er frontal mit Kenseth zusammen. Damit wurden mit Keselowski und Busch gleich zwei Chase-Fahrer durch eine unglückliche Situation arg in Mitleidenschaft gezogen und auch Kenseths Fahrzeug hatte schon bessere Zeiten erlebt.

MS_110115_08Zu diesem Zeitpunkt ließ sich jedoch noch nicht erahnen, was wenig später passieren sollte. Matt Kenseth konnte mit sechs Runden Rückstand wieder in das Geschehen eingreifen. Joey Logano führte unterdessen unangefochten das Rennen an und war ziemlich sicher auf den Weg zum vierten Sieg in Folge, was gleichbedeutend mit den Einzug ins Finale gewesen wäre. Doch da war doch was: Vor zwei Wochen raubte Logano der #20 in Kansas alle Meisterschaftsträume, nachdem sich beide Fahrer rundenlang knallhart duelliert hatten. Dies sollte das ungleiche Duo nun wieder einholen: 47 Runden vor Schluss kam es schließlich zur Situation, über die inzwischen die ganze NASCAR-Welt diskutiert.

Joey Logano zog außen auf der Frontstrech an einem stark in Mitleidenschaft gezogenen Toyota von Matt Kenseth vorbei. Noch auf der Geraden drängte Kenseth die #22 Richtung Mauer. Bei der Anfahrt zur Kurve wurde dann recht schnell klar, was passieren würde. Kenseth fuhr eine unnormal weite Linie und hatte die Bedienung des Bremspedals kurzzeitig vergessen. In einem klassischen Payback-Manöver verabschiedete er sich gemeinsam mit seinem Feindbild Joey Logano hart in die SAFER-Barrier des Martinsville Speedway. Ehrlich gesagt hätte ich dies Matt Kenseth in dieser Konsequenz und Offensichtlichkeit nicht zugetraut, doch der Frust saß anscheinend tief.

Wir erinnern uns an das Kansas-Rennen vor zwei Wochen. Matt Kenseth musste nach einem selbstverschuldeten Unfall in Charlotte gewinnen, um seine Chase-Hoffnungen zu wahren. Heraus kamen harte Blockmanöver von Kenseth gegen Joey Logano, um seine Spitzenposition zu behalten. Logano hingegen ließ sich dies nicht auf Dauer gefallen und schickte die #20 nach einem weiteren extrem harten Manöver in einen Dreher. Damals hatten sich zwei beinharte Fahrer gesucht und gefunden und das Resultat war absehbar. Trotzdem war diese Sturheit besonders aus der Sicht von Logano nicht zielführend. Sein damaliges Handeln war zwar aus meiner Sicht aufgrund der Vorkommnisse auf der Strecke nachvollziehbar, doch mit Blick auf die Meisterschaft nicht.

Joey Logano hatte damals das Ticket für die nächste Runde schon gelöst. Er war damit nicht mehr darauf angewiesen, gute Ergebnisse einzufahren (als Racer will er natürlich trotzdem das bestmögliche Ergebnis herausholen). Mit dem Abschuss von Matt Kenseth hatte er einen der vielversprechendsten Meisterschaftskandidaten endgültig aus dem Chase befördert. Was das in Kenseth auslöste, kann man sich dabei gut vorstellen. Er sah eine ganze Saison sich in Rauch auflösen und damit auch die große Chance auf einen weiteren Titel im Sprint Cup. Alles mit einem Schlag pfutsch und nichtig. Die ganze Arbeit einer Saison, die ganzen Erfolge, alles passé.

Dass dieser Frust bei Matt Kenseth auch Joey Logano wieder einholen würde, war an dieser Stelle schon im Ansatz absehbar. Und so wartete Kenseth nur auf die perfekte Gelegenheit, um das gleiche Übel der #22 zuzufügen, und diese bot sich am Sonntagabend. Darüber zu urteilen, wer nun im Recht ist oder nicht, steht mir fern. Meiner Ansicht nach waren die Ereignisse in Kansas ein Rennunfall als Folge eines beinhart geführten Kampfs um den Sieg. Dabei wurde einem Fahrer die Möglichkeit auf die Meisterschaft genommen und diese Chance möchte dieser Pilot nun durch die Payback-Aktion seinen Kontrahenten ebenfalls verwehren. Trotzdem hat Joey Logano noch gute Karten, denn es gibt noch zwei Rennen, bevor es zum Finale nach Homestead geht. Eine Entscheidung über das Strafmaß für Kenseth wird vermutlich im Laufe des heutigen Tages fallen.

NASCAR Sprint Cup Series Goody's Headache Relief Shot 500Doch dies war längst nicht das einzige Payback-Scharmützel. Auch Danica Patrick hatte sich in David Gilliland ein Feindbild erschaffen, nachdem dieser die #10 einmal ordentlich in die Mauer schob. Nach einigen weiteren Reibereien versuchte Patrick schließlich, das Rennen der #38 zu beenden. Doch so ganz hat sie den Dreh dabei noch nicht raus, denn obwohl beide Fahrzeuge letztendlich in die Mauer gerieten, stand am Ende nur ein Fahrzeug quer auf der Strecke: das von Danica Patrick. Und um dem unglücklichen Payback-Versuch noch die Kirsche aufzusetzen, ging der Ringkampf eine Runde später weiter. Gilliland bremste vor der #10 heftig ab und Danica fuhr ihm wohlwollend hinten drauf. Das Ergebnis war die Erkenntnis, dass das Heck eines NASCAR-Boliden wesentlich stabiler ist, als die Front, oder anders gesagt: Gilliland intakt, Patrick starker Frontschaden.

Abseits der unzähligen Reibereien und Gelbphasen gab es allerdings auch durchaus ansehnliche Kämpfe und hervorragende Resultate. So folgte Jamie McMurray in der Schlussphase Jeff Gordon auf dem Weg Richtung Spitze. Als sich schon langsam die dunklen Stunden ankündigten und die Fahrzeuge immer schwieriger zu erkennen waren, holte McMurray nochmals alles aus seinem Chevrolet heraus, um Gordon unter Druck zu setzen. Doch letztlich fehlte ein kleines Quäntchen zum Sieg. Trotzdem bleibt mit einem zweiten Platz ein hervorragendes Resultat für die Geschichtsbücher. Während sich hinter ihm mit Denny Hamlin und Dale Earnhardt Jr. zwei weitere Nicht-Chaser platzierten, münzte Kyle Busch einen schwierigen Tag in ein Finish auf Position fünf um.

Martin Truex Jr. und Kevin Harvick holten sich mit Platz sechs bzw. acht wichtige Punkte im Kampf um das Weiterkommen. Selbst Carl Edwards staubte mit einem Zieleinlauf auf Position 14 noch einige Zähler ab, nachdem ihm im Rennen gar nichts gelingen wollte. Letztlich profitierte er von den Problemen der restlichen Chase-Fahrer. Durch die Ausfälle von Brad Keselowski, Joey Logano und Kurt Busch gerieten bereits beim ersten Lauf zur neuen Chase-Runde vielversprechende Kandidaten für die Meisterschaftstrophäe ins Hintertreffen. Alle drei Piloten müssen nun mindestens 24 Punkte in den kommenden zwei Saisonläufen aufholen oder gewinnen, sonst ist der Traum vom Titel vorbei.

Das kommende Wochenende in Texas wirft damit schon einige Fragen auf: Kann Joey Logano seine starke Form beibehalten und sich mit einen Sieg ins Finale fahren? Wie hart werden Danica Patrick und Matt Kenseth bestraft? Alles Fragen, die diese Woche noch geklärt werden. Bis dahin muss ich euch allerdings mit dem Ergebnis aus Martinsville und den aktuellen Ständen der Fahrer- und Ownerwertung vertrösten.

 

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4 Kommentare

Crusher75 3 November, 2015 - 10:17

Das war ja wohl ganz großer Sport in Martinsville gewesen. Beide dominierenden Fahrer aus dem Rennen gecrasht. Kenseth tat das auch noch mit Rundenrückstand und voller Absicht. Im Kampf um die Führung einen anderen Fahrer mit Absicht in die Mauer zu schicken ist schon unterste Schublade, auch wenn es in der NASCAR durchaus eine große Tradition hat. Der Intimidator war ja der Großmeister in diesem „Sport“. Solche Racheaktionen aber Rennen später, ich erinnere mich da auch mal an Edwards in Atlanta, zeigt nur der absolute Abschaum im Feld. Solche Verbrecher haben nichts im Sport zu suchen und gehören gesperrt – lebenslang wenn nötig. Ich hoffe nur, dass Logano trotzdem Meister wird und dann mit dem Pokal vor der #20 feiern kann.

Eigentlich ist es auch egal. Seit Week 1 der NFL habe ich keine Rennminute Sprint Cup mehr gesehen und den Chase nur in schriftlicher Form verfolgt. Vielleicht bringt die Winterpause wieder mehr Interesse durch den Entzug. Aktuell würde ich maximal für das Daytona 500 und das Brickyard 400 einschalten.

Steffen Nobis 3 November, 2015 - 11:30

Wenn du diese Messlatte ansetzt, dann müssen allerdings auch Joey Logano, Kevin Harvick, Danica Patrick und David Gilliand gesperrt werden, denn alle vier hatten ebenfalls ihre Kontrahenten abgeschossen, die Art und Weise jetzt mal ganz außen vor gelassen. Aus meiner Sicht hat die NASCAR ein Stück weit die Kontrolle über den Chase verloren und hätte bereits in Kansas reagieren müssen. Spätestens letzte Woche in Talladega wäre ein Handeln nötig gewesen, aber es ist nichts passiert. Das Ergebnis gibt’s nun zu bestaunen. Ich glaube auch nicht daran, dass man nun drastische Strafen aushändigt, ganz einfach weil genau solche Aktionen die gewünschte mediale Aufmerksamkeit erzeugen.

floehde 3 November, 2015 - 15:38

@ Crusher75:

Wörter wie „Abschaum“ und „Verbrecher“ gehören ganz sicher nicht zum Vokabular auf diesen Seiten. Sicher darf man geteilter Meinung zu den Aktionen auf und neben der Strecke sein, aber das geht dann doch zu weit.
Ich für meinen Teil bin sehr froh, dass man hier gesittet diskutieren kann. Und so soll es bitte auch bleiben.

Crusher75 4 November, 2015 - 10:16

@ floehde:
Sorry – ich war gestern Morgen ein klein wenig aufgebracht und die gewählten Worte waren noch mit die zivilisiertesten die mir einfielen.

@ Steffen Nobis:
Die Strafe für Kenseth ist dann doch ein ganz wenig härter als erwartet. Die zwei Rennen Sperre ist natürlich lächerlich, da es für ihn sowieso nur noch um die silberne Radmutter ging. Aber immerhin sechs Monate auf Bewährung. Eigentlich ging ich von ein paar tausend Dollar und Bewährung für den Rest der Saison aus. Das Hauptproblem gehen sie natürlich nicht an: Das aktuelle Chasesystem. Die Aktion von Logano gegen Kenseth in Kansas war fast zwangsläufig, weil man ein DNF erst nur schwer und später hallt gar nicht mehr korrigieren kann. Ja der Chase ist ein Playoff-Format, aber bei anderen ist es nicht so streng. Im letzten Viertel des Superbowl kannst du dir drei Interception-Touchdowns erlauben, wenn du vorher brillanten Football gespielt hast. Du gewinnst dann nur 42:25. Im Sprint Cup kannst du 35 Rennen gewinnen und in Homestead das ganze Feld mehrfach überrunden. Wenn einem Konkurrenten 10 Runden vor Ende ein Reifen platzt und er dich unglücklich mit in die Wand nimmt(oder jemand dich absichtlich in die Wand fährt), bleibt dir Platz 4 in der Meisterschaft. Na Glückwunsch. Vorleistungen spielen vor dem letzten Restart in Homestead keine Rolle mehr. Ich kann damit nichts anfangen. Vielleicht habe ich aber insgesamt eine falsche Vorstellung von Sport im Allgemeinen was Leistung und Glücksspiel angeht. Dann ist nur mein Problem.

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