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24H Le Mans: Warum Porsche gewonnen hat – ein Blick in die Daten

von DonDahlmann
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Le Mans 2015

Wir versuchen ein paar Antworten auf folgende Fragen zu geben: Wie hat Porsche gewonnen? Warum war Toyota so langsam? Und wie schnell hätten die Nissan eigentlich mit Hybrid-System sein können.

Le Mans 2015Porsche hat Le Mans nicht einfach so gewonnen. Natürlich gehört Immer ein Portion Glück in Le Mans dazu, aber das war es nicht, was ausschlaggebend war. Die Porsche Leute hatten sich die letzten Rennen aus Le Mans offenbar sehr genau angeschaut und ihre Schlüsse gezogen. In Sachen Strategie und in Sachen Vorbereitung, wie schnell das Auto würde gehen müssen. In unserer Vorschau hatten wir ja schon ausgerechnet, dass Audi, um gewinnen zu wollen, rund 1.5 Sekunden pro Stint hätte schneller sein müssen. Doch am Renntag sah das anders aus.

Porsche
Das die #19 gewinnen konnte, hatte 3 Gründe:
1. Problemlose Fahrt, keine Defekte
2. Kürzere Boxenstopps
3. Nick Tandy

Zum ersten Punkt: Es ist ein Binsenweisheit, dass man in Le Mans dann gewinnt, wenn man keine Probleme mit dem Fahrzeug oder dem Verkehr hat. Die Fahrt der #19 war makellos. Bis auf die Schrecksekunde am Sonntagmorgen, als der Wagen kurz in die Box geschoben wurde, weil man kurz etwas am Motor einstellen wollte (wenn ich das richtig im Kopf habe). Ansonsten lief die #19 wie ein Uhrwerk, die Fahrer machten keine Fehler, während die Konkurrenz immer wieder ausgebremst wurde. Die #18 hatte Bremsprobleme, die #17 eine Durchfahrtsstrafe und Probleme mit den Reifen. Auch alle Audi hatten kleinere Sorgen. Schon vorher war klar: wenn ein Wagen eine oder zwei Minuten verliert, sinken die Chancen auf den Sieg rapide.

24H_LeMans_Race_2015_2642. Die Boxenstopps haben überrascht. Allgemein war man davon ausgegangen, dass Porsche 14 Runden würde fahren können. Doch das war nicht so einfach, denn dann hätte man den Tank gefährlich leer fahren müssen. Eine minimale Fehlkalkulation hätte bedeuten können, dass man in den Porsche-Kurven Probleme mit der Benzinaufnahme bekommen würde. Also entschloss sich Porsche auf 13 Runden zu setzen, was aber auch bedeutete, dass man immer eine Reserve im Tank hatte. Man musste also kürzer tanken, weil weniger Sprit in den Tank fließ. Vier Sekunden betrug der so gewonnen Vorteil. Bei den 30 Stopps, die die #19 und die Audi hatten, summierte sich das auf einen Vorteil von knapp 2 Minuten. Zwar konnte Porsche am Samstag nur Dreifach-Stints fahren, in der Nacht gingen aber Vierfach-Stint. Damit war ein wichtiger Vorteil der Audi hinüber, die über die Vierfach-Stints die 2 Minuten Nachteil wieder hätten einholen können.

3. Am Sonntagmorgen saß ich mit Flo vor den Bildschirmen mit den Sektorenzeiten und uns fielen die Augen aus dem Kopf. Nicht vor Müdigkeit, sondern weil wir die Sektorenzeiten der #19 beobachteten, wo Nick Tandy am Steuer saß. Im zweiten Sektor, also von Tetre Rouge bis zur Mulsanne Kurve, distanzierte Nick Tandy die Audi um teilweise bis zu 2.5 Sekunden. Auch der lange dritte Sektor von Mulsanne bis zum Ziel, war fast immer in der Hand der Porsche. Entgegen der meisten Annahmen, verloren die Porsche in den gleichnamigen Kurven keine Zeit. Die beste Audi Zeit lag dort bei 15.4 Sekunden, die schlechteste Zeit eines Porsche lag bei 15.8 Sekunden. Weil aber Porsche auf der Mulsanne Geraden und dem Stück zwischen Anarge und den Porsche Kurven einen Boost-Vorteil hatten, langen die 919 dann auch in diesem Sektor vorne. Sie verloren nur im ersten. sehr kurzen Sektor in paar Zehntel.

Le Mans 2015Nick Tandy fuhr einen brillanten Vierfach-Stint in den ersten Nachstunden. Um Mitternacht lag der Vorsprung der #19 vor der #7 bei 4 Sekunden. Um 4 Uhr waren es 64 Sekunden. Es waren die entscheidenden 4 Stunden des Rennens. Bis Mitternacht konnte sich der Porsche nicht absetzen, danach entschwand er am Horizont. Zwar gelang es der #7 den Rückstand zwischenzeitlich um ein paar Sekunden zu verringern, aber dann kamen die Probleme mit der Haube an der #7, die den Wagen hoffnungslos zurückwarfen.

Aber wie konnte Porsche so schnell sein und mittlere Stintzeiten von 3.21min fahren? Das Wetter half ihnen. Es war in der Nacht relativ kühl, so dass man sich entschloss, den Ladedruck geringfügig anzuheben, weil die thermische Belastung der Turbolader niedriger war. Diese Mehrleistung brachte auch die guten Sektorenzeiten in Sektor 2. Dazu konnte man, wie erwähnt, bei niedrigeren Asphalttemperaturen dann Vierfach-Stints fahren.

Den Grundstein für den Sieg der #19 hat also Nick Tandy in der Nacht zum Sonntag gelegt. Das soll nicht bedeuten, dass Bamberg und Hülkenberg langsamer gewesen wären. Hier ein Überblick über die schnellsten Runden der drei Fahrer:

Earl Bamber – 3:18.596
Nick Tandy – 3:18.674
Nico Hülkenberg – 3:18.841

Diese Konstanz der Fahrer plus dem Umstand, dass man eben keine technischen Probleme hatte, brachte Porsche am Ende den Sieg. Entgegen aller Erwartungen (auch der von Porsche) verlor der Akku über die Zeit nicht an Leistung, wie man den sehr guten Rundenzeiten von Hülkenberg im letzten Stint des Rennens sehen konnte.

Audi

Audi fuhr im Rennen die schnellsten Runden. Aber sie fuhren sie eben nicht in der Nacht, sondern entweder in den Abendstunden des Samstags oder am Sonntag nach Sonnenaufgang. Und genau wie bei Porsche gibt es drei Gründe, warum sie das Rennen verloren haben

1. Technische Probleme
2. Zu wenig Boost
3. Probleme mit den Reifen

24H_LeMans_Race_2015_216Alle drei Audi hatten mit kleineren und größeren Problemen zu kämpfen. Als erstes traf es die #8 mit dem Abflug vor Indianapolis, als es eine „Phantom Slow Zone“ gab. Die Streckenposten, die die Lichtanlage überstimmen können, zeigten Grün, die Lichtanlage aber „Gelb“. Erstaunlich war, dass die #8 nach dem schweren Einschlag überhaupt nur 3 Minuten Reparaturzeit benötigte, aber im Verlauf des Rennens kamen weitere, kleine Probleme hinzu. Bei der #9 verabschiedete sich am Morgen das Hybridsystem, die #7 hatte die Probleme mit der Heckabdeckung, einen schleichenden Plattfuss und eine Durchfahrtsstrafe. Zu viele Probleme, um ein Rennen gegen einen sehr schnellen Konkurrenten zu gewinnen.

Wie oben schon bei den Porsche erwähnt, holten die sehr viel Zeit auf der Geraden. Die 8 MJ des Porsche waren der eigentliche Vorteil gegenüber den 4MJ der Audi. In Sachen Topspeed lagen die Porsche zwar etwas zurück, aber es geht ja nicht nur darum, wie schnell man am Ende der Geraden ist, sondern wie schnell man die maximal Geschwindigkeit erreicht. Und da waren die Porsche deutlich besser.

Immerhin gelang es Audi das Rennen bis Mitternacht komplett offen zu halten. Die Tendenz war, dass der Audi die Stints, trotz des Nachteils mit dem längeren Tankstopp, etwas schneller fahren konnten. Durch die Probleme der #17, die sich schon mal einen Tick abgesetzt hatte, kamen die Audi wieder ins Spiel. Und dann kam ja noch die Nacht.

Le Mans 2015Es ist ja schon fast eine Tradition, dass Audi in der Nacht zulegt und meist dann die Grundlage für einen Sieg legt. Daher war die Erwartung, dass die Ingolstädter nach Mitternacht zuschlagen würden. Wir hatten in der Vorschau spekuliert, dass die Audi in der Nacht um die 3.21min im Schnitt fahren müssten, um die Vorteile der Porsche wettzumachen. Das stimmte auch. Nur waren es die Porsche, die diese 3.21min regelmäßig hinknallten, während die Audi bei 3.23min stecken blieben. Runde um Runde nahm Nick Tandy der #7 und der #9 rund 1.5 Sekunden ab. Obwohl die R18 vorher schon Zeiten von unter 3.20min gezeigt hatten, ging in der Nacht nichts zusammen. Was war passiert?

So ganz klar ist Audi auch nicht, wie man nach dem Rennen sagte. André Lotterer meinte bei Radio Le Mans nur, dass man es auch nicht genau wisse, man habe ein paar Einstellungen vorgenommen, danach sei es besser gewesen. Da Porsche aber weiter 3.21min Schnitte fuhr, halfen die ähnlichen Zeiten der Audi dann auch nichts mehr.
Ein Grund, warum es nicht so recht lief, war die Entscheidung, nicht die „Soft“ Variante der Michelin einzusetzen. Zwar hätte man mit den „Soft“ rund 3 Sekunden pro Runde gewonnen, aber man war sich nicht sicher, wie lange die „Soft“ halten würde. Zwei Stints? Drei Stints? Da es bei allen Tests in Le Mans, inkl. dieser Woche, immer kühl war, fehlten die Erfahrungswerte mit den Reifen. Die Gefahr bestand, dass man die Zeit, die man der Strecke mit den „Soft“ gewinnen würde, an der Box durch häufigere Reifenwechsel wieder verlieren könnte. Aber die harten Reifen benötigen viel Zeit, bis sie auf Temperatur waren und die „Slow Zones“ bedeuteten jedes Mal, dass die Temperatur in den Keller fiel.

Le Mans 2015Hätte Audi mit der #7 gewinnen können, wenn der Wagen nicht die angesprochenen Probleme gehabt hätte? Eher nein. Sie hätten zwar über den Tag dann wieder die gleichen Rundenzeiten wie Porsche fahren können, aber Schaden entstand in der Nacht. Der Abstand wäre allerdings im Bereich von 60 bis 90 Sekunden sehr eng gewesen. Da es am Morgen durch den Unfall von Roald Goethe eine SC-Phase gab, hätte es im Bereich des Möglichen gelegen, dass der Vorsprung der #19 damit weg gewesen wäre. Das Rennen wäre gegen 7 Uhr in der Früh praktisch neu gestartet. Doch dann wäre der Vorteil der Porsche an der Box wieder zum tragen gekommen.

Audi hat das Rennen über die Distanz verloren hat. Porsche hat sie in der Nacht geschlagen, weil sie einfach schneller waren.

Toyota
Le Mans 2015Ein Blick in die Tabelle mit den schnellsten Rundenzeiten offenbart erstaunliches. Die beste Zeit der #1 lag bei 3:20.896min. Damit war man zwar immer noch drei Sekunden langsamer als der Rest da vorne, aber es war ein Lebenszeichen, das die Toyota morgens um 3 Uhr ablieferten. Leider war das nur eine Eintagsfliege, die anderen Runden lagen zwischen 3.25 und 3.27min. Toyota verlor pro Runde über drei Sekunden und am Ende waren es sage und schriebe 8 Runden, also rund 24 Minuten, die dem besten Toyota auf die Spitze fehlten. Und das, nach dem man im letzten Jahr noch 1.5 Sekunden schneller aus Audi und Porsche war.

Es war ein grauenhaftes Wochenende für Toyota in Le Mans. Die „Low Downforce“ Variante entpuppte sich als die Fehlentwicklung, die man in Spa schon andeutungsweise gesehen hat. Man kam nicht mal an die Zeiten aus dem letzten Jahr ran, was schon erstaunlich war.

Ändern ließ sich das nicht mehr. Ärgerlich war es vor allem für die Mannschaft der #2. Der Toyota lief wie ein Uhrwerk, ohne jedes Problem. Die Stints passten, der Reifenverschleiss auch. Wurz und Co hatten endlich mal ein Auto, dass super lief – aber halt zu langsam war.

Man kann sonst zu den Toyota nichts sagen. Klar ist, dass sie für nächstes Jahr umbauen werden. Der V8-Sauger wird wohl gegen einen V6-Turbo eingetauscht, der Superkondensator gegen einen Akku. Es wurde berichtet, dass Toyota ein neues Chassis bringen will (TS050), das müsste dann aber schon nach den 2017er Regeln gebaut werden und die sind noch nicht mal verabschiedet. Das Toyota zwei Chassis in zwei Jahren bauen will, ist eher unwahrscheinlich. Es sei denn, die Blamage aus diesem Jahr hat die Entscheider von Toyota so sehr geärgert, dass sie nun den großen Geldtresor aufgemacht haben.

Nissan
24H_LeMans_Race_2015_228Die schnellste Runde eines Nissan lag bei 3:35.888 min. Damit war man nur knapp schneller als der schnellste LMP2 (3:36.679 min, Jota). Dies gesagt, muss man ein paar Dinge aber in Betracht ziehen. Nissan hatte für die Hybrid-Klasse gemeldet (2MJ), das System aber nicht eingesetzt. Das Gewicht der Nissan lag mindestens bei 870 kg (vermutlich aber ein gutes Stück darüber). Weil Nissan kurzfristig von 16 Zoll auf 18 Zoll Reifen umgestellt hatte, konnte Michelin dem Team keine eigenen Reifen zur Verfügung stellen. Man nutzte angeblich die Mischungen von Audi. Dazu kam auch noch, dass die Fahrer angewiesen waren, die Curbs unter allen Umständen zu meiden. Hintergrund hier waren wohl Probleme mit der vorderen Aufhängung, die bei der #21 ja auch kollabierte.

Das sind alles Faktoren, die den GT-R langsamer machten. Hätten sie die Möglichkeit gehabt, diese Dinge auszuschalten, wären die Rundenzeiten knapp 12 bis 15 Sekunden schneller gewesen. Das rechnet sich wie folgt:

Passende Reifen: 3 Sekunden
Curbs: 3 bis 4 Sekunden
8MJ: 6 bis 8 Sekunden

Le Mans 2015Im besten Fall hätte sie das auf eine ideale Rundenzeit von 3.21min gebracht, die Rennpace hätte dann bei ca. 3.25min liegen können, also im Bereich der Toyota. Der „Godzilla“ ist also theoretisch gar nicht so weit weg in Le Mans, und vermutlich war das auch die Rechnung, die Nissan gemacht hatte. Aber Nissan hatte ein derartig halbfertiges Auto in Le Mans – Audi hätte so was noch nicht mal auf einen Test geschickt. Es klemmte hinten und vorne. Besonders auffallend: die Bremsen. Selbst bei Tag konnte man sehen, dass die Bremsen bei jedem Vorgang Weißglühend waren, also sehr heiß wurden. Ich habe mich vor Ort schon gefragt, wie sie das durchhalten, kurz danach wechselte man beim ersten Nissan vorne die gesamte Bremsanlage, was man immerhin vorbereitet hatte. Das Auto ist weiter ein Baustelle und die Probleme werden auf den anderen Strecken nicht besser werden.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich nur den Sektor der Porsche-Kurven anschaut. Gemessen wird da Eingang und Ausgang bis kurz vor der Ford-Schikane. Das schnellste Auto war der Audi mit 15.4 Sekunden. Der Nissan schaffte 17.8 Sekunden, verlor also 2.4 Sekunden nur in diesem Abschnitt. Selbst in der Ford-Schikane verlor man eine Sekunde. Man kann sich ausrechnen, was das für Strecken wie den Nürburgring oder Sao Paulo bedeutet.

Nissan hat den Wagen einzig und allein für Le Mans konstruiert und da könnt er 2016 auch deutlich besser funktionieren. Auf allen anderen Strecken sind sie weiterhin jenseits der LMP2.

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