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FIA WEC: Vorschau Spa

von Flo aus N
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Fast schon traditionell ist der Lauf in Spa die Generalprobe für das Saisonhighlight der LMP- und GTE-Szene. Zum einen dient das Rennen in den Ardennen als Gradmesser für die Teams, um eruieren zu können, wo man im Vergleich zu den Konkurrenten steht, zum anderen ist es aber auch die letzte Chance, neue Teile im Renntrimm zu testen.

2015-6-Heures-de-Spa-Francorchamps-WEC-Adrenal-Media-DEP-6136-2_hdDie Gründe sind vielfältig, liegen aber zum großen Teil auch an der Strecke selbst. Mit den zwei langen Vollgaspassagen von La Source bis Les Combes und von Stavelot zur Bus Stopp hinunter bietet Spa neben den Geraden von Le Mans die längsten Vollgaspassagen. Dazu hat man auch zwei, drei schnelle und mittelschnelle Kurven(-kombinationen), welche sich gut mit Tetre Rouge und teilweise den Porsche-Kurven vergleichen lassen. Daher ist es von Vorteil, wenn man grundsätzlich über eine gute Endgeschwindigkeit verfügt. In den letzten Jahren sind daher die Teams, gerade in der LMP1, oft mit den Fahrzeugvarianten angetreten, welche man dann auch in Le Mans eingesetzt hat. Dieses Jahr ist es ähnlich, wobei dies heuer nur ein Hersteller so abfährt.
Die Rede ist von Audi. Vor kurzem hat man in Paul Ricard und Monza die Le Mans-Variante des R18 etron quattro getestet. Diese wurde von Don gestern schon mal kurz im Blog vorgestellt und verfolgt zwei wesentliche Punkte: Erhöhung des Topspeeds sowie eine Erhöhung der aerodynamischen Effizienz. Allerdings wird diese Variante in zwei Punkten Nachteile besitzen: Zum einen im zweiten Sektor, wo man eigentlich viel Abtrieb haben möchte, zum anderen beim Thema Reifenverschleiß. Hier ist die Rechnung einfach: Mehr Abtrieb ist in der Regel auch für den Reifenverschleiß vorteilhaft. Wie sich das ganze dann hier darstellen wird, muss man sehen, denn in Silverstone waren die sehr guten Doppelstints von Audi die Grundlage für den Sieg, als Lotterer im zweiten Stint seine schnellsten Rundenzeiten fuhr. In Spa würde das permanente Doppelstinten der Reifen im Vergleich zum Einfachstint rund 100 Sekunden bringen, was bei einer Rennlänge von bis zu 175 Runden in etwa einen maximalen Dropp off von 1,15 Sekunden pro Runde im zweiten Stint bedeutet. Diesen Zeitverlust darf man beim Doppelstinten im zweiten Stint nicht überschreiten, ansonsten geht die Rechnung nicht auf. Überhaupt spielt die Taktik hier eine große Rolle. In Silverstone konnte Porsche 30 Runden fahren, während die anderen 28 Runden schafften.

2015-6-Heures-de-Silverstone-6-hours-GT7D5712_hdIn der Theorie würden die Stintlängen wie folgt aussehen, dass sowohl Audi als auch Porsche und Toyota 24 Runden am Stück fahren könnten, wenn sie ihren Tank ziemlich leer fahren können. Da sie dies üblicherweise nicht ganz können, sind also Stints von circa 23 Runden zu erwarten. Das Strecken des Stints würde in etwa ~ 1 Sekunde pro Runde kosten. Bei einer Rennlänge von 174 Runden wäre es also hier in der Theorie nicht erstrebenswert, diesen Rundenzeitverlust in Kauf zu nehmen. Allerdings sind hier noch zwei Punkte interessant: Wo lässt man wie lange segeln und wo boostet man mit welchem Energieeinsatz. Gerade in Spa gibt es zwei Varianten, wo man relativ viel segeln lassen kann. Das wäre zum einen auf den langen Geraden, zum anderen aber auch im zweiten abfallenden Sektor. Im Umkehrschluss würde man dann auf den anderen Streckenabschnitten mehr Energie verbrauchen können. Von daher könnte es sich gerade für den Porsche ergeben, dass der kalkulierte Rundenzeitenverlust geringer wäre. Dies kommt eben auch durch einen wesentlichen Vorteil seines Hybridsystems zustande: Da man auf Batterien setzt, ist man in der Lage, wesentlich mehr Energie zu speichern und zu boosten als die Konkurrenten. Sprich: Es ist möglich, mehr Energie auf den langen Vollgaspassagen zum Boosten zu verwenden, da man die Energie vorher über mehrere Kurven ansammeln kann, während sich der Audi und der Toyota mit ihren KERS-basierten Systemen hier ungleich schwerer tun.

In Sachen Fahrzeuge sieht die ganze Sache dann wie folgt aus: Audi bringt den dritten Wagen mit Rene Rast, welcher sein LMP1-Debüt gibt, Filipe Albuquerque und Marcon Bonanomi an den Start, welcher aber nicht über die Le Mans-Aero verfügt, sondern über die Variante, welche man in Silverstone sehen konnte. Die beiden Schwesterautos mit der #7 und #8 fahren in gleicher Besatzung wie immer, aber mit der Le Mans-Variante. In der Theroie sollte diese Variante zumindest auf eine Runde schneller sein, wie man vor allem 2013 schön sehen konnte.

Toyota wird in Spa wie auch in Silverstone keine Le Mans-Variante an den Start schicken, obwohl man dies sowohl 2013 als auch 2014 recht erfolgreich getan hat, und auch kein drittes Auto einsetzen. Die Gründe für das dritte Auto sind bekannt, die für den Nichteinsatz aber nicht. Ich vermute, dass man dies tut, um alle technischen Details möglichst lange unter Verschluss zu halten und man im Vorfeld keine Diskussionen über „Speziallösungen“ seitens der Konkurrenten und Reglementhüter lostreten will.

Ähnliches gilt für Porsche, wobei diese eine solche Variante in Spa wohl eh kaum nötig haben werden, wie man in Silverstone eindrucksvoll sehen konnte. Dafür bringen sie ein drittes Auto, welches wie in Le Mans von Nico Hülkenberg, Nick Tandy und von – Achtung festhalten – Earl Bamber pilotiert wird. Gerade auf letzteren bin ich extrem gespannt, denn er hat sprichwörtlich in letzter Sekunde noch den Sprung geschafft, indem er bei seinem ersten LMP1-Test gleich mal Frederick Mackoviecki ausgestochen hat, welcher über reichlich GT500-Erfahrung aus der Super GT und mehr Testeinsätze im 919 verfügt. Die restlichen Besatzungen bleiben auch hier gleich.

Ansonsten tut sich in der LMP1 nicht viel, außer dass Rebellion nach wie vor damit kämpft, den AER-Motor ins Chassis zu bekommen. Die einzige kleine Änderung ist wohl, dass Kolles ein Update für seinen LMP2, äh LMP1 bringt, um das Chassis etwas schneller zu machen. Inwieweit das gelingt, wird man sehen müssen, denn bislang waren jegliche LMP2 schneller als sein P1.

2015-6-Heures-de-Spa-Francorchamps-WEC-Adrenal-Media-DEP-6169-2_vBei den LMP2 hat sich im Vergleich zum Rennen in Silverstone auch etwas getan. Die auffälligste Änderung betrifft hierbei Extreme Speed Motorsport aus den USA. Ursprünglich war ja geplant, die 24h von Daytona, die 12h von Sebring sowie die WEC inklusive Le Mans mit dem HPD 04b, also dem neuen Coupe zu bestreiten. Allerdings hat sich bereits in Daytona gezeigt, dass dieses Auto massive Schwächen hat. So verfügt das Auto über eine schlechte Balance, vorne zu wenig Abtrieb und generell über viel zu viel Untersteuern. Garniert wird das ganze mit einem sehr hohen Reifenverschleiß. Folglich hat man kurz vor Sebring einen Vergleichstest angesetzt und dort war der alte 03b immer noch deutlich schneller als das neue Coupe. Als Konseqenz hat man sich daher entschieden, zwei neue Ligier zu ordern und die Rennen bis Spa, also bis zur Fertigstellung der neuen Autos, mit dem alten HPD zu bestreiten. Dass man damit in Sachen Performance sicher keinen Rückschritt macht, konnte man in Silverstone sehen, als die beiden Ligier von G-Drive dem Rest auf und davon gefahren sind. Auf dem Papier könnte da nur noch der Oreca 05, also das Coupe von Oreca und KCMG, mithalten, welches aber noch unter diversen Kinderkrankheiten leidet. Apropos KCMG: Da Nick Tandy in Spa und Le Mans den dritten Porsche fährt, ist für diese beiden Rennen dort ein Platz freigeworden. Diesen füllt nun Nicolas Lapierre auf, der damit zumindest temporär wieder ein Cockpit hat. Nachdem er letztes Jahr in Austin einen Unfall verursacht hat und seine Reaktionen darauf wohl gelinde gesagt gar nicht professionell waren, hat sich Toyota entschieden, ihn zum Testfahrer zu degradieren. Damit war aber er auch nicht einverstanden und somit hat man sich am Ende des Jahres „im gegenseitigem Einvernehmen“ getrennt.

2015-6-Heures-de-Spa-Francorchamps-WEC-Adrenal-Media-DEP-6151-2_hdUmbesetzungen gibt es auch in der GTE-Pro, genauer gesagt bei Porsche. Dies hat aber weniger damit zu tun, dass man nun kurzfrsitig einen Fahrer entlassen hat, sondern vielmehr damit, dass man neben den drei 9191 Hybrid, zwei GTE auch noch zwei 991 RSR in der USCC an den Start bringt – und da stößt selbst Porsche bei insgesamt 15 Werksfahrern an seine Grenzen. Von den 15 Fahrern ausgehend bleiben nur noch sieben für die vier RSR übrig. Davon hat man Wolf Henzler und Patrick Long für den Falken- und den Dempsey-Porsche abgestellt, was in Summe nur noch vier Piloten macht, was somit zu einer ausgesprochenen Knappheit an Fahrern führt. In der USCC werden die Porsche somit von Jörg Bergmeister, Patrick Pilet und Michael Christensen pilotiert, was dazu führt, dass in der WEC nur noch zwei Fahrer übrig bleiben. In der WEC wird die #92 daher von Frederick Mockowiecki und Richard Lietz gesteuert, während man bei der #91 auf Porsche Junior Sven Müller setzt. Den letzten vakanten Sitz nimmt für dieses Rennen dann Kevin Estre ein, welcher schon in diversen 911 Cups sehr schnell war und nun Werksfahrer bei McLaren ist und an Porsche ausgeliehen wird. Der eine oder andere wird sich fragen, wo dann Marco Holzer ist. Dieser hat Porsche verlassen, nachdem er ab Le Mans kein Rennen mehr für Porsche fuhr, und ist nun beim privaten Haribo Racing Team untergekommen.

Da man dem Porsche im Vergleich zum letzten Jahr dank einer anderen BoP nun 15 kg weniger ins Auto geladen hat, dem Aston Martin aber 10 kg draufgepackt hat, erwarte ich in Spa ein enges Rennen zwischen den beiden AF Corse-Ferrari und den Manthey-Porsche, wobei die #92 hier etwas schneller sein dürfte. Am Ende sollten aber die Ferraris vorne sein, denn diese können über den Lauf eines Rennens extrem konstante Rundenzeiten fahren und dabei auch mal einen Doppelstint einlegen, ohne merklich an Zeit zu verlieren. Diese Konstanz hat bislang kein anderer Hersteller in der GTE erreicht.

In der GTE-Am sieht es dafür etwas anders aus, denn hier werden sich der AF Corse-Ferrari mit der #83 und mit Perrodo, Collard und Rui Aguas sowie der Aston Martin mit der #98 duellieren, wobei hier der Aston Martin normal die Oberhand behalten sollte, denn mit Matthias Lauda, Paul Dalla Lana (welcher als Bronzefahrer eingestuft wird!) und Pedro Lamy gibt es eine Besatzung, die sich mal wieder in die falsche Kategorie verlaufen hat…

2015-6-Heures-de-Spa-Francorchamps-WEC-Adrenal-Media-ND1-0049_hdDass Spa nicht nur eine wunderschöne, sondern auch eine sehr schnelle und gefährliche Strecke ist, hat man die letzten Jahre immer wieder gesehen. So sorgen zwar die ersten beiden Eigenschaften für viele Fans bei den Rennen vor Ort und einen hohen Nervenkitzel, wenn es flat durch so klingende Kurven wie Blanchimot oder Eau Rouge geht. Allerdings sorgen diese Kurven nicht nur bei den Fans für Nervenkitzel, sondern auch bei den Fahrern. Für diese können diese Kurven aber leider auch sehr schnell sehr gefährlich und mitunter auch tödlich enden. Daran wird man dieses Wochenende besonders erinnert, denn heuer jährt sich ein trauriges Jubiläum zum 30. Mal. Stefan Bellof ist damals am 1. September 1985 tödlich in der Eau Rouge verunglückt. Um ihn zu ehren, wird Timo Bernhard daher mit einem ganz speziellen Helmdesign an den Start gehen, welches an Stefan Bellof erinnern soll.

Bilder: WEC/ACO/Adrenalin

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