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NASCAR: Analyse Watkins Glen 2014

von Steffen Nobis
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Es liegt ein emotionales Wochenende hinter jedem Fan des amerikanischen Motorsports. Noch vor der sportlichen Sensation beim abendlichen Lauf des Sprint Cups startete der Tag mit einer tragischen Meldung, die uns auch in den kommenden Wochen noch beschäftigen wird.

Cheez-It 355 At The GlenEs ist schwierig, sich unter den aktuellen Umständen über den Sensationssieg von A.J. Allmendinger nach einem packenden Rennen in Watkins Glen zu freuen, denn der Tod eines erst 20-jährigen Sprint-Car-Fahrers nach einer Kollision mit dem Fahrzeug von Tony Stewart, der sich mal wieder einen Ausflug außerhalb des Sprint Cups erlaubte, überschattete das komplette Wochenende. Stewart fühlte sich verständlicherweise danach nicht in der Verfassung, das Rennen in Watkins Glen zu absolvieren. Nach einem spannenden Schlussspurt sicherte sich dort A.J. Allmendinger seinen ersten Sieg im NASCAR Sprint Cup und darf sich damit auch sicher im Chase wähnen. Doch bevor wir uns genauer um das Rennen kümmern, werfen wir einen Blick auf die Tragödie, die sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Canandaigua Motorsports Park ereignete.

Auf dem lokalen Dirt Track im Bundestaat New York, nicht weit von Watkins Glen, startete Tony Stewart in einem Sprint Car bei einem seiner vielen Ausflüge in diese Fahrzeugklasse. Diese kleinen und leichten Monster mit teilweise über 1000 PS zeichnen vielen Fans ein Lächeln ins Gesicht, doch dies sollte sich am Samstagabend schlagartig ändern. Nach einem Rennunfall zwischen Tony Stewart und dem jungen Kevin Ward Jr. geriet das Fahrzeug des 20-jährigen Ward in die Mauer und konnte nicht mehr weiterfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt war noch alles gut, bevor sich Ward dazu entschloss, aus seinem Fahrzeug auszusteigen und die Strecke herab zu laufen. Dabei gestikulierte er wild in Richtung der #14 und machte seinen Unmut über den Unfall offenkundig. Unterdessen bewegte er sich immer weiter in Richtung der Ideallinie, und als sich Stewart näherte, erfasste er den auf der Strecke stehenden Ward. Dieser wurde zwar sofort vom örtlichen Streckenpersonal versorgt, erlag allerdings noch vor dem Eintreffen im Krankenhaus seinen Verletzungen. Unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind daher bei der Familie und den Angehörigen Kevin Wards.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dies muss nun polizeilich festgestellt werden, denn wir können an dieser Stelle nur spekulieren. Eines ist allerdings klar, dieses Leben hätte nicht vergehen müssen, denn dieser tragische Vorfall hätte auf vielen Wegen vermieden werden können. Kevin Ward Jr. stand mitten auf der Strecke und war dadurch schon großen Gefahren ausgesetzt. Unglücklicherweise fuhr Stewart während der Caution ein Stück weit höher als seine Kontrahenten und konnte dadurch Ward nicht mehr ausweichen. Wieso, weshalb und warum sich beide Fahrer für ihre jeweiligen Aktionen entschieden haben, das können wir an dieser Stelle schwer beurteilen und daher auch keine abschließende Aussage treffen. Für diese müssen wir nun auf die amerikanischen Behörden vertrauen, die den Vorfall zunächst nicht als kriminellen Akt untersuchten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in den kommenden Wochen weiterentwickelt und welche Folgen dies für Tony Stewart hat. In jedem Fall bleibt zu konstatieren, dass durch einen unglücklichen und zugleich auch völlig unnötigen Vorfall das noch junge Leben von Kevin Ward Jr. ein viel zu frühes Ende fand und dass dies große Trauer bei seiner Familie und der gesamten Oval-Gemeinde hinterlässt.

Nach diesem tragischen Unglück ist es schwer, einfach wieder zum normalen Tagesgeschäft überzugehen und sich dem Rennen des NASCAR Sprint Cups in Watkins Glen zu widmen. Doch es war gleichzeitig auch eine willkommene Ablenkung von den vorher bekannt gewordenen Ereignissen. Nachdem Regan Smith in der #14 Tony Stewart ersetzt hatte, führte Jeff Gordon die 43 Fahrzeuge in die ersten Runden. Gordon war es zunächst als einzigem möglich, dem Favoriten Marcos Ambrose Paroli zu bieten. Dies sollte sich allerdings gegen Rennhalbzeit ändern, denn ein Kurzschluss in Gordons Fahrzeug warf die #24 viele Runden zurück und entriss dem aktuell erfolgreichen Gordon einen möglichen Sieg. Stattdessen spitzte sich am Ende des Rennens ein packendes Finale zwischen A.J. Allmendinger und Marcos Ambrose zu. Beide schenkten sich keinen Zentimeter auf der Strecke, blieben aber stets fair. Mit Lackaustausch und Rasenmähereinlagen ging es durch die letzten Runden und nach schließlich 90 Umläufen schaffte Allmendinger die Sensation: Er holte sich seinen ersten Sieg im Sprint Cup und sicherte sich damit den Einzug in den Chase. Auf Position zwei kam nur knapp dahinter Marcos Ambrose ins Ziel, der das selbst gesteckte Ziel in Form eines Sieges und dem daraus folgenden Chase-Einzug zwar verpasste, sich danach aber trotzdem als fairer Verlierer und großer Sportsmann gab. Auch Allmendinger stand dem in nichts nach, womit wir am Sonntagabend Zeugen eines großen Rennens mit zwei ebenso großen Protagonisten wurden.

Eher weniger vorbildlich benahm sich Kyle Busch, der am Tage zuvor noch den zweiten Platz im Nationwide-Rennen belegte. Dabei hatte er schon ein Überholmanöver mit der Brechstange im Inner Loop an Ambrose versucht und flog dadurch zusammen mit dem Australier ab. Dies wäre wohl für jeden Fahrer eine Lehre gewesen, nicht aber für unseren Hitzkopf aus Las Vegas. Am Sonntag suchte er sich sein Opfer in Martin Truex Jr., der glücklicherweise keine großen Schäden von der Busch-Attacke davon trug. Doch Busch war sichtlich erhitzt und fuhr mit einem aggressiven Manöver erneut in die #78. Normalerweise würde man diese Aktion als Revanchefoul deklarieren, doch es gab nichts, für was sich Busch hätte revanchieren müssen, denn schließlich war es sein Fehler. Die #18 zerstörte sich damit selbst das Fahrzeug und das Rennen, während Truex weiter fahren konnte. Manch einer würde dies Karma nennen.

Neben einem starken Finale und einem überhitzen Kyle Busch sorgte das Rennen zusätzlich noch für weitere große Schlagzeilen. Diese begannen mit einem frühen Bremsversagen am Fahrzeug von Cole Whitt in Kurve eins, der daraufhin wie einst Jimmie Johnson und Denny Hamlin über die Auslaufzone der Kurve schoss. Beim Einschlag in die Reifenstapel wurden diese in die Luft gehoben und das Fahrzeug von Whitt kam unter ihnen zum Stehen. Dies allein warf schon erste Fragen zur Sicherheit der Strecke auf, die beim Anblick von wahllos gestapelten Reifen im Karussell noch verstärkt wurden. Doch die Diskussion fachte letztendlich ein anderer schwerer Unfall an, bei dem Ryan Newman nach der Ausfahrt vom Karussell nach einem Kontakt mit der #16 von Greg Biffle in die Leitplanke abbog. Dabei wurde die #31 zurückgefedert und kam mitten auf der Strecke zum Stehen, wo Michael McDowell nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte und sich nach einer starken Feindberührung mit Newman ebenfalls in die Leitschiene verabschiedete. Diese wurde beim Einschlag der #95 komplett zerstört und offenbarte damit weitere Sicherheitsprobleme, denn ein dahinter stehender Streckenposten hätte diesem Vorfall schnell ein ganz anderes Gesicht geben können.

Bei einem Einschlag von einem über 1,5 Tonnen schweren Fahrzeug im nahezu rechten Winkel entstehen wahrlich große Kräfte, die demzufolge auch große Zerstörung auslösen können. Trotzdem ist es nicht akzeptabel, dass dabei eine komplette Leitplanke ausgelöscht und dadurch dahinter stehendes Personal großer Verletzungsgefahr ausgesetzt wird. Seit einigen Jahren bringen die Fahrer ihre Sicherheitsbedenken zum Ausdruck, so geschehen zum Beispiel nach dem Rennen 2011, bei dem David Ragan und David Reutimann einen schweren Unfall hatten. Die Aussagen von damals wurden nun von Ryan Newman erneuert. Er äußerte sich sehr enttäuscht darüber, dass erst ein weiterer heftiger Vorfall die Sicherheitsbedenken wieder auf den Plan rufen musste. Die Streckenbetreiber und die NASCAR sind nun gefordert, diese Bedenken auszuräumen und für ein sicheres Umfeld, sowohl für die Fahrer als auch für das Personal und die Zuschauer, zu gewährleisten, denn die aktuellen Zustände sind keinesfalls tragbar.

An dieser Stelle möchte ich den Artikel zu Ende führen. Wir werden das letzte Wochenende mit einem traurigen Herzen hinter uns lassen und gleichzeitig die offensichtlichen Sicherheitsprobleme in Watkins Glen im Kopf behalten. Doch wir wollen auch nicht das Positive vergessen, denn mit einem spannenden Rennen und einem strahlenden Sieger hatte der Sonntag auch eine schöne Seite. Ich verabschiede mich mit Ergebnis des Cheez-It 355 At The Glen und den aktuellen Tabellen der Fahrer- und Ownerwertung bis zur Analyse von Michigan. Vorher wird sich am Freitag Kristian der Vorschau auf das Rennen im Nordosten der Vereinigen Staaten widmen.

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