Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Ungarn – Hört auf zu jammern

Formel Eins: Analyse GP von Ungarn – Hört auf zu jammern

von DonDahlmann
5 Kommentare

Ein wenig Regen und zwei Safety-Car-Phasen – und schon kann ein Rennen der F1 sehr abwechslungsreich werden. Der Kampf um die Positionen war geradezu sensationell.

F1_Race_Ungarn_2014_-0014Der Regen kam eine Stunde vor dem Rennen. Ein Wolkenbruch setzte die Strecke in Ungarn unter Wasser und warf damit alle Strategieüberlegungen der Teams über den Haufen. Weil die Rennleitung das Rennen logischerweise zu einem „wet race“ erklärten, war man auch die lästige Pflicht los, beide Reifenmischungen zu fahren. Allerdings ergaben sich dadurch auch diverse Möglichkeiten in der Strategie, je nach dem, wie lange man mit den Intermediates würde fahren können. Rosberg wäre das normalerweise alles egal gewesen, denn der lag nach ein paar Runden schon bequem in Führung. Doch dann kam die erste Safety-Car-Phase, die das Rennen auf den Kopf stellte.

Marcus Ericsson hatte seinen Caterham Ausgangs T3 in den Reifenstapeln versenkt und löste damit die SC-Phase aus, weil sein Auto in der Auslaufzone stand. Die Rennleitung reagierte blitzartig, doch der Leidtragende war Nico Rosberg, der zu dem Zeitpunkt auf der Zielgeraden war und zehn Sekunden Vorsprung hatte und eine ganze Runde langsam zurücklegen musste. Gleichzeitig konnte die SC-Phase für Daniel Ricciardo und Lewis Hamilton nicht besser fallen. Denn auf der Strecke bildete sich eine trockene Linie und die Entscheidung, Slicks aufzuziehen, war damit einfach. Also für alle, bis auf McLaren, die als einzige auf ihrem Radar Regen sahen, der dann aber nicht kam.

Hamilton hatte einen zähen Start ins Rennen. Da sein Wagen in der Qualifikation wegen einer gebrochenen Benzinleitung abgefackelt war, musste Mercedes über Nacht das Ersatzchassis samt neuem Motor und Getriebe vorbereiten. Nach seinem Start aus der Boxengasse wäre das Rennen für den Briten dann auch fast schon wieder zu Ende gewesen. Mit kalten Bremsen flog er in T2 ab, hatte aber Glück, als er die Leitplanken nur minimal berührte und weiterfahren konnte.

F1_Race_Ungarn_2014_-0013Danach pflügte er wie erwartet durchs Feld und profitierte wie beschrieben von der SC-Phase, die die hinteren Fahrzeuge nach vorne spülte. Richtig profitierten allerdings Jenson Button und Daniel Ricciardo, die nach dem Restart in Führung lagen. Button musste wegen der falschen Reifenwahl wieder rein, aber Ricciardo konnte vorne relativ bequem in P1 verteidigen. Dahinter ging es allerdings rund. Der Stand nach 19 Runden: Ricciardo vor Massa, Alonso, Vergne, Rosberg, Vettel und Hamilton.

Quer durch das Feld entwickelten sich spannende Duelle, vor allem zwischen Vergne, Rosberg, Vettel und Hamilton, die innerhalb weniger Zehntel lagen. Erstaunlich war dabei, dass Rosberg, der zuvor so schnell unterwegs war, nach seinem Stopp nicht an Vergne vorbei kam. Offenbar hatte man bei Mercedes mit mehr Regen gerechnet und auf ein Setup mit sehr viel Abtrieb gesetzt. So fehlte Rosberg auf der Geraden dann der nötige Speed, um voranzukommen. Auch Hamilton hing hinter Vettel fest, weil der wiederum nicht an Rosberg vorbeikommen konnte.

Die nächste SC-Phase kam, nachdem Perez seinen Force India in der Boxenmauer parkte. Diesen Moment nutzte Red Bull, um Daniel Ricciardo an die Box zu holen. Wie sich am Ende rausstellen sollte, war dies ein entscheidender Call. Auch beide Williams kamen an die Box, wechselten aber überraschenderweise auf die härtere Variante der Slicks. Und zwar mit beiden Autos, was nicht nachvollziehbar war. Die „Soft“ waren die deutlich bessere Variante, zumindest zu diesem Zeitpunkt des Rennens, als noch wenig Gummi auf der Strecke lag.

F1_Race_Ungarn_2014_-0007Es begann die Zeit der Strategie. Vorne lag Alonso, der seinen Vorsprung aber nicht entscheidend ausbauen konnte. Dahinter steckte Rosberg weiter hinter Vergne, und Mercedes entschloss sich, Rosberg für einen etwas frühen Reifenwechsel reinzuholen. Man zog ihm in Runde 32 die „Soft“ auf, was aber bedeutete, das er noch würde stoppen müssen. Sechs Runden später stoppte Fernando Alonso, ebenfalls für „Soft“, also lag Ricciardo wieder in Führung. Aber auch er musste noch mal reinkommen. Da Regen in der Luft lag, wartete man bei Red Bull mit dem Stopp. Eine weitere gute Entscheidung, denn als er in Runde 54 an die Box kam, hatte er für die restlichen 16 Runden neue „Soft“.

Im Grunde hätten zu diesem Zeitpunkt vier Fahrer gewinnen können: Alonso, Ricciardo, Hamilton und Rosberg. Der Deutsche lag knapp hinter seinem Teamkollegen, den Mercedes auf eine etwas andere Strategie gesetzt hatte, indem man die härtere Mischung für ihn gewählt hatte. Der Brite bekam vom Team die Anweisung, Rosberg vorbei zu lassen, sah aber zu Recht keinen Grund, das zu tun, weil Rosberg nicht mal ansatzweise unter seinem Heckflügel hing. Im Gegenteil – Hamilton konnte zulegen, Rosberg fiel wieder etwas zurück. Das alles spielte sich zwischen Runde 50 und 56 ab und die Frage war, warum Mercedes Rosberg nicht viel früher reingeholt hat.

Die Strategie von Ricciardo zeigte, dass es besser gewesen wäre, Rosberg zwei bis vier Runden vorher zum Stopp zu holen. Als er dann 14 Runden vor Schluss endlich kam, war auch klar, dass ihm am Ende die Zeit ausgehen würde.

Vorne entwickelte sich dafür ein wunderbarer Dreikampf zwischen Alonso, Hamilton und Ricciardo. Die weichen Reifen des Spaniers stammten noch aus Runde 38 und es war schon ein kleines Wunder, dass er sich überhaupt so lange vorne halten konnte. Hamiltons Reifen waren neuer (Runde 39), aber vor allem hatte er die härtere Mischung aufgezogen. Aber vorbei kam er dennoch nicht, auch weil Ricciardo von hinten mit neuen Reifen drückte.

Was beeindruckend war: Ricciardo suchte nicht sofort und unter allen Umständen seine Chance. Er schaute, wartete ab, erhöhte hier und da den Druck, ließ sich aber nicht auf Kamikaze-Aktionen ein. Er beobachte allerdings genau, ob Hamilton den Anschluss an Alonso halten konnte. Erst in den letzten drei Runden erhöhte er seine Geschwindigkeit, wohl auch, weil von hinten ein zorniger Rosberg heranstürmte und den Führenden teilweise bis zu drei Sekunden pro Runde abnahm. Ricciardo nutze einen kleinen Fehler von Hamilton in T1 aus und eine Runde später überholte er an gleicher Stelle den wehrlosen Alonso. Man kann Ricciardo für seine Übersicht und seine kompromisslosen Manöver gar nicht genug loben. Das war durchaus weltmeisterlich, ebenso wie die Fahrt von Alonso, der beide Mercedes hinter sich halten konnte.

Was sonst noch auffiel:

Kimi Räikkönen lieferte ein gutes Rennen ab, obwohl er dank des katastrophalen Fehlers seines Teams in der Quali von hinten starten musste. Aber am Ende fehlten ihm 25 Sekunden auf Alonso und man darf nicht vergessen, dass er zeitweise vor Hamilton lag.

– Beide Force India fielen aus. Hülkenberg hätte fast seinen Teamkollegen abgeräumt, Perez warf den Wagen dann selber weg.

Williams hatte Bottas bis zur SC-Phase auf P2 liegen, versemmelte dann aber die Strategie. Nicht so richtig nachvollziehbar, was da passiert ist. Massa kam Ende auf P5, Bottas nur auf P8. Da wird man sich dringend die Daten anschauen müssen.

Nach dem Rennen war Rosberg angesäuert. Die Sache mit Hamilton würde man „intern“ besprechen. Der Frust war durchaus verständlich – wenn man von der Pole startet und der Teamkollege vom letzten Platz, dann erwartet man sicherlich nicht, hinter ihm zu landen. Die Strategieentscheidungen von Mercedes waren in Sachen Rosberg sicher nicht immer perfekt, aber im Grunde auch nicht schlecht.

Was Rosberg wie viele andere Fahrer aber wirklich mal lassen sollten: Die Jammerei per Funk. „Der ist da nicht vom Gas gegangen“… „Der hat da abgekürzt“… „Der soll mich vorbei lassen.“ Man kommt sich wie in einem Kindergarten vor. Es ist ein Rennen. Wenn Du nicht überholen kannst – Pech. Wenn jemand gegen die Regeln verstösst: Alle schauen hin, die Rennleitung hat alle Daten. Kein Grund, über Funk zu petzten oder zu jammern.

Die Formel Eins macht jetzt vier Wochen Pause. Das wird den Teams gut tun und man darf gespannt sein, wer in Spa mit dem besten Paket an den Start gehen wird. Große Verschiebungen vorne sollte man nicht erwarten, denn Mercedes dürfte auch nach dem Urlaub das schnellste Auto haben. Aber zwischen Ferrari, Williams und Red Bull dürfte es sehr, sehr eng werden.

Wie jedes Jahr füllen wir die Sommerpause mit unserer Halbzeitbilanz. Langweilig wird es also auch im August nicht.

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5 Kommentare

nona 28 Juli, 2014 - 08:12

Das „Gejammer“ im Funk stört natürlich viele, ebenso wie das verbale „Fernsteuern“ der Fahrer von der Box („Jetzt pushen und Reifen sparen!“) und das mitunter völlig sinnfreie Überfüttern mit unnötigen Informationen („In einer halben Stunde könnte es Regen geben, aber vielleicht auch nicht.“) Allerdings muss man dabei auch immer hinterfragen, wo wer aus welchen Gründen ein Funkschnipsel in den World Feed durchstellt. Nur ein Bruchteil des Funks wird der Öffentlichkeit per Fernsehen freigegeben, und diese intransparente Schlussredaktion in „Bernies Regie“ ermöglicht natürlich allerbeste Manipulationsmöglichkeiten. Es ist ein Leichtes, über die inhaltliche Auswahl des Funks ein Team oder einen Fahrer gezielt gut oder schlecht aussehen zu lassen, oder bestehende Klischees zu untermauern. Da würde ich keinerlei Objektivität erwarten.

NoteMe 28 Juli, 2014 - 08:28

Ich jammer jetzt mal:

Der Regen war für die Spannung des Rennens praktisch egal, es war „spannend“, weil der schnellste Fahrer des Wochenendes im Quali verkokelt wurde, und die SC-Phase (und das Pech, direkt im Heck des echten SC zu sitzen, statt die Runde unter target time zu fahren) die nächstschnellsten 4 Fahrer in den Pulk zurück zwang.

Alles, was es demnach für ein „spannendes“ Formel-1-Rennen braucht, ist ein Haufen dummer Zufälle, oder in Zukunft gleich ein richtiges Drehbuch. (Hallo, Bernie!)

Zum Rennen finde ich im Nachhinein den Vergleich der Kämpfer HAM/RIC und HAM/ROS in den Runden 64 und 70 interessant, wo Lewis in ähnlichen Situationen in der selben Kurve einerseits Ricciardo den Sieg schenkt, um dann seinen Teamkollegen/Titelkonkurrenten fröhlich ins nasse Gras zu drängen.

Sagen wir es so, die „Verstädnisprobleme“ in Sachen Teamorder wären für mich an Teamstelle nicht der einzige Aufhänger, um mal ein wenig deutlicher mit Hamilton zu sprechen. Aber wahrscheinlich verbringt man dort die nächsten 5 Tage vor der Sommerpause damit, Bonusheftchen für Teamorderignorieren zu designen – pro defektem Auto bekommt man ja laut Toto Wolff ein Mal frei.

„Was Rosberg, wie viele anderen Fahrer aber wirklich mal lassen sollten: Die Jammerei per Funk. “Der ist da nicht vom Gas gegangen”… “Der hat da abgekürzt”… “Der soll mich vorbei lassen.” Man kommt sich wie in einem Kindergarten vor.“

Immer daran denken, dass hier jemand aktiv die Soundbites auswählt. Bei Rosberg hört man dann eben nicht, wie das Team ihm sagt, dass Hamilton ihn durchwinken wird, aber die Nachfrage von Rosberg, warum das dann rundenlang nicht passiert, wird gesendet.

PS: Das beste am GP ist der Spiegel, den die Teamorder-Diskussion den britischen Fans vorhält. Da finden sich plötzlich große Anteile derer, die letztes Jahr den Untergang des Abendlandes heraufbeschworen auf der anderen Seite des Arguments. Wunder was.

PPS: Ich bin gestern sogar für ein paar Runden eingeschlafen, und das hat nicht an mangelndem Schlaf gelegen. Gerade der Mittelteil war IMHO eher statisch.

Thomas 28 Juli, 2014 - 08:45

Schon komisch, dass absolut niemand mal thematisiert, wie bescheuert die Safety Car Regeln sind. Und das nichtmal hier, wo man sich ja auch mit US Motorsport auskennt. Denn das mit dem Pace Car haben sie dort auf jeden Fall verstanden.

Speedwriter33 28 Juli, 2014 - 09:11

Ein Rennen ganz nach meinem Geschmack. Ricciardo hat gezeigt, dass man kein DRS braucht, um überholen zu können. Ich bleibe dabei, dieser Schwachsinn gehört abgeschafft. Jaja, ich weiß, er hatte die frischeren Reifen. Aber da es keine Zwangsboxenstopps für Reifenwechsel gab, hatten diese auch nichts Künstliches. Zu der ewigen Jammerei: Es wäre eine prima Sache, jeglichen Funk zwischen Box und Fahrer einfach zu verbieten; das Rumheulen hat dann ein Ende, und es würde sich auch zeigen, wer ohne Nanny gewinnen kann. Da bin ich ganz der Meinung von Christian Danner (den man übrigens meiner Meinung nach gar nicht genug loben kann; er macht das großartig, und ohne ihn wären die Übertragungen von RTL nur schwer zu ertragen).

littleskill 28 Juli, 2014 - 09:41

Ich glaube schon, dass Rosberg auch näher an Hamilton hätte sein können, aber er wollte sich einfach nicht die Reifen kaputt fahren, da er auf einer anderen Strategie unterwegs war.
Und NoteMe muss ich zustimmen. Gegen Riccardo hält Hamilton nicht so dagegen wie gegen Rosberg. Der wird beim nächsten mal garantiert nicht mehr zurückziehen, denn es kann es ihm im Grunde egal sein. Wenn beide ausfallen, konserviert er seinen Vorsprung.

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