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WEC: Analyse Silverstone 2014 – Crashfest für Audi

von DonDahlmann
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Die erste Runde der WEC war abwechslungsreich und brachte die ersten Einblicke, wo die drei Werksteams stehen. Bei Audi wird man vor dem nächsten Rennen in Spa einiges an Arbeit vor sich haben.

2014-6-Heures-de-Silverstone--3990-RED37321-3500x2333Unfälle, wechselnde Wetterbedingungen und technische Probleme plagten die LMP1-H-Kategorie der WEC beim Auftakt in Silverstone. Allerdings zeigte sich auch, dass die Einstufungen der FIA für die drei Werksteams von Audi, Porsche und Toyota durchaus richtig liegen. Zumindest, was eine schnelle Runde angeht. In der Qualifikation lag man sehr eng zusammen. Die schnellsten Runden trennte gerade mal zwei Zehntel, was auf ein spannendes Rennen schließen ließ. Die schnellste Runde gelang zwar dem Audi R18, da aber in der Qualifikation der Rundenschnitt von zwei Fahrern und deren zwei schnellsten Runden gezählt wird, reichte es für Audi nicht zur Pole. Die holte sich der Toyota #7 (Wurz, Sarrazin, Nakajima) mit fünf Tausendstel Vorsprung vor der Audi #1 (di Grassi, Duval, Kristensen). Auf P3 sortierte sich der Porsche #14 mit Dumas, Jani, Lieb ein, der Rest folgte dahinter. Die engen Abstände versprachen ein sehr spannendes Rennen, was sich beim Start auch bestätigen sollte.

Die erste Stunde des Rennens war ein reines Sprintrennen zwischen den beiden Audi und Toyota, die sich nichts schenkten. Zunächst gingen beide Toyota in Front, doch die Audi übten weiter Druck aus und ließen sich nicht abschütteln. Zeitweilig übernahm der Audi mit Fässler, Lotterer, Treluyer die Spitze, konnte sich aber auch nicht absetzen. Auf der Strecke konnte man die Vorteile der jeweiligen Konzepte gut erkennen. Der Audi verfügt offenbar über den besten Abtrieb. In der schnellen Copse Passage konnte er voll fahren, während der Toyota leicht lupfen musste. Auch auf der Bremse schien der Audi deutliche Vorteile zu haben. Der Toyota war wiederum besser ausgangs der Kurven und schien dort etwas mehr Leistung auf den Boden zu bringen. Auf der langen Geraden zog der Toyota ebenfalls leicht weg, was Audi im Hinblick auf die langen Geradeaus-Passagen in Le Mans Sorgen machen dürfte. In Silverstone glichen sich die unterschiedlichen Stärken sehr gut aus, was die Spitze eng zusammenhielt.

Die Porsche mussten schon nach wenigen Runden abreißen lassen. War man in der Quali durchaus noch dran, vermisste man im Rennen die guten Rundenzeiten. Im Schnitt verloren beide Autos pro Runde rund eine Sekunde, was überraschend viel war. Es stellte sich im Verlauf des Rennens aber raus, dass die Porsche etwas länger fahren konnten (siehe unten). Demzufolge kann man Verbrauch und Leistung noch angleichen. Doch selbst, wenn Porsche den Verbrauch erhöhen sollte, scheint der Abstand zu Toyota doch etwas groß zu sein. Allerdings, ein Teil des „Sandbagging“ könnte es gewesen sein, dass Porsche mit dem „Low Downforce“-Set unterwegs war, das in Silverstone Zeit kostet. Porsche selber spricht davon, dass Silverstone eher eine schlechte Strecke für den 919 sei.

Das Wetter in Silverstone sorgte dann für weitere Spannung. Mal regnete es leicht, dann war es wieder trocken. Bei knapp 11 Grad trocknete die Strecke aber nur langsam ab. Gestartet waren alle Fahrzeuge auf Slicks, sodass es bis zum ersten Stopp keine Unterscheide gab. Wegen des leichten Regens entschieden sich die Teams aber für unterschiedliche Strategien. Manchen nahmen die Regenreifen, andere entschieden sich für die im letzten Jahr eingeführten profillosen Intermediates. Und „richtige“ Intermediates gab es auch noch. Da man die Slicks am Fernseher nicht von den profillosen Intermediates unterscheiden kann, musste man ein wenig raten. Michelin täte gut daran, die Markierungen zu verbessern.

2014-6-Heures-de-Silverstone--3996-RED37490-3500x2333Toyota und Porsche beließen es im ersten Stint mit einem verkürzten Run, was nicht ungewöhnlich ist. Alle vier Fahrzeuge kamen nach 22 Runden an die Box, fassten neuen Sprit und wechselten die Reifen. Audi ließ beide R18 länger draußen. Im Falle der #1 mit di Grassi am Steuer sollte sich das wegen des stärker werdenden Regens rächen. Der Brasilianer verlor ausgangs Woodcote das Heck des Wagen und knallte in die Leitplanken. Dabei beschädigte er sich das Monoquecue so schwer, dass es nicht mehr repariert werden konnte. Damit war ein Audi schon mal weg. Der zweite Audi kam in Runde 27 an die Box, nahm die neuen Intermediates und ging wieder auf die Strecke. Fünf Runden später stand der Wagen allerdings in Stove im Kies. Beim Anbremsen verlor Lotterer das Heck und konnte den Wagen nicht mehr abfangen. Sowohl der Unfall von di Grassi als auch der von Lotterer sahen etwas merkwürdig aus. Bei der #1 brach das Heck aus, als das Getriebe einen Gang nach oben schaltete. Offenbar verlor di Grassi schlagartig Grip an der Hinterachse. Bei Lotterer passierte es beim Herunterschalten. Zwar konnte der Wagen geborgen werden, lag dann aber drei Runden zurück.

Zwei weitere Stunden später stand der Wagen dann mit komplett zerstörter Front ausgangs Copse. Beim Anbremsen geriet Treluyer mit dem linken Hinterreifen auf den nassen Curb und drehte sich schlagartig nach innen, wo er in die Leitplanke einschlug. Der Wagen war nicht mehr zu reparieren, auch wenn der Franzose gegen den Rat der Streckenposten noch versuchte, den R18 auf die Strecke zu bewegen. Er blieb aber ohne Lenkung im Kies hängen und weil er da in einer gefährlichen Auslaufzone stand, holte die Rennleitung das Safety Car raus.

Für Audi bedeutete dies, dass man zum ersten Mal in der Geschichte der WEC kein Auto ins Ziel bekommen hat. Der letzte Totalausfall datiert aus dem Jahr 2011, als man beim Petit Le Mans beide Wagen abstellen musste. Zumindest konnte Audi aber ein paar Daten aus Silverstone mitnehmen, denn bis zum Ausfall konnte die #2 noch einen Rennrhythmus finden. Ebenfalls ärgerlich ist, das Treluyer sein Auto ebenfalls so nachhaltig zerstörte, dass Audi nun in Spa zwei komplett neue Autos anschleppen muss.

Auch Porsche verlor früh ein Fahrzeug. Nach dem ersten Stopp kam die #14 nach einer Runde mit einem fehlenden linken Vorderrad rein, was eine lange Reparaturphase nach sich zog, weil man gleich die gesamte Aufhängung austauschte. Kaum war das Auto wieder draußen, rollte man mit einem Schaden an der Hydraulik aus. Der Tag war dann gelaufen.

Damit lagen beide Toyota bequem in Front, da der zweite Porsche den Speed der Japaner nur zeitweise halten konnte. Interessant war daher, wie die Stintlängen aussehen würden. Im Verlauf des Rennens bildete sich dann folgendes Bild:

Toyota #8 Runde 22 (Slicks/Inter) / 50 (Slicks) / 78 (Slicks) / 107 (Slicks, SC) / 136 (Slicks) / 151 (Regen)

Toyota #7 Runde 23 (Regen) / 43 (Slicks) / 70 (Slicks) / 98 (Slicks) / 129 (Slicks) / 150 (Regen)

Porsche #20 Runde 22 (Slicks/Inter) / 52 (Slicks) / 81 (Slicks) / 106 (Slicks, SC) / 135 (Slicks) / 151 (Regen)

Audi #2 Runde 27 / 32 (Dreher) / 57 (Slicks) / 83 (Slicks)

Porsche #14 Runde 22 (Slicks/Inter)

Die Stintlängen von Porsche und Toyota lagen in Silverstone bei 28 Runden, wobei die #20 einmal sogar 29 Runden schaffte. Der verbliebene R18 schaffte 27 Runden. Umgerechnet für Le Mans würde das bedeuten, dass die Audi zwei Stopps mehr einlegen müssten, was einem Zeitverlust von 130 bis 140 Sekunden entspricht. Sollte es Audi gelingen, zweimal auf den Reifenwechsel zu verzichten, reduziert sich der Nachteil auf ca. 90 bis 100 Sekunden. Das sind allerdings nur vorsichtige Schätzungen auf einer sehr schmalen Datenbasis, weil die R18 ja das Rennen nicht zu Ende fahren konnten. Dazu kommt, dass es Audi gelingen kann, die Effizienz des Dieselmotors zu erhöhen. Eine andere Frage ist, ob sie alles gezeigt haben oder sogar extra etwas kürzere Stints eingelegt haben.

Nach dem Ausfall beider Audi tat sich vorne dann nichts mehr. Die Toyota verwalteten ihren Vorsprung, wobei die #8 wegen einer etwas besseren Reifenwahl im zweiten Stint sich deutlich absetzen konnte. Am Ende war es eine glatte Runde, aber die Rundenzeiten stimmten bei beiden Toyota. Porsche sicherte den dritten Platz ab. Immerhin kam man so beim ersten Auftritt schon aufs Podium. In den letzten 45 Minuten des Rennens gab es einen Wolkenbruch, sodass die Rennleitung erst das SC raus schickte, um das Rennen 30 Minuten vor Schluss dann komplett abzubrechen. Eine durchaus verständliche Entscheidung.

Die Rebellion waren mit dem alten Lola-B12-Chassis in England, weil der R-One noch nicht fertig ist. Ein Lola fiel mit Getriebeschaden aus, der Wagen Wagen mit Nick Heidfeld kam problemlos ins Ziel. In Spa soll der R-One fertig sein, ebenfalls dabei sind wohl beide Lotus, deren Auto auch noch nicht so richtig fertig war, da man kurzfristig den Motorlieferanten gewechselt hat.

Das erste Rennen der neuen WEC war so gut, wie man erwarten konnte. Vor allem die erste Rennstunde brachte sehr spannenden Motorsport und einen schönen Ausblick auf das nächste Rennen in Spa.

LMP2
Kurz und schmerzlos. Ein SMP fiel früh aus, der andere hatte große Probleme. So entwickelte sich ein Rennen zwischen dem KMCG und dem G-Drive, das teilweise sehr ansehnlich war. Die G-Drive-Mannschaft setzte sich am Ende durch, weil sich die KCMG-Jungs gleich zwei Durchfahrtsstrafen einhandelten.

Bleibt zu hoffen, dass in Spa die beiden Millenium/ADR-Autos wieder dabei sind. Aber das sieht wegen des andauernden Streits zwischen der EU/USA und Russland eher schlecht aus. Ebenfalls gefährdet ist der Einsatz von beiden SMP und von G-Drive, die beiden am russischen Geldhahn hängen. Sicher ist, dass der Strakka-Dome erst in Le Mans zu sehen sein wird.

GTE-Pro
2014-6-Heures-de-Silverstone-Motorsport-JR7-9673Die Qualifikation konnte überraschend der AF Corse mit Bruni/Vilander vor den beiden Werks-Manthey-Porsche für sich entscheiden. Der Ferrari setzte sich am Start auch durch und konnte beide RSR hinter sich halten. Doch der Spaß für den F458 an der Spitze war nach einer halben Stunde vorbei. Beide Porsche konnten sich am Ferrari vorbeischieben und distanzierten die Italiener um ein paar Sekunden. Auch in Sachen Stintlänge haben die Porsche scheinbar einen kleinen Vorteil. Während der F458 bei unterbrechungsloser Fahrt 83 Minuten fahren konnte, ging es für die Porsche zwischen 85 und 88 Minuten um die Strecke. Auch die Standzeiten waren etwas kürzer, wenn auch nur marginal.

Die Aston Martin taten sich schwer. Einerseits durften sie 15 Kilo ausladen, andererseits mussten sie den Bodenabstand vergrößern. Das war vor allem bei feuchter Strecke nicht von Vorteil. Erstaunlich viele Aston drehten sich in die britische Botanik, wo sie allerdings nicht einschlugen. Auch der Wagen von Turner/Mücke stand schon mal neben der Strecke, am Ende schafften sie es aber dennoch, den AF Corse Ferrari mit Bruni/Vilander abzufangen und den dritten Platz zu belegen. Dabei halfen ihnen allerdings die rote Flagge und ein passender früher Boxenstopp.

Da die FIA in den GTE-Klassen die BoP 2014 weiter in der laufenden Saison anpassen wird, kann man für Le Mans noch nichts sagen.

GTE-Am
Da sich die Regie auf die Pro und LMP1 konzentrierte, sah man von der Am-Klasse leider nur wenig. Die Sache war vorne, abgesehen von den unterschiedlichen Stintlängen, relativ klar. Die Aston Martin bestimmten das Rennen mehr oder weniger, unterbrochen von einer Führung durch den erstaunlich schnellen F458 von RAM Racing. Die SMP-Ferraris und die von AF Corse waren ebenso chancenlos, wie der als Favorit gehandelte Ferrari von 8Star, der später noch ausfiel. Etwas überraschend konnte auch der 2013er RSR von Proton nicht ins Geschehen eingreifen. Und obwohl die Teams in der Quali eng zusammenlagen, zog sich das Feld bald auseinander. Hier wird die FIA mit der BoP noch etwas zu tun haben.

Alle Daten und Ergebnisse des Rennens gibt es hier.

Übertragung:
Wie alle mitbekommen haben, hat die FIA dieses Jahr den Livestream hinter einer Paywall versteckt. Dahinter verbergen sich lächerlicherweise nur der Stream und das Livetiming. Die Qualität des Streams kann man nicht verstellen, es gibt keine Onboards, keine Wiederholungen der Rennen. Damit nicht genug: Wer am Freitag den Webzugang für 20 Euro erworben hat, wird das Geld noch mal für die App ausgeben müssen, wenn er ein Rennen dort sehen möchte. Mit anderen Worten: Es ist eine Katastrophe, wir empfehlen in keinem Fall den Kauf eines Zugangs.

Denn am Renntag präsentierte sich der Stream von seiner schlechten Seite. Es gab viele Ruckler, das Bild war so stark verpixelt, dass man teilweise die Startnummern nicht erkennen konnte. Dazu kam, dass der Stream minutenlang komplett einfror und erst nach einem Restart wieder lief. Zudem hing er dem ebenfalls oft nicht sehr genauen Livetiming auch noch hinterher. John Hindhaugh von Radio Le Mans, die den offiziellen Kommentar zum Rennen liefern, sagte zum Thema App und Paywall zwar nichts, wies aber süffisant immer mal wieder darauf hin, dass der Empfang von Radio Le Mans umsonst sei. („You can listen for free…“).

Auf Facebook und Twitter hat sich die FIA schon einen veritablen „Shitstorm“ eingefangen, aber auch die Hersteller sind extrem sauer. Laut eines Berichtes von MS-Total sind die Hersteller derartig verstimmt, dass sie der FIA eine offizielle Protestnote übergeben haben. Porsche und Audi, die eh einen Teil der Übertragungskosten tragen, und Toyota verlangen einen freien Zugang zu einem Livestream für alle Fans. Was man allein aus Sicht der deutschen Hersteller verstehen kann. Die investieren jeder einen dreistelligen Millionenbetrag in die WEC und wollen natürlich auch, dass die Rennen in Deutschland und anderen Märkten zu sehen sind. Aber in Deutschland gibt es nur die 24h von Le Mans live, Eurosport sendet ansonsten die letzte Stunde der anderen Rennen live. Daher ist ein offener und kostenloser Stream zwingend notwendig, damit das Marketing auch fruchtet. Die Aussperrung der Fans weltweit kann nicht im Sinne der Hersteller sein, die sich vermutlich auch fragen, auf welches schmale Brett FIA und ACO da gekommen sind.

Wie wir schon festgestellt haben, ist die Entscheidung der FIA auch nicht nachzuvollziehen und sie riecht nach reiner Gier. Die Idee, Fans würden einer Serie wie der WEC außerhalb von Le Mans gerne Geld geben, kann auch nur durch schlechte Beratung oder große Arroganz zustande kommen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wenn das Produkt stimmt, zahle ich auch gerne für einen Stream. Wenn er in HD ist, wenn es Onboards gibt, wenn ich in den Funkverkehr schalten kann, wenn ich die Möglichkeit habe, Rennen nachträglich in voller Länge zu schauen. Aber für einen schlechten Stream und sonst nichts?

Schade, dass diese unbedachte Entscheidung der FIA ein wirklich interessantes Auftaktrennen überschattet hat.

Bilder: FIA WEC / ACO

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3 Kommentare

Exos 21 April, 2014 - 12:18

„Die Aston Martin bestimmten das Rennen mehr oder weniger, unterbrochen von einer Führung durch den erstaunlich schnellen F458 von “Team Ukraine”.“

Gemeint ist doch sicherlicher der F458 von RAM Racing oder? Team Ukraine fuhr ja nur in der ELMS mit. Ansonsten schöne Zusammenfassung!

DonDahlmann 21 April, 2014 - 16:11

Ah, danke, korrigiert. Zu viele Ferrari und zu viele GT Teams ;)

jkbfbn 21 April, 2014 - 21:36

Für den gewöhnlichen Stream für 20 Euro zu verlangen ist ist in der Tat beknackt. Die App (hab Android ausprobiert) ist aber nicht schlecht: Ich kann zwischen reichlich Onboards (darunter alle LMP1) auswählen, das Interface ist schick und funktioniert.

Kurz: Die App bietet echten Mehrwert und macht Spaß, dafür auch Geld zu nehmen, find ich ok. Schlimm wird’s erst dadurch, dass der Webzugang das gleiche kostet, aber – wie von dir geschrieben – nur den klapprigen Stream a la Dailymotion bietet. Der sollte echt umsonst sein.

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