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Formel Eins: Ross Brawn verlässt Mercedes

von DonDahlmann
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Das Mercedes AMG F1 Team hat heute bekannt gegeben, dass Ross Brawn das Team verlassen wird. Die Frage ist: Warum eigentlich?

778188664-11481027112013Die Gerüchte gab es seit Anfang des Jahres, jetzt ist es dann dann soweit: Ross Brawn verlässt das Mercedes-Team, ihm folgen Paddy Lowe und Toto Wolff nach. Während Lowe sich um die technischen Belange des Teams kümmern soll, wird Wolff die Geschäftsseite übernehmen und vermutlich weiterhin der erste Ansprechpartner für die Medien sein. Überraschend kommt die Meldung nicht, dafür wurde in den letzten Wochen zu viel auch von Seiten Mercedes über einen möglichen Wechsel an der Spitze gesprochen. Aber warum Brawn das Team verlässt, ist nicht so ganz klar.

Sein Abgang hängt vermutlich mit der massiven Umstrukturierung des Teams aus dem letzten Jahr zusammen. Schon Mitte 2012 sorgte die Erfolglosigkeit des Teams für Sorgenfalten im Mercedes-Vorstand. Das Engagement in der Formel Eins ist im Konzern nicht unumstritten, da die hohen Kosten sich zusammen mit den mangelnden Erfolgen schwer verkaufen lassen. Man muss dabei allerdings zwischen Mercedes AMG High Performance Powertrains und dem Mercedes AMG F1 Team unterscheiden. Während die Motorenschmiede in Brixworth Geld einbringt, kostet der Einsatz des Teams einen dreistelligen Millionenbetrag. Offizielle Budgetzahlen gibt es zwar nicht, aber man kann sich die Summen ausrechnen. John Booth, Teamchef von Marussia, nannte 70 Millionen Dollar als Budget für sein Team pro Saison. Bei Red Bull werden knapp 300 Millionen genannt, wobei hier ein Teil zu Red Bull Technologies fließt, die nicht nur das F1-Team beliefern. 200 bis 240 Millionen Dollar scheint eine im Moment realistischen Summe für ein F1-Team zu sein, wenn es an der Spitze mitfahren möchte.

Mitte 2012 stand man bei Mercedes vor der Frage, ob man die Anteile an Team wieder abstößt oder ob man noch mal richtig versucht: Mehr Geld, mehr und vor allem neue Leute. Man entschloss sich dazu anzugreifen, ließ sich aber für einen Ausstieg die Hintertür offen, indem man die Marke AMG in den Teamnamen aufnahm.

Man holte Niki Lauda, der wohl schon länger im Hintergrund als Berater fungierte. Der sollte die Strukturen des Teams durchleuchten und schauen, wo es in der Bürokratie klemmt. Gleichzeitig angelte sich Ross Brawn Lewis Hamilton. Tatsächlich war es Brawn, der Hamilton überzeugen konnte McLaren zu verlassen. Im letzten Herbst ging es dann Schlag auf Schlag: Toto Wolff wechselte von Williams zu Mercedes und kaufte sich ins Team ein. Gleichzeitig setzte man Norbert Haug vor die Tür, der bisher zusammen mit Ross Brawn das Team geleitet hatte. Seine Stelle teilten sich (mehr oder weniger) zunächst Wolff und Lauda. Schon damals gab es Gerüchte, dass Mercedes gerne Lauda als Teamchef sehen würde.

Interessant wurde es dann, als Mercedes Paddy Lowe von McLaren abwarb. Lowe war bei den Briten als Technischen Direktor ein Stellvertreter von Martin Whitmarsh. Seine Position bei Mercedes war völlig unklar. Überhaupt hatte das Team eine etwas überfrachtete Managementstruktur, die vor dem Abgang von Brawn so aussah:

Vorsitzender des Aufsichtsrats – Niki Lauda
Teamchef – Ross Brawn
Motorsportdirektor (Business) – Toto Wolff
Berater Bereich Business – Nick Fry
Geschäftsführer Bereich Technik – Paddy Lowe
Technischer Direktor – Bob Bell
Chefdesigner/Technologiedirektor – Geoff Willis
Ingenieurdirektor – Aldo Costa
Chefaerodynamiker – Mike Elliott

Es gibt also einen Geschäftsführer im Bereich Technik, einen Technischen Direktor und einen Technologiedirektor. Dazu kam, dass Ross Brawn sich für alle diese Bereiche ebenfalls als Chef sah. Mercedes wollte wiederum die Zuständigkeiten anders verteilen, was Brawn wiederum als Entmachtung betrachtete. Immerhin war es „sein“ Team, auch wenn er 2009 75% von BrawnGP an Mercedes verkauft hatte. Die neue Managementstruktur sieht dann wohl so aus, dass Lowe der Teamchef für die technischen Belange wird, während Wolff die Geschäftsseite übernimmt. Lowe wird das Team also auch bei allen Verhandlungen in Sachen Technik (neue Regeln usw.) gegenüber der FIA vertreten, ein Alleinherrscher wie Brawn es war, wird er aber nicht. Er muss sich zum einen mit Lauda auseinandersetzen, zum anderen wird auch Bob Bell eine größere Rolle spielen.

Ross Brawn verlässt also Mercedes, weil er dort hätte Kompetenzen abgeben müssen, vor allem im Bereich der technischen Entwicklung. Ob es klug ist, Brawn gehen zu lassen, ist schwer zu sagen. 2010 und 2011 hat Brawn keine gute Autos entwickelt, das 2012er Auto stammte mehr oder weniger aus der Hand von Goeff Willis, während Aldo Costa das Entwicklungsteam für das 2014er Auto leitet.

Brawns Fähigkeiten liegen aber nicht nur in der Entwicklung, sondern auch im politischen Bereich, der in der F1 ja nicht ganz unwichtig ist. Den Part wird in Zukunft dann wohl Lauda übernehmen.

Was Ross Brawn in Zukunft machen wird, ist ungewiss. Es ist unwahrscheinlich, dass Mercedes Brawn einfach so gehen lässt und er am 1. Januar 2014 bei einem anderen Team sitzt. Immerhin hat er das Wissen über alle Details des 2014er Chassis und Motors im Kopf. Vermutlich bekommt er eine üppige Abfindung, die mit der Auflage verbunden ist, im nächsten Jahr mal Urlaub zu machen.

Die Gerüchteküche bringt den Briten mit Williams, Ferrari und McLaren bzw. Honda in Verbindung. McLaren scheint unwahrscheinlich, da Martin Whitmarsh trotz des katastrophalen Jahres fest im Sattel sitzt. Williams hat Interesse bekundet, aber auch schon gesagt, das man kein Geld hat, um Brawn zu bezahlen. Bei Ferrari sieht die Sache anders aus. Stefano Domenicali sagte neulich sinngemäß, dass es eine Ehre wäre, für Ross Brawn Platz zu machen.

Ich bin gespannt, wie es mit Mercedes im nächsten Jahr weitergeht. Paddy Lowe ist ein sehr erfahrener Mann, der in der gleichen Liga wie Brawn spielt. Es ist von außen auch schwer zu sagen, wie viel Anteil Ross Brawn am diesjährigen Erfolg des Teams hatte. Er hat sich jedenfalls einen guten Zeitpunkt für seinen Weggang ausgesucht. Sollte der 2014er Mercedes zu langsam sein, wird die Presse sagen „Das kommt davon, dass ihr Brawn vertrieben habt“. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir Ross Brawn spätestens 2015 wiedersehen werden.

Bild: Mercedes AMG F1

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1 Kommentare

nona 28 November, 2013 - 17:48

Brawn ist seit längerem ein ziemlich klassischer Fall von „schleichender Entmachtung“, und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis ihm dabei die Lust vergeht, das Gras anderswo grüner ist, oder was auch immer. Vielleicht gibt es private Gründe, vielleicht ist es auch ein bisschen eine Frage des Alters. (Er ist jetzt fast 60, also nicht direkt „alt“ geschweige denn „zu alt“ – Lauda ist 64 – aber besitzt doch zuviel von dem, was auf Englisch so schön „seniority“ heisst, um sich alle paar Monate damit rumärgern zu müssen, dass ihm in „seinem Team“ schon wieder irgendein grösseres Ego „zur Seite gestellt“ wird und ihm dabei immer mehr Kontrolle und Autorität in der Teamführung und -leitung verloren geht. Erst recht wenn er mit dem einen oder anderen davon persönlich vielleicht nicht klarkommt.)

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