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Bilster Berg: Impressionen vom Tag der offenen Tür

von StefanTegethoff
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Am vergangenen Wochenende wurde in Ostwestfalen das „Bilster Berg Drive Resort“ eröffnet – eine beeindruckende Anlage, auf der nur leider kein Motorsport stattfinden wird…

Luftaufnahme Bilster Berg Drive ResortSchon zu Beginn des Jahrtausends hatte es im ländlichen Kreis Höxter die Initative gegeben, eine Rennstrecke zu errichten: der „Westfalenring“ nahe der Stadt Steinheim sollte sogar Formel-1-tauglich sein. Daraus wurde jedoch nichts. 2005 kam Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff, zu dessen Unternehmensgruppe vier Kliniken und ein Luxus-Hotel im Kurort Bad Driburg sowie die lokale Mineralwasser-Quelle gehören, eine ähnliche Idee, „der Sage nach“ während einer Radtour, die über den Bilster Berg zwischen Bad Driburg und Nieheim führte. Dort hatte die Britische Rheinarmee von den 70er Jahren bis 1993 ein Munitions-Depot betrieben, nach deren Abzug lag das Gelände mit Dutzenden Bunkern und vielen Kilometern Asphaltwegen brach.

BB-Media-2013-05-01Dem Hobby-Rennfahrer von Oeynhausen-Sierstorpff kam die Idee zu einer Rennstrecke, für die er in der Folge den Aachener Streckenplaner Hermann Tilke und Rallye-Weltmeister Walter Röhrl begeistern konnte. Für die organisatorische Seite wurde Hans-Jürgen von Glasenapp, ehemaliger Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH, ins Boot geholt. Dem Grafen schwebte nach eigenen Aussagen eine Mischung aus der Nürburgring-Nordschleife und dem klassischen britischen Kurs von Goodwood vor und auch beim Nutzungskonzept wandte man sich nach dem Westfalenring-Desaster von der Idee großer Motorsport-Veranstaltungen ab: „ine „Test- und Präsentationsstrecke“ war das Ziel und so wurde sie schließlich auch verwirklicht.

Das Planverfahren

Die Gestaltungsplanung durch das Büro Tilke stellt jedoch nur einen Teil der vorbereitenden Arbeiten dar. Die unverzichtbaren formellen Verfahrensschritte, d.h. die Erstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans sowie die Änderung des Regionalplans und des Bad Driburger Flächennutzungsplans, wurden vom Planungsbüro Drees & Huesmann aus Bielefeld-Sennestadt durchgeführt bzw. betreut. Dieser Prozess begann im Frühjahr 2006 (Antrag auf Änderung des Regionalplanes bei der Bezirksregierung Detmold) und zog sich bis zum Beschluss des Bebauungsplanes durch den Driburger Stadtrat über etwa zwei Jahre – ein kurzer Zeitraum für ein so großes Projekt. Der Umweltschutz war der Knackpunkt im Verfahren, sowohl bezüglich des Naturschutzes als auch des Schutzes der umliegenden Dörfer und Bauernhöfe vor Lärm bereitete war einzubeziehen.

Luftaufnahme Bilster Berg Drive ResortZwar war die Fläche schon vorher baulich genutzt worden, doch auch auf und um Brachflächen siedeln sich wieder Tiere an und auch streng geschützte Vogelarten wie der Rotmilan nisten im Bereich des Vorhabens. Eingriffe in den Naturhaushalt müssen ausgeglichen werden und so gehören zum Bilster-Berg-Projekt auch 110ha Ausgleichsfläche, 20 Galloway-Rinder, Teiche für Molche und Kröten, die sich in den Feuerlöschteichen des Munitionsdepots niedergelassen hatten, sowie Kästen für Vögel und Insekten. Das Glück der Projektentwickler ist es, dass die geschützten Vogelarten in die weitläufigen umliegenden Wälder ausweichen können und ihre Population so nicht bedroht ist.

Noch schwieriger gestaltete sich die Bewältigung der Lärm-Problematik, die sich über zahlreiche Gerichtsverhandlungen bis in den April 2013 hinzog, als das Verwaltungsgericht Minden die letzten Klagen abwies. Die Sorgen haben durchaus ihre Berechtigung, denn eine solche Strecke verursacht selbstverständlich viel Lärm in einer Region, die bisher vor allem auf Natur-Tourismus, Entspannungsurlauber und Kurgäste setzte. Auch eine der Kur-Kliniken aus der Unternehmensgruppe des Grafen liegt am Rande des durch die Strecke beeinträchtigten Bereichs. Auch, dass sich herausstellte, dass der Gutachter ein Freund und Motorsport-Mitstreiter des Grafen ist, hinterließ einen Beigeschmack und wurde von den Umweltschutzverbänden verständlicherweise kritisiert.

Die Schall-Emissionen gewerblicher Anlagen werden nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – kurz TA Lärm – beurteilt, die auch Maximalwerte für den Immissionsort, also die Wohnbebauung, vorgibt. Die nächste Ortschaft, Pömbsen, ist im Flächennutzungsplan größtenteils als Dorfgebiet dargestellt, der südliche Ortsrand ist in Bebauungsplänen als Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. In Dorfgebieten liegt der Immissions-Richtwert tagsüber mit 60 dB(A) um 5 dB(A) höher als in Allgemeinen Wohngebieten – beide Werte hält der Bilster Berg dem Gutachten nach mit prognostizierten 53 dB(A) ein. In Nieheim, der Stadt nordöstlich der Strecke, sind die am stärksten betroffenen Gebiete in Bebauungsplänen größtenteils als reine Wohngebiete ausgewiesen. Diese haben einen höheren Schutzanspruch, d.h. hier liegen die Grenzwerte noch einmal 5 dB(A) niedriger bei 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts. Diese Zahlen werden auch auf den Punkt eingehalten (nicht jedoch in den Ruhezeiten!). Wie die Betreiber das Problem der sonntäglichen Ruhezeit von 13 bis 15 Uhr berücksichtigen, in der die erlaubten Werte um 6 dB(A) sinken, ist mir unbekannt.

Die genannten Werte können überhaupt nur dadurch erreicht werden, dass an Normalbetriebstagen nur StVZO-konforme Fahrzeuge sowie Rennwagen der Klasse C (nach DMSB-Reglement) testen dürfen. Nur an Sonderbetriebstagen dürfen diese Werte überschritten und Rennfahrzeuge aller Art eingesetzt werden. Ursprünglich waren 27 dieser Sonderbetriebstage vorgesehen, für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurden diese zunächst auf 18, dann auf zehn reduziert und in der Betriebsgenehmigung wurde schließlich – zumindest vorläufig – ganz darauf verzichtet, um den Betriebsstart nicht weiter zu verzögern.

Zwar ist es traurig, dass auf dem Bilster Berg somit wohl keine nennenswerten Rennen ausgetragen werden werden, doch ohne diese Einschränkung wäre das Projekt wohl kaum wirtschaftlich tragfähig und auch nicht umsetzbar gewesen. Der durch Großveranstaltungen erzeugte Verkehr und der damit einhergehende zusätzliche Lärm, den hochklassige Rennserien verursachen, hätten das Projekt vermutlich zum Kippen gebracht. Und so gibt es am Bilster Berg auch keine Tribünen und auch die Boxengassen verfügen nicht über Rennstrecken-typischen Garagen; stattdessen können die renovierten Munitionsbunker von Firmen angemietet werden und die Auslastung scheint auch gut zu sein, u.a. Audi und Jaguar haben sich angemeldet. Die 34 Mio. Euro Investitionskosten wurden von privaten Investoren zusammengetragen.

Die Strecke

Die Strecke ist – soweit ich das nach meiner Begehung am Tag der offenen Tür beurteilen kann – wirklich gelungen. Sie zeigt, was Hermann Tilke leisten kann, wenn man ihm ein ordentliches Gelände zur Verfügung stellt und die Rennstrecke nicht den Anforderungen der Formel 1 entsprechen muss. Diese Freiheiten und die Zusammenarbeit mit Walter Röhrl haben sich in einem äußerst herausfordernden Kurs niedergeschlagen, der mich vor allem an den Barber Motorsports Park in Alabama, einen anderen sehr gelungenen modernen Kurs der „Neuzeit“, erinnert.

Die Kurven haben, wie es sich gehört, Namen: Es beginnt mit einer schon recht kräftig bergauf führenden Rechts namens „Kugelkopf“, die sich öffnet und in einen Linksbogen mündet. Stetig weiter bergan geht es durch das „Munitionsfeld“, eine schnelle Rechts-Links-Kombination, auf die eine kurze Gerade folgt. Hier zweigen die zwei Kurzabbindungen ab, mit denen sich die Strecke in Ost- und Westschleife teilen lässt. Über „Jägerbuche“, „Driburger Lichtung“ (hier fielen dem Bau die meisten Bäume zum Opfer) und „Hermannsschneise“ schlängelt sich die Strecke dem ersten Hochpunkt entgegen.

Sportwagen auf der StreckeAb hier geht es durch den „Telegraphenbogen“ kurz bergab mit einigen kleinen Kuppen und Senken, bevor die markanteste Passage der Strecke folgt, die „Mausefalle“: Mit bis zu 26% Gefälle geht es in einer langgezogenen Linkskurve den Berg hinab, durch die Senke hindurch, bevor sich die Kurve aufweitet und es dann mit bis zu 21% Steigung geradewegs auf den Himmel zugeht. Hinter der „Bilster Kuppe“, dem zweiten Hochpunkt, lauert ein schneller Rechtsbogen, auf den das „Clubhaus-S“ folgt, eine schnelle Links mit einer flüssigen Schikane im Anschluss, gebremst werden muss in der Kurve.

Ausgangs der Schikane gibt es bei gutem Wetter einen wunderschönen Panoramablick auf Ostwestfalen und das Weserbergland zu genießen, und ein wenig Zeit dafür könnte sich auf der längsten Gerade der Strecke sogar bieten. Diese – analog zur „Döttinger Höhe“ auf dem Nürburgring „Pömbser Höhe“ nach dem benachbarten Dorf genannt – führt leicht gewellt bergab und mündet in eine weite, langgezogene Bergab-Links. Die nennt sich „Mutkurve“ und genau das dürfte sie auch sein, wenn denn die optionale Schikane am Ende der Geraden weggelassen wird. Durch die „Nieheimer Senke“ schlängelt sich die Strecke weiter, schließlich auch noch ein letztes Mal bergauf, am „Hügelgrab“ (eigentlich Plural) vorbei zur „Oyenhausen-Kehre“, benannt nach dem Mann, dem beim Anblick der Fläche die Idee zu einer Rennstrecke kam.

Eine Onboard-Runde mit dem Black Falcon-Team sieht so aus:

Die zwei höchsten Punkte der Strecke liegen bei 328 bzw. 327m über NN, der niedrigste, die „Nieheimer Senke“, bei 264; das ergibt einen Höhenunterschied von 64 Metern. Laut Angaben der Betreiber ist der „Höhenunterschied pro Kilometer“ mit fast 200m auf 4,2km Streckenlänge größer als auf der Nordschleife. An deren Reiz kann eine moderne Anlage wie diese natürlich trotzdem nicht heranreichen, doch der Bilster Berg hat durch die Bunker-Landschaft und den Ausblick auf die Landschaft ein ganz eigenes Flair.

Die Eröffnung

Am Samstag, dem 01.06., wurde das Bilster Berg Drive Resort bei grau-feuchtem Wetter vor geladenen Gästen feierlich eröffnet. Deutlich besseres Wetter herrschte am Sonntag, an dem die Strecke der Öffentlichkeit zur Begehung zugänglich gemacht wurde. Erwartet wurden 20.000 bis 30.000 Besucher, nach Betreiber-Angaben sollen sogar es an die 40.000 gewesen sein. Der Sonnenschein und der gut funktionierende Shuttle-Bus-Service dürften dazu beigetragen haben, dass Menschen aller Generationen sich ein Bild von der Anlage machen wollten.

Fast 100 Fahrzeuge zur Aufstellung bei der JungfernfahrtNun wird der Bilster Berg also den Betrieb aufnehmen. Aus der Sicht des Motorsport-Fans beglückwünsche ich den Grafen von Oeynhausen-Sierstorpff dazu, dass er dieses Projekt tatsächlich bis zum Ende durchgezogen hat. Ich kann mir vorstellen, dass die Strecke eine signifikante Zahl an Besuchern in die Region ziehen und so dem Tourismus helfen wird (so denn nicht alle nur in den gräflichen Hotels übernachten!). Auf der anderen Seiten muss ich ein solches Projekt auch aus der Sicht des kritischen Planers begutachten und hoffe, dass die Umwelt-Konflikte tatsächlich hinreichend gelöst worden sind und der bislang kritische Teil der Bevölkerung seinen Frieden mit dem Projekt schließen kann.

Ob der Betreiber in Zukunft doch Sondernutzungstage für lautere Rennfahrzeuge beantragt, und auch, wie sich die Nutzung der Anlage entwickelt, bleibt abzuwarten…

Die Fotos im Text stammen von der Bilster Berg Drive Resort GmbH. Die folgenden Bilder habe ich am Tag der offenen Tür selbst gemacht.

Ein F1-Maserati aus den 50ern
Mercedes SLS
Der bei den 24h auf der Nordschleife siegreiche Black Falcon-SLS
Es war alles dabei, vom LMP1-Bentley...
...bis zum Formula Student-Boliden der Uni Paderborn.
Die Zufahrt auf die erste Kurve, Boxengassen auf beiden Seiten
Ausgangs "Kugelkopf"...
...geht es stetig bergan.
Am höchsten Punkt der Strecke
Eine der vielen Kuppen, diese folgt auf den "Telegrafenbogen"
Die Anfahrt zur "Mausefalle"
Über diese Kuppe geht es steil hinab.
Die "Mausefalle"
26% Gefälle
Der Blick zurück.
Die folgende Steigung
Der Ausblick vom zweiten Hochpunkt der Strecke
Panorama-Blick mit dem knapp 500m hohen Köterberg direkt voraus
Galloway-Rinder und Windräder an der "Pömbser Höhe"
Wunderschön eingebettet in die Natur...
Die schnelle Bergab-Links-"Mutkurve" am Ende der Geraden
Der Blick von der "Mutkurve" auf die "Nieheimer Senke" und die Zielkurve
Zurück auf Start/Ziel
"Mutkurve" und "Nieheimer Senke" von der "Oeynhausen-Kehre" aus

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4 Kommentare

CMP 4 Juni, 2013 - 13:48

Schöner Artikel für meine neue, heimische Rennstrecke, danke schön. :)

Erik 4 Juni, 2013 - 19:31

Tolle Strecke und noch tollerer Bericht dazu.

Die Strecke würde doch ideal in den BTCC Kalender passen. :)

SebastianFocks 5 Juni, 2013 - 14:10

@ Erik:
Als BTCC-Botschafter des Blogs sag ich dazu mal: Oh ja!!! Hat nicht nur was von Barber und Nordschleife sondern wirkt stellenweise auch wie eine verlängerte Version von Knockhill :D
Sehr schöne Strecke und sehr schöner Bericht darüber. Danke Stefan!

DonDahlmann 15 Juni, 2013 - 23:13

Ich bin die Strecke gestern in einem AMG A45 gefahren und muss sagen „Wow!“. Die Strecke hat wirklich alles, was man erwartet. Schnelle Passagen, schöne, enge Ecken und dann die „Mausefalle“. Die Passage ist wirklich sehr bemerkenswert und verlangt einiges an Mut. Auch die folgende Steigung hat zwei hefigte Kompressionen, die das Auto sehr unruhig machen und ein Fahrwerk testen.
Die „Mutkurve“ macht Spaß, allerdings sollte man den Eingang wirklich genau treffen, was nicht leicht ist, weil sie halt blind angefahren wird. Wer die Gelegenheit hat, mal eine Runde zu drehen, sollte das machen. Allerdings wirklich vorsichtig fahren, die Auslaufzonen sind teilweise nicht vorhanden. ;)

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