Home Formel EinsF1 Formel Eins: Mercedes und Pirelli mit illegalem Reifentest?

Formel Eins: Mercedes und Pirelli mit illegalem Reifentest?

von DonDahlmann
5 Kommentare

Angeblich soll Mercedes zusammen mit Pirelli in Barcelona einen illegalen Reifentest durchgeführt haben. Doch so klar ist die Sachlage nicht.

Spanish Grand Prix - FridayEine „Sauerei“ sei das gewesen, hörte man aus dem Red-Bull-Lager. Etwas förmlicher gab man sich bei Ferrari, wo Stefano Domenicali sagte, dass man „irritiert“ sei und die FIA um eine Klärung der Regeln für Tests außerhalb der verabredeten Testzeiten gebeten habe. In der Formel Eins ist oft nicht alles so, wie es scheint, und es hilft, wenn man die Sache s nüchtern zu betrachten versucht. Hier also unser Versuch, die Sachlage so neutral wie möglich zu schildern.

1. Was ist passiert?
Nach dem Rennen in Barcelona ist Mercedes mit dem gesamten Team drei Tage länger geblieben und hat Reifentests für Pirelli durchgeführt. Als Einsatzwagen wurde das aktuelle Chassis gewählt, die Fahrer waren Rosberg und Hamilton.

2. Wie sind die Regeln für solche Tests?
Die FIA hat Pirelli jedes Jahr einen Test mit einer Länge von 1000 Kilometern mit einem aktuellen Team aus dem Formel-Eins-Kader gestattet. Ferrari hat vor zwei Jahren einen solchen Test für Pirelli ausgeführt, dabei aber ein zwei Jahre altes Chassis genutzt. Pirelli steht es frei, Teams für einen solchen Test anzufragen.

3. Wenn die FIA es genehmigt, warum dann die Aufregung?
Der Protest und der Ärger von Red Bull und Ferrari (und nur diese Teams haben offiziell Protest eingelegt) rührt daher, dass Mercedes ein aktuelles Chassis bei den Tests genutzt hat. Das ist normalerweise nicht erlaubt. Man vermutet, dass sich das Team damit einen nicht genehmigten Vorteil verschafft hat. Es geht nicht um den Test, sondern darum, dass es mit einem aktuellen Chassis durchgeführt wurde.

4. Was genau hat Pirelli denn da getestet?
Laut dem Motorsport-Chef von Pirelli, Paul Hembery, hat man ausschließlich 35 verschiedene Mischungen getestet, die man 2014 eventuell einsetzen will. Die Reifen haben keinerlei Kennzeichnung gehabt, es sei Mercedes nicht möglich gewesen zu verstehen, welche Mischungen in die engere Wahl für 2014 kommen und welche nicht. Reifen und Mischungen, die eventuell für dieses Jahr in Frage kommen, seien nicht getestet worden. Für Mercedes haben das sowohl Toto Wolff als auch Ross Brawn bestätigt.

5. Warum regen sich die anderen Teams dann auf?
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist man verstimmt, dass Mercedes, selbst wenn sie keinen Vorteil aus dem Reifentest ziehen, immerhin 1000 km Testzeit mit dem aktuellen Chassis bekommen haben. Zweitens behaupten Red Bull und Ferrari, dass Pirelli sie nicht offiziell um eine Teilnahme gebeten habe. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Mercedes für 2014 durchaus einen Vorteil gewonnen haben könnte. Zwar bekommt man die Daten von Pirelli nicht in die Hand, aber man hat ja eigene Daten gesammelt. Selbst wenn die getesteten Mischungen in dieser Form 2014 nicht zum Einsatz kommen, hat Mercedes Daten, die man eventuell gewinnbringend umsetzen kann.

6. Was sagen Mercedes und Pirelli zu dem Vorwurf?
Beide behaupten, a) dass Pirelli auch andere Teams gefragt habe und man b) die Freigabe der FIA für den Test mit einem aktuellen Chassis hatte. Es gibt keinerlei definitive Aussage der anderen Teams, ob und wann sie gefragt wurden. Ob die Anfragen schriftlich erfolgt ist, weiß man auch nicht. Mercedes sagt, dass die Anfrage neun Tage vor dem GP von Spanien gekommen sei und man erst zugesagt habe, nachdem die FIA ihr OK gegeben habe. Die Tests seien nicht „geheim“ gewesen, wie Red Bull behauptet. Immerhin seien die Trucks des Teams nach dem Rennen ja nicht wie alle andere abgereist, auch habe man nicht die Boxenanlage abgebaut. Es konnten also alle sehen, dass die Mercedes und Pirelli-Trucks da geblieben seien.

7. Wenn die FIA ihr OK gegeben hat, warum dann der ganze Stress?
Die FIA sagte am Sonntagabend, dass man zwar damit einverstanden gewesen sei, dass ein Team mit Pirelli und einem 2013er-Chassis testet, aber nur unter der Bedingung, dass alle anderen Teams einen solchen Test bekommen. Zudem sagen Ferrari/Red Bull, dass für den Einsatz des aktuellen Chassis die Zustimmung aller Teams nötig gewesen wäre. Man kann getrost davon ausgehen, dass weder Red Bull noch Ferrari nach dem Debakel von Mercedes in Spanien das deutsche Team mit einem aktuellen Chassis hätte testen lassen. Man weiß, dass Mercedes im Moment wohl das schnellste Auto hat, aber halt mit den Reifen nicht klarkommt. Logischerweise will man Mercedes keinen Vorteil schenken. Pirelli und Mercedes sagen, dass auch andere Teams angefragt worden seien, aber niemand außer Mercedes habe sich bereit erklärt.

8. Die FIA sagt also etwas anderes, als Mercedes und Pirelli?
Das scheint so zu sein. Die FIA hat in ihrem Statement durchblicken lassen, dass man keine Ahnung davon hatte, ob die anderen Teams zugestimmt haben oder nicht. Mercedes wiederum hat zwischen den Zeilen durchblicken lassen, dass man über Pirelli nur angefragt worden sei und man über Charlie Whiting ein „OK“ bekommen habe. Ob Mercedes selber die FIA oder einen ihrer Vertreter gefragt hat oder ob das alles über Pirelli gelaufen ist, bleibt unklar. Man darf durchaus die Frage stellen, was die FIA da macht. Einerseits wusste man vom Test und der Anfrage von Pirelli, auf der anderen Seite gibt man vor, dass man sich um das ganze Prozedere um den Test nicht gekümmert hat. Die FIA ist die oberste Sportbehörde, man hat die Macht Dinge einzufordern. Zum Beispiel, ob nach einer Anfrage auch alle Teams zugestimmt haben. Die Möglichkeit besteht, dass Red Bull und Ferrari zwar inoffiziell (nicht schriftlich) für den Test angefragt wurden, nun aber behaupten, dass es diese Anfrage nie gab. Angeblich will Pirelli mit anderen Teams einen ähnlichen Tests durchführen und hat dies auch angekündigt.

9. Was passiert, wenn der Test illegal war?
Schwer zu sagen. Mercedes könnte bestraft werden. Möglich wären: eine Geldstrafe und/oder Punktabzug in der Konstrukteurs-WM. Auch ein Anschluss aus der WM ist theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich.

10. Welche Konsequenzen könnte es für Pirelli haben?
Das ist ebenfalls schwer zu sagen. Und man muss dafür ein wenig in die Politik schauen. Der Vertrag der FIA mit Pirelli läuft Ende des Jahres aus. Bisher gibt es keinen neuen Vertrag für 2014. Pirelli und auch verschiedene Teams wie McLaren haben schon angemahnt, dass man für die Saison 2014 Sicherheit benötigt. Pirelli, weil man gerne wissen möchte, ob man 2014 ein Budget für die F1 einplanen soll, die Teams, weil sie gerne wissen wollen, für welche Reifen man das 2014er-Chassis konstruieren muss. Die Tatsache, dass Pirelli gerne weitermachen möchte, die FIA sich aber, zumindest von außen betrachtet, ziert, kann darauf hindeuten, dass die FIA für 2014 einen anderen Reifenhersteller im Auge hat. Wenn man auf Verschwörungstheorien steht, dann könnte man argumentieren, dass FIA Pirelli in eine Falle gelockt hat. Erst sagt man „Mach mal“, dann sagt man „Mooooment, das war so gemeint, dass alle anderen Teams zustimmen müssen.“

Und jetzt?
Dass Ganze geht vor ein Schiedsgericht der FIA. Red Bull und Ferrari haben in Monaco offiziell Protest gegen den Test eingelegt. Die Rennkommissare haben die Sache an die FIA weiter gereicht, die jetzt entscheiden muss.

Fazit
Die ganze Sache ist sehr undurchsichtig. Um es klar zu sagen: Ich glaube nicht, dass Mercedes sich bewusst einen Vorteil verschaffen wollte. Der Grund ist ganz einfach: Mercedes hat einen Ruf zu verlieren. Als Marke steht man schlecht da, wenn man sich illegal einen Vorteil verschaffen würde. Der Imageschaden, dass Mercedes zu den „Losern“ gehört, die sich auf anderem Weg einen Vorteil verschaffen wollen, würde das Ansehen des Herstellers international gefährden. Ich traue Mercedes, Ross Brawn, Toto Wolff und Niki Lauda eine bewusst illegale Handlung nicht zu. Ja, man hat durch den Test des aktuellen Chassis einen Vorteil bekommen, aber nicht wegen der Reifen, sondern weil man nebenbei auch für drei Renndistanzen die Aerodynamik testen konnte. 1000 km entsprechen ungefähr zwei Testtagen. Ein illegaler Test wäre für Mercedes aber nicht in Frage gekommen.

Was die Sache etwas schwierig macht, ist die Situation zwischen Pirelli, den Teams und der FIA. Die Italiener haben in den letzten Wochen zwischen den Zeilen schon mehrfach angedeutet, dass man sich aus der F1 zurückziehen könnte. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen hat die FIA Pirelli gebeten, die Reifen für 2013 so zu konstruieren, dass sie nur 20 bis 30 Runden durchhalten. Pirelli hat dem entsprochen, aber immer darauf hingewiesen, dass man für eine bessere Entwicklung ein aktuelles Chassis benötigt. Zurzeit testet man mit einem 2010er-Wagen von Lotus/Renault. Hier liegt der zweite Grund: Die Aerodynamik und die Aufhängungsgeometrie (Pushrod vs. Pullrod) hat sich aber massiv geändert. Die Probleme in diesem Jahr führt Pirelli genau auf diesem Umstand zurück. Weder die Teams noch die FIA haben Pirelli aber die Freigabe erteilt, dass sie zum Beispiel ein HRT-Chassis hätten kaufen können.

Es gibt Gerüchte, dass die FIA einem anderen Reifenhersteller in der F1 haben will. Die Frage ist, wer das sein könnte. Michelin hat angeblich schon abgewunken. Zum einen ist man massiv in der WEC involviert, zum anderen hat man das eigene Engagement in der F1 noch im Hinterkopf. Dazu kommt, dass Michelin finanziell unter Druck steht. Ausschließen kann man neben Michelin wohl auch Goodyear, Bridgestone, Continental und Dunlop, die alle (offiziell) nicht wollen. Eine Möglichkeit, die durchs Fahrerlager geistert, sind zwei asiatische Hersteller. Ein anderes Gerücht besagt, dass die FIA wieder mehr als einen Reifenhersteller in der F1 haben will, Pirelli sich aber dagegen sperrt. Die FIA sei an mehr Konkurrenz interessiert, Pirelli will das aufgrund der Vorgaben der FIA aber nicht.

Kurz gesagt: Die Sache ist weitaus undurchsichtiger, als es auf den ersten Blick den Eindruck macht. Wie üblich ist es eine Melange aus Politik der FIA und den Animositäten zwischen den Teams. Wie es nun wirklich zu dem Test gekommen ist, bleibt zumindest im Moment völlig unklar. Wenn Mercedes und Pirelli schriftlich belegen können, dass es Absagen von Red Bull und/oder Ferrari gegeben hat, ist es was anderes. Aber ich glaube kaum, dass es von beiden Teams diesbezüglich etwas Schriftliches gibt.

Am Ende zeigt die Formel Eins mal wieder ihr hässliches Gesicht, das niemand versteht. Es geht im Grunde nicht um den Test, sondern darum, dass die F1 ein komplett zerstrittener Haufen ist. Es gibt keinen Vertrag für Pirelli, es gibt kein Concorde-Abkommen, die Regeln für nächstes Jahr sind bei weitem noch nicht festgezurrt, schon gar nicht in Sachen Hybrid-Antrieb.

Eine Lösung wäre, einen dreitägigen Testtag nach dem Rennen Silverstone einzurichten, an dem alle Teams außer Mercedes exakt die Mischungen testen können, die die Deutschen in Spanien getestet haben. Aber das wäre vermutlich mal wieder eine Lösung, die zu einfach ist.

Das könnte Dir auch gefallen

5 Kommentare

Art Vandelay 27 Mai, 2013 - 12:56

Ist es denn wirklich so sicher, dass bei diesem Test keine Reifen zum Einsatz gekommen sind, die möglicherweise noch 2013 eingesetzt werden? Nach der Aussage von Paul Hembery im Interview mit Adam Cooper bin ich mir da nicht so sicher:

Q: But it did involve the Canadian GP tyres?

“It involved all sorts of tyres.”

Q: But it did involve tyre that you might be running in Canada?

“It involved all sorts of tyres… Let’s turn it round the other way. What do you expect us to do? The rules are very clear, it’s existed in the FIA contracts for years, and we just used it. We’ve got nothing else to add.”

http://adamcooperf1.com/2013/05/26/paul-hembery-qa-pirellis-view-on-the-secret-mercedes-test-controversy/

Athloni 27 Mai, 2013 - 13:47

Wieso wurde dieser Vorgang erst nach 2 Wochen öffentlich?

Max 27 Mai, 2013 - 15:21

Bild.de zitiert Niki Lauda mit der Aussage, Mercedes habe beim Testangebot von Pirelli einfach schneller zugeschlagen und so den zusätzlichen Test ‚ergattert‘:

//*
Jetzt wehrt sich Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda, sagt zu BILD.de: „Red Bull wurde gefragt, Mercedes wurde gefragt. Wir waren einfach die schnelleren mit der Entscheidung das Testangebot anzunehmen, Red Bull hat den Test schlicht und ergreifend verschlafen. Das sind jetzt schlechte Verlierer, weil sie nicht rechtzeitig reagiert haben!“

Mercedes ist sich keiner Schuld bewusst. Von wegen Geheimtest! Lauda: „Mercedes hat alles richtig gemacht. Wir haben uns bei der Fia vorher rechtlich abgesichert, sind alle Regularien durchgegangen, um zu klären ob wir diesen Test machen können. Mehr kannst du als Team nicht machen.“

Lauda glaubt nicht, dass der Protest von Red Bull und Ferrari Konsequenzen für Mercedes haben wird. Lauda: „Ich habe im Flugzeug auf dem nach Hause eine Wette mit dem Helmut Marko (Motorsportboss von Red Bull) gemacht. 50 Euro, dass es keine Konsequenzen für Mercedes geben wird.“
*//
http://www.bild.de/sport/motorsport/niki-lauda/schlaegt-im-reifenkrieg-zurueck-30575576.bild.html

batis 27 Mai, 2013 - 17:55

Also irgendwas ist da doch im Busch. Egal, wie das ausgeht und was nun rechtens war oder nicht, hier gibt es anscheinend mal wieder ein übelstes Kräftemessen im Hintergrund.
FIA gegen FOM, Bernie gegen Todt, FOTA gegen Non-FOTA, Pirelli gegen Michelin, Alle gegen Alle, was auch immer.
Ich glaube das wird ne harte Zerreißprobe. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn da nicht bald grundlegend was passiert, dann geht das IMHO nicht mehr lange gut.
Und ehrlich je mehr man sich mit der Formel1 beschäftigt, umso weniger Lust bekommt man drauf. Mir vergeht sie immer mehr….

blafasel 28 Mai, 2013 - 20:45

Dr. Marko hat gestern im Talk auf Servus gesagt, RedBull sei auch gefragt worden, habe aber nach einem Blick ins Reglement (Testverbot) abgelehnt.
Und darauf hingewiesen, daß man am Flankenwinkel(?) der Reifen schon sieht, um welche Saison es sich handelt, auch wenn nur eine Nummer drauf steht.

Comments are closed.