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IndyCar: Saisonrückblick 2011

von Vorsicht
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Das „Gap Year“ vor Eintreffen des neuen Autos nahm im Oktober ein tragisches Ende. Bis zum Saisonstart muss die IndyCar nun einige Probleme überwinden.

Randy Bernards erstes „richtiges“ Jahr an der Spitze der IndyCar Series ist zu Ende. Vor dem furchtbaren Finale in Las Vegas war 2011 vor allem eine Saison der Experimente. Die neue Chefetage kramte allerhand neue, alte und sehr alte Ideen aus dem Köcher, die man vor dem großen Neustart 2012 ausprobieren wollte. Das Fazit zu Double-File Restarts, Twin-Races und Las Vegas World Championships fällt auch abseits der Tragödie etwas mager aus. Immerhin haben sich die TV-Quoten, wenn auch auf niedrigem Niveau, ein wenig stabilisiert. Wohl auch deswegen, weil im Schatten der teils fehlgeleiteten Showelemente auch heuer wieder einige spannende Rennen und überraschende Sieger geboten wurden. Die Pläne für das kommenden Jahr wurden von den Ereignissen in Las Vegas noch einmal durcheinandergewürfelt – bis heute gibt es etwa keinen vollständigen Kalender für 2012. Auch das neue Auto macht noch einige Probleme. Doch zumindest das könnte sich als Glück im Unglück erweisen – durch die vielen Änderungen könnte die gewohnte Hackordnung nämlich endlich aus den Fugen zu geraten.

Die war im vergangenen Jahr nämlich ohne Überraschungen. Am Ende stand meist ein Pilot des Ganassi Premiumteams oder ein Penske-Fahrer im Winner’s Circle. Immerhin gab es die eine oder andere Ausnahme: Mike Conways Überraschungstriumpf in Long Beach, Marco Andrettis souveräne Siegfahrt in Iowa und Ed Carpenters lang verdienter Premierenerfolg in Kentucky. Und natürlich die chaotische letzte Kurve beim Indy 500, in der JR Hildebrand die Chance verspielte, als Rookie das prestigeträchtigste Rennen des Jahres zu gewinnen – und Dan Wheldon seinen, grade in der Nachbetrachtung, erinnerungswürdigsten Sieg einfuhr.

Diese vereinzelten Erfolge können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die kleineren Teams der Spitze auch 2011 nicht näher gekommen sind. Andretti Autosport dümpelt weiterhin im Mittelfeld dahin, und ist ein Schatten seiner früheren Größe. KV verbrachte auch die vergangene Saison wieder am Sprung an die Spitze – erreichte diese aber nie, und war gegen Ende wieder im Rückwärtsgang begriffen. Am ehesten hätte man, auch dank einer starken Pilotenpaarung, Newman/Haas zugetraut, vielleicht irgendwann aus eigener Kraft den Anschluss zu schaffen – leider ging dem Team nach Saisonende das Geld aus, im kommenden Jahr ist man nicht mehr in der IndyCar Series dabei.

Es hat sich aber auch wieder gezeigt, dass bei den beiden „Todesstern“-Teams nicht nur die Technik-Mischung stimmt – es sind dort auch die besten Piloten unterwegs. Ob man die meist etwas zurückhaltende und defensive Fahrweise von Dario Franchitti und Scott Dixon nun schätzt, oder nicht: Dass die beiden Piloten wohl die konstantesten Punkte- und Podienlieferanten der vergangenen Jahre sind, bleibt unbestritten. Auch Will Power hat, trotz manchem Durchhänger, wieder eindrucksvoll bewiesen, dass jedenfalls auf den Rundkursen mit ihm zu rechnen ist. Sein Sieg beim zweiten Twin-Rennen in Texas zeigt, dass er auch auf den Ovalen immer besser zurecht kommt. Auch Ryan Briscoe und Helio Castroneves waren wieder anständig unterwegs. Dafür, dass die in einem der beiden Top-Teams fuhren, hätten sie aber gelegentlich auch etwas mehr zeigen können.

Wer sonst noch überzeugen konnte: Tony Kanaan, der nach seinem Ende bei Andretti erst in letzter Minute den Deal mit KV Racing vereinbaren konnte – und im wohl deutlich schwächeren Wagen mehrere Male sein Talent aufblitzen ließ. Außerdem die beiden Newman/Haas-Fahrer: Oriol Servia gilt schon lange als ein Pilot der gutes Cockpit verdient hätte – zumal der Katalane nicht nur die Qualitäten eines europäischen Rundkurs-Spezialisten mitnimmt, sondern auch auf den Ovalen mithalten kann. In Loudon hätte es – ohne die diskutable Entscheidung der Rennleitung – fast zum Sieg gereicht. Dass aber auch Rookie James Hinchcliffe so gut mithalten konnte, war schon eher eine Überraschung. Der Kanadier war in seinen Jahren in ChampCar und Indy-Juniorformeln meist eher durch seine Fähigkeiten hinter dem Mikrofon aufgefallen, als durch jene hinter dem Lenkrad.

Mehr zu erwarten war dagegen von den beiden Piloten des Ganassi-Juniorteams. Charlie Kimball und insbesondere Graham Rahal konnten in der vergangenen Saison nicht die erhofften Erfolge zeigen. Rahals mehrfach geäußerte Kritik, er bekomme nicht das gleiche Material, wie die beiden Piloten des „großen“ Teams, mag zwar begründet sein – mehr als Plätze im hinteren Mittelfeld wären aber dennoch gefordert.

Auch das Gesamtpaket „IndyCar Series“ zeigte sich trotz zahlreicher Änderungen 2011 weiter verbesserungsfähig. Regelbuch-Experimente wie die Double File Restarts bleiben in zwiespältiger Erinnerung. Vor allem aber die Entscheidungen der Rennleitung sorgten immer wieder für größere Diskussionen. Randy Bernard hat nun reagiert, und Brian Barnhard vom Posten des Rennleiters entfernt. Er kommt mit diesem Schritt den Wünschen zahlreicher Fans nach, die in Barnhard Tätigkeit schon länger die Wurzel allen Indy-Übels vermuten. 2012 wird sich zeigen, ob dieser Schritt den gewünschten Erfolg bringt.

Barnhards Abschied ist konsequent und vermutlich alternativlos. Er hat sich in langen Jahren in seiner Funktion gewiss einige Fehler erlaubt. Die Kritik war aber auch eine Art selbsterfüllender Prophezeiung: Zuletzt spürte man Barnards wachsende Verunsicherung bei der Beurteilung von Rennsituationen – Super-GAU war sicherlich die völlig fehlgeleitete Entscheidung, das Ovalrennen in Loudon trotz einsetzendem Regen neu zu starten. Damit ging auch der letzte Respekt der Fahrer und Teams verloren, die nun auch bei korrekten Strafen die Möglichkeit erkannten, sich durch Kritik an der Rennleitung ins Recht zu setzen.

Dass die Probleme nicht an Barnhard allein lagen hat auch die INDYCAR erkannt. Die zahlreichen Unklarheiten im Reglement will man daher nun beseitigen. Über den Winter wird an einem neuen Regelbuch gearbeitet, dass eindeutiger formuliert und erstmals auch öffentlich zugänglich sein soll. Ein längst überfälliger Schritt, der den kommenden Rennleiter – er immer es auch sein wird – sicherlich manche Probleme erspart, mit denen Barnhard zu kämpfen hatte. Es ist aber auch zu hoffen, dass es sich dabei um eine starke Persönlichkeit handelt, die Randy Bernards Hang zur Show im Namen von Sport und Sicherheit entgegentreten kann.

Hindernis zum medialen Erfolg waren auch 2011 kleine Quoten und mangelhafte Besucherzahlen an den Strecken. Die Übertragungen auf Versus boten zwar lange Sendezeiten und mit Herzblut gestaltete Beiträge – trotz leichtem Anstieg konnte die Serie aber auch 2011 dort keine großen Quoten erreichen. Auch beim Kommentatorenteam gibt es dort – bei aller Sympathie – noch ein wenig Aufholbedarf. Denn mit manch unklarer Situation war man doch etwas arg überfordert.

Deutlich verbessert zeigte sich dagegen, gerade gegen Ende der Saison, die Coverage bei ESPN/ABC. Beim Regenchaos in Loudon sparte man nicht mit Kritik an der Serie, ließ aber alle Seiten, inklusive Brain Barnhard live zu Wort kommen. Unter denkbar tragischen Umständen lief man schließlich in Las Vegas zu journalistischer Hochform auf. Die Berichterstattung war professionell und angemessen, Marty Reids „Goodbye“ an Dan Wheldon traf den richtigen Ton, und wird den meisten Zusehern wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

Durch Wheldons Unfall wurden auch die Weichen für 2012 noch einmal neu gestellt. Die bereits vereinbaren Rennen in Las Vegas und Texas wurden hinterfragt (und, wie man hört, wohl beide abgesagt). Das Auto sollte auf Ovalen nun möglichst das Pack-Racing, also das knappe Neben- und Hintereinanderfahren von Rennautokolonnen, vermeiden.

„Dank“ Dallara sind dafür aber nun keine großen Änderungen dafür nötig. Der Chassis-Lieferant hat sich offenbar sowohl bei der Gewichtsbalance als auch bei der Aerodynamik ein wenig vergriffen – der neue Wagen ist auf den Ovalen schwer zu kontrollieren und bisher auch langsamer als der Vorgänger. Sollte dieses Fahrverhalten zu führen, dass die Piloten nun häufiger von Gas gehen müssen, wäre zumindest das Pack-Racing-Problem behoben. Etwas besser fahrbar müsste das Auto allerdings doch noch werden. Derzeit zeigt es noch eine etwas unberechenbare Mischung auf Übersteuern am Kurveneingang und Untersteuern am Ausgang, die wohl zu einer Zunahme an Unfällen führen würde. Was auch nicht im Sinne der Sicherheit sein kann.

Es könnte aber sein, dass das Oval-Fahrverhalten im kommenden Jahr ohnehin keine große Rolle spielt. Aktueller Wasserstand im Kalender-Chaos ist, dass es abseits des Indy 500 nur zwei weitere Ovale geben könnte. Iowa und Fontana stehen wohl außer Streit, die Verhandlungen mit Texas scheinen aber am Rande des Scheiterns zu stehen. Fast täglich kündigen die IndyCar-Verantwortlichen in den vergangenen Wochen die Veröffentlichung eines „offiziellen Kalenders“ an – bekannt geworden ist bisher aber nur ein provisorischer Entwurf. Dieser enthält noch das Rennen in Texas, bietet sonst aber keine Überraschungen. Derzeitige Gerüchte sprechen davon, dass ein weiterer Lauf im US-Ausland dazukommen könnte. Interessantes Detail: Randy Bernard war am Wochenende in Brasilien.

Abseits der Probleme gibt es aber durchaus auch Grund zu Hoffnung: Die Teams haben die ersten Dallara-Chassis erhalten. Die Aufmerksamkeit für die IndyCar Series ist 2011 (schon vor dem Rennen in Las Vegas) wieder etwas angestiegen – einige Nachrichtenagenturen und größere Zeitungen berichteten wieder über die Rennen der Serie. Mit Honda, Chevrolet und Lotus sind nun mehrere Hersteller in der IndyCar Series aktiv. Das Rennen in Detroit findet 2012 wieder statt, außerdem besucht die Serie mit dem Premierenlauf in Tsingtao erstmals China – das mag zwar die meisten Fans nicht besonders faszinieren, international tätige Sponsoren und die drei Hersteller aber umso mehr. Einige Teams stehen nun wieder auf solideren Beinen: Sarah Fisher Racing hat mit dem Öl-Mann Wink Hartmann einen offenbar potenten neuen Unterstützer gefunden. Rahal/Letterman wird wieder eine ganze Saison bestreiten – man plant sogar mit zwei Autos. Und Vision Racing wird unter dem Namen „Ed Carpeter Racing“ und unter Leitung von Derek Walker neu auf die Beine gestellt.

Zweifellos bleibt viel zu tun – ganz besonders nach den Ereignissen von Las Vegas. Auch manche Showelemente, mit denen man 2011 experimentiert hat, sind gescheitert. Unter der problematischen Oberfläche steht die IndyCar Series aber deutlich besser da, als noch vor einem Jahr. Wenn man die Probleme mit dem neuen Auto lösen kann, und es schafft, einen tragfähigen Kalender auf die Beine zu stellen, kann die Serie aber erstmals seit langem wieder mit etwas Optimismus in die Zukunft blicken.

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