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NASCAR: Analyse Texas November 2011

von KristianStooss
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Tony Stewart schlug den Fords ausgerechnet auf „ihrer“ Strecke ein Schnippchen und holte sich Chase-Sieg #4 in bisher acht Rennen. Drei Piloten von Roush-Fenway Racing in den Top5 unterstrichen jedoch, dass der Erfolg von Smoke nicht leicht verdient war. Die größte Story des Wochenendes lieferte allerdings Kyle Busch schon am Freitag!

Wenn man von acht Chase-Rennen die Hälfte gewinnt, dann hieß man bis vor kurzem noch Jimmie Johnson. Neuerdings hört man auf den Namen Tony Stewart und macht damit die aktuelle Meisterschaft spannender als jemals zuvor. Das mag zwar auch mit daran liegen, dass Johnson mittlerweile keine realistische Chance mehr auf den Titel hat, doch im Grunde genommen ist die Rechnung hinter der Rechnung simpel: Drei winzige Punkte trennen Stewart jetzt von Carl Edwards, dem Führenden in der Meisterschaft. Diese drei Zähler sind exakt der Abstand, welchen Edwards für seinen einzigen Regular-Season-Sieg in Las Vegas als Bonus für die Playoff gutgeschrieben bekam, während Smoke ohne Hilfe in den Chase startete. Damit sind wir jetzt nach acht Rennen also quasi wieder ganz am Anfang…

Klar sind die drei Punkte Unterschied immer noch da, doch wenn Tony Stewart weiterhin so entfesselt fährt, wie in den ersten beiden und den letzten zwei Wochen der Playoffs, dann kann Carl Edwards sich direkt wieder vom schon recht sichergeglaubten Titel verabschieden. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Stewart sich ausgerechnet auf der Ford-Domäne, dem 1,5-Meilen-Intermediate-Oval in Texas, seinen vierten Saisonsieg in den letzten acht Rennen holt. Zunächst sah es ja auch gar nicht danach aus, denn die langwierige Anfangsphase komplett ohne Caution bestimmte Matt Kenseth, gefolgt von seinen Teamkollegen bei Roush-Fenway Racing.

Greg Biffle startete zwar von der Pole-Position, musste aber schon nach 24 Runden für Kenseth Platz machen, welcher in der Folge eine Führung von über vier Sekunden auf Carl Edwards herausfahren konnte. Zwei Green-Flag-Pitstops trugen den fehlenden Gelbphasen Rechnung, doch am Geschehen änderte sich nichts. Eine Debris-Caution musste her und sie kam nach EXAKT einem Drittel des Rennens dann auch. Ich will ja nichts sagen, aber wenn Lotto ähnlich vorhersehbar wie die Cautions wegen Trümmerteilen nach längeren Grünphasen wäre, liefen in diesem Land schon eine Menge Millionäre mehr herum.

An diesem Punkt übernahm dann Tony Stewart das Ruder, der Dank seiner schnellen Boxencrew an Carl Edwards vorbeikam und direkt neben Matt Kenseth den Restart angehen konnte. Der verrauchte Vorsprung von Kenseth nahm ihm völlig sein Momentum und Smoke ließ ihn schon nach einer Runde stehen. Seine Führung verteidigte Stewart Boxenstopp-bereinigt bis ins letzte Drittel des Rennens. In der vierten von nur fünf Gelbphasen an diesem Nachmittag entschieden sich sowohl Stewart als auch Edwards für nur zwei neue Reifen, wobei die Ford-Crew der #99 jedoch schneller arbeitete und ihren Fahrer in Führung brachte.

Beim ersten Restart konnte Edwards seine Führung noch gegen Smoke verteidigen, doch schon drei Runden später gab es die letzte Caution des Tages – erneut wegen Debris. Den letzten Neustart gewann dann wiederum Tony Stewart, welcher recht schnell den Abstand auf mehr als eine Sekunde vergrößerte und dem texanischen Sonnenuntergang entgegen ritt.

Eine letzte Serie Boxenstopps unter grüner Flagge stand noch an, wobei sich acht Fahrer auf einen kleinen Benzinpoker einließen, weil sie wohl nichts mehr zu verlieren hatten. Unter anderen blieben Jeff Burton und Ryan Newman draußen, welche sich in der Folge heftig um die Spitzenposition duellierten. Es kam wie es kommen musste und der letzte Mohikaner Burton rollte gut fünf Runden vor Schluss mit trockenem Tank aus. Da Tony Stewart unterwegs nichts von seinem Vorsprung auf Carl Edwards eingebüßt hatte, musste er den Abstand nur noch bis ins Ziel verwalten und schlug mit seinem Sieg der gesamten Ford-Truppe ein großes Schnippchen.

Dass der Erfolg am Sonntag eigentlich nur über ihr rostiges Autowrack gehen sollte, unterstrich die Truppe mit dem blauen Oval schon früh im Rennen. Zu einem Zeitpunkt belegte Roush-Fenway Racing sogar geschlossen die Ränge 1-4. Aber auch die Markenkollegen bei Richard Petty Motorsports waren in Texas mit allen Wassern gewaschen und brachten Marcos Ambrose sowie AJ Allmendinger im Rennverlauf immer mal wieder recht weit nach vorne. Ambrose forderte Stewart zeitweise sogar um die Führung heraus, was man so auch selten vom Australier sieht.

Am Ende konnte Carl Edwards wenigstens den zweiten Rang retten und auch seine beiden Teamkollegen Matt Kenseth (4.) und Greg Biffle (5.) landeten in den Top5. AJ Allmendinger (10.) und Marcos Ambrose (11.) konnten sich leider nur knapp um die Top10 herum positionieren, direkt vor David Ragan (12.).

Auf Toyota-Seite fuhr Kasey Kahne (3.) das beste Rennen, was nach den vielen Top5-Resultaten in den letzten Wochen jetzt nicht so überraschend war. Auch der nächstjährige Hendrick-Neuzugang konnte kurz an der Führung von Stewart schnuppern, allerdings nur, weil er direkt bei Ausbruch der zweiten Caution einen Boxenstopp unter grüner Flagge absolvierte. In den Genuss der Spitzenposition kam er natürlich nur, weil das restliche Feld seinen Rückstand auf Kahne unter Gelb nicht schnell genug aufholen konnte bzw. durfte. Beim Restart wurde der noch-Red-Bull-Pilot allerdings sofort von Stewart geschnappt.

Jeff Gordon (6.) und Dale Earnhardt Jr. (7.) vertraten die Werks-Farben von Hendrick Motorsports in den Top10 ohne Jimmie Johnson (14.) sowie Mark Martin (19.), der ja 2012 das Cockpit von David Reutimann bei Michael Waltrip Racing übernehmen wird und ein Teilzeiteinsatz an der Seite seines neuen Teamchefs absolvieren wird. Möglichweise stößt dort noch ein weiterer Fahrer hinzu. Zurück aber zu Jimmie Johnson, welcher zur Mitte des Rennens in den Top5 und Top10 unterwegs war, wegen Übersteuern aber einen wilden Ausritt durchs grasbewachsene Infield hinnehmen musste. Danach lag sein Auto eher weniger gut, sodass Johnson zeitweilig sogar eine Runde verlor.

In der Meisterschaft stellt sich die Situation nun wie folgt dar: Carl Edwards führt nach wie vor die Tabelle an, allerdings blieben von seinem Vorsprung nach dem Sieg von Tony Stewart nur noch winzige drei Pünktchen übrig. Der Titelkampf wird vermutlich nur noch zwischen diesen beiden Fahrern geführt werden, denn Kevin Harvick (-33) und Matt Kenseth (-38) haben schon eine ganze Menge Rückstand zwei Rennen vor Schluss.

Noch schlechter sieht es für Brad Keselowski (-49) und Jimmie Johnson (-55) aus, die erstmal einen Sieg bei gleichzeitigem Ausfall von Edwards UND Stewart benötigen, um sich überhaupt wieder in Reichweite der Führenden zu bringen. Noch geringer ist diese Chance bei Dale Earnhardt Jr. (-79), Jeff Gordon (-81) und Kurt Busch (-87).

Mathematisch ausgeschieden sind nach Texas nun Denny Hamlin (-99), Kyle Busch (-100), welcher nicht einmal antreten durfte (dazu gleich mehr) und Ryan Newman (-103), weil in den verbleibenden zwei Rennen nur noch maximal 96 Zähler zu vergeben sind.

Vor dem Rennen am Wochenende war ich mir schon recht sicher, dass Carl Edwards die Meisterschaft gewinnen würde, doch ich hatte nicht mit einer so starken Fortsetzung von Tony Stewart gerechnet. Dass er in die Top10 fahren können würde, war klar, doch einen Rennsieg habe ich nie und nimmer erwartet. Dafür erschien mir die Ford-Dominanz auf dem Intermediate-Oval in Texas doch zu schwer zu brechen.

Nun folgt bei nahezu Gleichstand noch jeweils eine starke Strecke für beide Kontrahenten: Phoenix ist zwar nach der Neukonfiguration und –asphaltierung eine kleine Wildcard, doch ich rechne eher mit einem Chevy- oder Toyota-Sieg als mit einem Ford-Erfolg. In Homestead sind die Voraussetzungen umgekehrt, hier sollte Edwards unter normalen Umständen wieder die Nase vorn haben. Doch wir haben auch gesehen, dass Smoke den Fords auf „ihrer“ Strecke die Hölle heiß machen konnte.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.

Zu guter Letzt kommen wir zum meist besprochenen Thema des Wochenendes, welches ich erst am Ende des Artikels behandeln wollte, um dem Rennen und dem spannenden Meisterschaftskampf nicht die Show zu stehlen. Auch wenn man so einem Manöver von Kyle Busch nicht die Bühne geben sollte, verlinke ich erst einmal das entsprechende Video, damit sich zunächst jeder selbst ein Bild davon machen kann:

Kyle Busch und Ron Hornaday stritten sich früh im Rennen um den zweiten Platz hinter James Buescher, als sie beim Überrunden eines langsameren Trucks aneinander gerieten. Niemand wollte seine Platzierung aufgeben und so mussten sie eben nebeneinander an der #07 von Johnny Chapman vorbei. Chapmans Truck machte Hornadays #33 allerdings Aero-Loose, wodurch er die Strecke hinauf rutschte und den Truck von Kyle Busch traf. Beide Lead-Lap-Fahrzeuge touchierten aufgrund des Grip-Verlustes daraufhin die Außenmauer und waren trotz dieses Zwischenfalls noch in der Lage, das Rennen mit leichten Reparaturen fortzusetzen.

Enter Kyle Busch’s temper: NASCAR schwenkte nach dem Mauerkuss die Gelbe Flagge, vermutlich um möglicher Trümmerteile habhaft zu werden. Während das gesamte Feld verlangsamte, beschleunigte Busch seine #18 und bugsierte Ron Hornaday frontal in die Mauer – unter GELB wohlgemerkt. Nicht, dass Busch ihn direkt umdrehte, nein, er schob Hornaday erst noch an, um ihn richtig schön auf Geschwindigkeit zu bringen. Wer das nicht glauben kann, der überlege zunächst, warum Busch ihn dann rechts am Auto getroffen hat und nicht links.

Ein Schubser links hätte Hornaday in einen halbwegs harmlosen Dreher gezwungen, der Bump rechts beförderte ihn mit seiner aktuellen Geschwindigkeit frontal in die Mauer. Sehen konnte man das daran, dass der #33-Truck beim Einschlag mit den Hinterrädern abhob. Ende der Szene…

Da weiß man auch echt gar nicht, wo man anfangen soll! „Gemeingefährlich“ kommt einem wohl als erstes Wort in den Sinn, vermutlich nach einigen Flüchen, wenn man Busch vielleicht sowieso nicht mag. Dann dämmert einem, dass sich unter Gelb auch vielleicht schon Streckenpersonal in der Nähe der Autos auf dem Weg zu einer Unfallstelle befinden könnte. Oder, dass ein Frontalaufprall mit über 200 km/h sicherlich nicht förderlich für die Gesundheit ist. Vor ein paar Jahren ist man nach sowas auch nicht unbedingt unverletzt aus dem Auto gestiegen.

Ganz zum Schluss steht dann da auch noch die Tatsache, dass Busch die Meisterschaftschancen von Hornaday ruiniert hat und dass, wo es die Truck-Serie eigentlich ohnehin schon schwer genug hat. Hornaday hätte das Preisgeld und die Aufmerksamkeit vermutlich gut für eine weitere Saison gebrauchen können. Ob er nun ein neues Cockpit für 2012 bekommt, ist ungewiss. Team-Owner Kevin Harvick schließt ja den Laden zum Jahresende und Hornaday ist bisher ohne einen Vertrag. Mit Harvick hatte Busch sich dieses Jahr bekanntlich auch schon, als er dessen #29 nach dem Cup-Rennen führerlos in die Boxenmauer schob und ebenfalls mehrere Menschen in der Umgebung leichtfertig gefährdete. Zwar ist Kevin Harvick auch kein Kind von Traurigkeit, aber heute ging alles eine Nummer zu weit.

Viele dachten sicherlich, Kyle Busch hätte sich durch sein neues Leben als Ehemann und Teambesitzer menschlich gebessert, doch anscheinend hatten wir allesamt Unrecht. So eine Nummer dann auch noch in einem für ihn total unwichtigen Rennen durchzuziehen, das war echt unter aller Kanone…

Die gerechte Strafe war übrigens, ihm die Rennerlaubnis für das gesamte Rest-Wochenende zu entziehen. Im Nachgang bekam er gestern noch eine Geldstrafe über 50.000 US-Dollar und fährt bis Ende des Jahres unter Bewährung. Sollte er sich noch so ein Ding leisten, wird NASCAR ihn auf unbestimmte Zeit sperren. Vielleicht lernt er es erst auf die ganz harte Tour, sein öffentlicher Entschuldigungsbrief (vermutlich eh vom Imageberater geschrieben) und sein reumütiger Auftritt auf der Pitbox der #18 im Cup-Rennen könnten auch nur bloße Show gewesen sein.

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3 Kommentare

Chaos 8 November, 2011 - 08:43

Stewart ist schon nen Phänomen diese Saison, 4 Saisonsiege im Chase ist sehr stark und ich bin der Meinung, dass Stewart dafür auch sich mit dem Titel belohnen sollte ;-)

Marcus 9 November, 2011 - 19:38

Hat nicht JPM unter GELB Kyle Busch in die Mauer befördert ?

NASCARaddicted 11 November, 2011 - 13:06

ich hab den Unfall ja schon ein paar mal gesehen, aber ich hab eben noch mal genau hingeguckt.

Also ich finde, Kyle Busch hat die Mauer ja wirklich nur sehr leicht gestreift, zumindest sieht das so im Video aus. Besonders wenn man es von oben sieht. Das macht die Racheaktion von Kyle Busch nur noch schlimmer.

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