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NASCAR: Analyse Charlotte / Vorschau Talladega Oktober 2011

von KristianStooss
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Am letzten Wochenende ging die erste Chase-Hälfte zu Ende und brachte auf dem Charlotte Motor Speedway womöglich eine kleine Vorentscheidung in der Meisterschaft mit sich. Schon am Sonntag geht es aber in Talladega weiter, wo sich das Blatt in der Restrictor-Plate-Lotterie natürlich jederzeit wieder wenden könnte.

Die NASCAR-Berichterstattung vom vergangenen Wochenende kommt dieser Tage etwas später, da die emotionale Aufarbeitung der tragischen Geschehnisse vom Sonntag in Las Vegas erstmal Vorrang vor dem Tagesgeschehen haben sollte. Weil mir wie sicherlich vielen von euch in den letzten beiden Tagen nicht so wirklich nach Motorsport – geschweige denn Oval-Rennen – war, habe ich mich für eine Kompromisslösung entschieden: In dieser Woche gibt es ausnahmsweise einen Kombi-Artikel bestehend aus Analyse des Charlotte-Rennens und einer kleinen Vorschau auf Talladega am kommenden Sonntag. So steht uns der Rest der Woche noch für etwas mehr Besinnung zur Verfügung, anstatt groß die Freuden des Motorsports zu preisen. An dieser Stelle möchte ich mich, bevor wir zum eigentlichen Artikel kommen, noch den zahlreichen Kommentaren auch hier im Racingblog anschließen: Rest in Peace, Dan Wheldon! You will be missed! Als jahrelanger Beobachter des amerikanischen Motorsports kann ich das Ergebnis des traurigen Tages immer noch nicht richtig begreifen und erfassen…

Analyse Charlotte Oktober 2011

Da ist es zwar eher zweitrangig, dass Matt Kenseth am Wochenende in Charlotte sein drittes Saisonrennen gewinnen konnte und Jimmie Johnson sich nach einem Unfall möglicherweise schon aus dem Titelrennen verabschiedet hat, doch lasst uns ein wenig ablenken und zurückblicken: Die ersten knapp zwei Drittel des Rennens blieben auffällig ruhig und wurden nur durch zwei Gelbphasen unterbrochen. Diesen Teil des Tages konnten vor allem Tony Stewart und Greg Biffle für sich nutzen, wobei sie knapp die Hälfte der zu vergebenden Führungsrunden für sich beanspruchten. Vor allem Biffle konnte lange Zeit über das Rennen nach Belieben bestimmen, nachdem er Smoke kurz nach den ersten Green-Flag-Pitstops in Runde 50 die Spitzenposition abgenommen hatte.

Doch sein Tag sollte es nicht werden, denn nach weiteren Boxenstopps unter grüner Flagge in Umlauf 125 vergaß seine Mannschaft beim Reifenwechsel eine Radmutter aufzuziehen, was Biffle zu einem erneuten Besuch bei seiner Crew zwang. Glücklicherweise gab es schon kurz danach eine Caution, wodurch er direkt seinen Rundenrückstand per Lucky-Dog wieder aufholen konnte. Zwar konnte Biffle später wieder in die Top5 vordringen, jedoch beendete ein Feindkontakt mit Tony Stewart und Außenmauer knapp 35 Runden vor Schluss sämtliche Hoffnungen auf einen Sieg. Greg Biffle kam nur auf Platz 15 ins Ziel, was jedoch nicht so wichtig ist, da er ohnehin nicht am diesjährigen Chase teilnimmt.

Nachdem Biffle sich aus der Spitzengruppe verabschiedet hatte, nahm der spätere Rennsieger Matt Kenseth für knapp 20 Runden seinen Platz ein, bevor Tony Stewart ihm mit einem Two-Tire-Stop während Caution #2 in Umlauf 149 die Führung wieder abjagte. Der Chevrolet mit der #14 lief anschließend in der nachfolgenden Grünphase nicht langsamer als erwartet, da um ihn herum viele andere Fahrer ebenfalls mit nur zwei neuen Reifen pokerten. Chad Knaus und Jimmie Johnson setzten in dieser Gelbphase dagegen auf vier Pneus und verzockten sich gewaltig, denn ihre Restart-Position war anschließend nicht mehr die 3, sondern die 15! Das Gerangel im Mittelfeld sollte Johnson später auch noch das Rennen versauen.

An zweiter Stelle startete Kyle Busch nach besagter Gelbphase zurück ins Renntempo und benötigte einen kompletten Fuel-Run (50 Umläufe), bevor er seinerseits für etwas mehr als 100 Runden die Führung übernehmen konnte und die letzte Phase des Rennens einleitete. Ursache für den Positionsverlust bei Stewart war letztendlich die Leistung der eigenen Mannschaft, denn sein Team konnte ihn nach einem anstehenden Boxenstopp unter grüner Flagge lediglich als Dritten zurück auf die Strecke bringen. Die nächsten vier (teilweise direkt aufeinander folgenden) Cautions überstand Busch noch als Leader, da er sich bei jedem Restart gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte, doch in Runde 310 kam die Wende:

Nachdem Matt Kenseth bei fast allen Restarts zuvor die Räder durchdrehen ließ und mehrere Plätze verlor, erwischte er beim vorletzten Neustart einen Riesen-Lauf. Innerhalb von nur fünf Runden knackte er zunächst Carl Edwards und zog anschließend tatsächlich auch an Kyle Busch vorbei. Doch Kenseth hatte noch eine letzte Schwierigkeit zu überstehen, denn Jimmie Johnson verlor bei seiner Aufholjagd am Ende der Top10 liegend sein Auto im Positionskampf aus der Kontrolle und schlug sehr hart frontal in die SAFER-Barrier ein.

Der Unfallhergang erinnerte mich sehr an den fatalen Crash von Dale Earnhardt Sr. damals in Daytona, denn auch Johnson geriet beim Korrigieren auf den Apron und krachte anschließend fast im 90°-Winkel frontal in die Mauer. Schon beeindruckend zu sehen, wie in den letzten zehn Jahren der Sicherheit Rechnung getragen wurde. Auf einen Videolink verzichte ich an dieser Stelle, der geneigte Zuschauer wird sicherlich eigenständig bei YouTube fündig werden. Jedenfalls ließ sich in der Wiederholung sehr gut die Energie-absorbierende Wirkung der SAFER-Barrier erkennen. Johnson wurde zwar ordentlich durchgeschüttelt und sprach anschließend von einem „hard hit“, blieb jedoch zum Glück unverletzt.

Zurück zum Finale: Ausgerechnet beim letzten Restart gelang es Kyle Busch nicht, dagegen zu halten, womit Matt Kenseth anschließend ungefährdet seinen dritten Saisonsieg einfahren konnte. Busch hingegen musste sich noch in eine Auseinandersetzung mit Carl Edwards begeben, doch Kyle setzte sich schlussendlich gegen einen wieder sehr konstanten Ford-Piloten durch. Die Top5 komplettierten die temporär gut zu Recht kommenden Kasey Kahne und Marcos Ambrose. Alleine Kahne holte sich das dritte Top5-Ergebnis in Folge ab und unterstricht damit seine Vorfreude auf Hendrick Motorsports 2012.

Kevin Harvick, AJ Allmendinger, Tony Stewart, Denny Hamlin und Ryan Newman sicherten sich die Plätze 6-10, wobei vor allem Hamlin mal wieder mit einem recht guten Resultat aufwarten konnte. Vielleicht gibt ihm das den nötigen Schwung, die Saison würdevoll zu beenden, nachdem die Chancen auf den Titel ja schon maximal minimiert sind.

Die übrigen Chaser stammen allesamt aus den Teams von Penske Racing und Hendrick Motorsports, welche beide kein tolles Wochenende erwischten. Kurt Busch (13.) und Brad Keselowski (16.) konnten das gesamte Rennen über keine Akzente setzen und kamen trotz zwischenzeitlichem Rundenverlust sogar noch halbwegs gut ins Ziel. Für die Meisterschaft bedeutete dies aber einen gehörigen Rückschritt, vor allem da Keselowskis Momentum jetzt am Ende sein könnte.

Noch schlechter lief es für Dale Earnhardt Jr. (19.), Jeff Gordon (21.) und Jimmie Johnson (34.), wobei ich die Ursache von Johnsons Resultat ja schon erwähnt habe. Von Gordon war am gesamten Wochenende nichts zu sehen, nur ein kleines Scharmützel mit David Ragan und Kasey Kahne brachte ihn in der Nacht von Samstag auf Sonntag kurz ins Bild. Juniors kleiner Aufschwung scheint ebenfalls beendet, er konnte zu keinem Zeitpunkt in die Top10 vordringen und kann mit Platz 19 noch durchaus zufrieden sein.

Auf die Situation in der Punktetabelle gehe ich am Ende des zweiten Teils dieses Artikels ein:

Vorschau Talladega Oktober 2011

Am nächsten Wochenende geht es mit dem Restrictor-Plate-Klassiker auf dem Talladega Superspeedwayin die zweite Hälfte des Chase. Das größte aller NASCAR-Ovale ist bei Fans und Fahrern sehr beliebt und stellt den wahrscheinlichsten Game-Changer in den Playoffs dar. Nun ist im Moment sicherlich der falsche Zeitpunkt, um über spannende Windschatten-Schlachten in einem dichten Feld aus 43 Autos zu sprechen, doch vermutlich wird uns genau das erwarten. NASCAR möchte zurück zu den großen Packs und hat aus diesem Grund noch einmal an den Luftmengenbegrenzern und Kühlsystemen gedreht. So werden in Talladega größere Restrictor-Plates zur Verfügung stehen, um die Geschwindigkeiten zu erhöhen.

Das wird sich vor allem bei den Closing-Speeds der Draft-Partner bemerkbar machen, sodass die Two-Car-Tangos in Zukunft wieder schwieriger werden könnten, da man den Vordermann sehr präzise treffen muss. Das Verbot, die Stoßstangen der Fahrzeuge zwecks besseren Andockens mit Fett zu behandeln, wird Letzteres noch erschweren. Unterstützend dazu wurde der maximale Wasserdruck des Kühlmittelkreislaufs erneut verringert, um häufigere Wechsel bei den Drafts im Duett zu erzwingen, damit der Motor nicht überhitzt.

Jetzt kann man natürlich fragen, was NASCAR sich dabei denkt: Die neuen Spezifikationen werden auf jeden Fall eher für mehr Risiko und Unsicherheit als für große Drafting-Pakete sorgen, denn die Teams lassen sich nach Möglichkeit bestimmt nicht die um über 5 mph schnelleren Two-Car-Drafts ausreden. Das haben die Offiziellen schon mehrere Male mit entsprechenden Regeländerungen versucht, doch genützt hat es im Endeffekt nichts. Da die Wechsel nun häufiger kommen müssen und das Andocken schwieriger wird, erwarte ich eher, dass die Rennen wieder gefährlicher werden. Dies ist zurzeit sicherlich das falsche Signal im Motorsport und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass NASCAR da vor dem Wochenende oder im Verlauf desselben noch einmal umdenkt.

Restrictor-Plate-Racing ist weiterhin noch nicht so sicher, wie viele Beteiligte und Beobachter es gerne hätten, doch immerhin haben die Two-Car-Drafts für eine Entzerrung des Feldes und damit zu einem Rückgang der irrwitzigen Big-Ones geführt. Trotzdem sind die Vertreter beider Lager (Two-Car- und Pack-Draft) noch recht ausgeglichen und hier ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Auch die neuen Silhouetten ab der Saison 2013 werden auf den Superspeedways noch weitere Veränderungen mit sich bringen. Man darf gespannt sein und hoffen, dass es sich nicht in eine sicherheitstechnisch grundlegend falsche Richtung entwickelt.

An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf die aktuelle Punktetabelle blicken, die in der Restrictor-Plate-Lotterie auch noch ganz gehörig durcheinandergewirbelt werden könnte. Falls nicht, dann haben vorerst nur noch vier Piloten gute Chancen auf die Meisterschaft und Dauermeister Jimmie Johnson (-35) gehört sicherlich zur Freude vieler im Moment nicht dazu. Sein Ausfall in Charlotte verfrachte ihn ins Chase-Mittelfeld zurück, wo er sich gemeinsam mit Tony Stewart (-24), Brad Keselowski (-25) und Kurt Busch (-27) in Lauerstellung befindet.

Die belagerte Spitze führt immer noch Carl Edwards an, der allerdings dicht gefolgt von Kevin Harvick (-5) und seinem Teamkollegen Matt Kenseth (-7) weiterhin gute Konstanz-Ergebnisse wie in Charlotte benötigt. Auch ein zweiter Saisonsieg wäre sicherlich hilfreich. Auf Rang 4 wartet noch Kyle Busch (-18) auf seinen großen Tag, wobei ich ihn 2011 aber eher nicht zu den großen Favoriten zähle. Zu groß ist IM MOMENT der Rückstand von Joe Gibbs Racing auf den Rest der Spitze. Allerdings kann sich das bekanntlich von Rennen zu Rennen auch wieder ändern.

Abgeschlagen belegen mittlerweile Dale Earnhardt Jr. (-60), Ryan Newman (-61), Jeff Gordon (-66) und Denny Hamlin (-86) die Plätze 9-12. Für diese vier Piloten gibt es in diesem Jahr wohl nicht mehr als die goldene Ananas zu holen, wenn sie nicht gleich alle verbleibenden Rennen am Stück gewinnen. Auch an einem sehr guten Tag kann man meist nicht viel mehr als zehn Punkte auf die Konkurrenz gutmachen.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung sowie ein Zeitplan für das Wochenende:

Die Nationwide Series macht zwei Wochen Pause und meldet sich aus Texas wieder zurück, dafür unterstützen die Trucks den Sprint Cup in Talladega. Der Zeitplan klingt jetzt nicht so überwältigend, allerdings ist auch das Truck-Rennen am Samstag zu einer humanen Uhrzeit schaubar. Wer am Freitagabend zu Hause bleiben will/muss, der kann in den beiden Cup-Trainingssitzungen schon mal einen guten Blick auf mögliche Drafting-Partner für den Sonntag werfen.

Ausstrahlungsdaten

Freitag, 21.10.
16:30 Uhr, Truck Series Final Practice, nicht im TV
20:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
22:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
23:00 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED

Samstag, 22.10.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
22:00 Uhr, Truck Series Rennen (Coca-Cola 250), SPEED

Sonntag, 23.10.
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Good Sam Club 500), ESPN

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