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Formel Eins: Analyse Spa 2010

von DonDahlmann
14 Kommentare

Der Regen hielt sich in Belgien in Grenzen und würfelte das Feld nur in Maßen durcheinander. Red Bull muss sich Gedanken machen, was man jetzt mit Vettel anstellen möchte.

Das McLaren mit den gemischten und kühlen Bedingungen in Spa am besten zurecht kam, zeichnete sich schon am Freitag ab. Auch das Red Bull nicht das beste Wochenende habe würde, war schnell klar, und so kam die Pole von Webber etwas überraschend. Noch überraschender war allerdings die Tatsache, dass Vettel am gesamten Wochenende relativ schlecht unterwegs war. Aus irgendwelchen Gründen schien er ausgerechnet auf der Fahrerstrecke größere Probleme zu haben. Ob es an einer schlechten Abstimmung lag oder daran, dass Red Bull auf Grund der neuen Flügeltests der FIA doch etwas verändern müsste, ist schwer zu sagen und wird sich wohl auch erst auf den Strecken zeigen, die mehr Downforce verlangen, was Singapur sein wird. Aber auch ansonsten machte Vettel einen angeschlagenen Eindruck.


Der Unfall mit Button war vermeidbar und unnötig. Natürlich muss er es versuchen, sonst könnte er auch gleich zu Hause bleiben, aber die Art und Weise, wie er das Überholmanöver ansetzte, war, wie Eddie Jordan es bei der BBC ausdrückte, unüberlegt. Zum einen fuhr er zu dicht auf, zum anderen verriß er den Wagen in der Anbremszone zu stark. Dazu kam, so Vettel, eine leichte Bodenwelle, der den Wagen versetzte. Vettel hätte durchaus eine Chance gehabt an Button vorbei zu gehen, wenn er weiter außen etwas später angebremst hätte. Button musste die Schikane sehr spitz anfahren, Vettel hätte also mit mehr Schwung einlenken und sich neben ihn setzen können. Oder – was vermutlich noch besser gewesen wäre – er hätte einfach eine Runde warten sollen. Red Bull war im hinteren Streckenteil deutlich besser, dazu kam der leichte Regen. Das Vettel dafür dann auch noch eine Strafe bekommen hat, halte ich, nebenbei gesagt, für einen Witz. Es war ein normaler Rennunfall, kann passieren. Ebenso hätte man Liuzzi später bestrafen müssen, weil er Vettel den Reifen aufgeschlitzt hat.

Das Problem ist aber nicht das verunglückte Überholmanöver, sondern die Unüberlegtheit von Vettel. Wie in Istanbul hat er zu früh die Brechstange ausgepackt, anstatt weiter Druck auszuüben und auf einen Fehler von Button zu warten. Und der wäre bei den Bedingungen sicher gekommen. Wie man es besser macht, zeigte ausgerechnet Mark Webber hinter Kubica. Er war zwar etwas schneller als der Pole, hielt sich aber zurück und wollte seine Punkte nicht riskieren. Vettel lag zu diesem Zeitpunkt vor Webber, er hätte also Punkte gut machen können. Während Webber scheinbar auch in schwierigen Situationen, wie seinem verpatzten Start, einigermaßen ruhig bleibt, hat man bei Vettel oft das Gefühl, dass er zu viel erreichen will, auch wenn es unmöglich aussieht. Hinter Button zu warten wäre eine schlechte Option gewesen, aber immer noch besser, als bei einem wilden Bremsmanöver von der Strecke zu fliegen. Webber wirkt abgeklärter und überlegter, während Vettel immer mit dem Kopf durch die Wand will. Das kann in der sehr engen WM aber entscheidend sein und bei Red Bull dürften die Sorgenfalten groß sein. Nach dem Rennen liegt er 31 Punkte hinter Webber und wenn es in Monza wieder blöd läuft, kann er seine Titelchancen schon fast abschreiben. Red Bull, die den Deutschen lieber vorne sehen würden, werden mit wohl oder übel spätestens nach dem Ende der Europasaison schauen müssen, ob sie sich nicht auf Webber konzentrieren. Denn mit Singapur, Suzuka, evtl. Korea und mit Einschränkungen Brasilien und Abu Dhabi kommen Strecken, die dem Red Bull liegen sollten.

Ferrari war am Wochenende die Enttäuschung schlechthin. Alonso schien etwas neben der Spur, dazu haben die Italiener meiner Meinung viel zu hoch gepockert. Es war nicht sicher, ob es Sonntag wirklich komplett regnen würde. Alonso also auf eine Regen-Abstimmung zu setzen, war unnötig. Zum einen brachte ihm die Entscheidung den schlechten Startplatz ein, und damit in eine Region, wo es gerne mal kracht. Zum anderen hätte man lieber Massa auf Regen setzen sollen und bei Alonso mit den anderen Teams gehen müssen. So kam es dann, wie es kommen musste. Massa schwomm in dem von ihm nicht geliebten Regen auf Platz vier rum, Alonso wurde von Barrichello abgeräumt. Das erstaunlichste war noch, dass der Ferrari nach der heftigen Kollision überhaupt noch fuhr. Immerhin schlug sich der Williams das Vorderrad ab, als er Alonso auf den rechten Hinterreifen traf. Der Versuch von Ferrari, Alonso nach dem Crash mit Intermediates rauszuschicken, war dann nur noch pure Verzweiflung. Am Ende rundete der Abflug von Alonso das Wochenende des Spaniers dann ab, der seine Titelchancen damit auch fast begraben kann.

Besser machte es ausgerechnet Mercedes, die Regen hin oder her, beide Fahrer einfach stur draussen liessen. Dazu kam, dass Schumacher mal wieder einen seiner besseren Tage erwischt hatte und in dem Chaos der ersten Runde zusammen mit Petrov schon in Richtung Top Ten gespült wurde. Ab da konnte er allerdings nichts mehr tun, als abzuwarten. Bei dem drohenden Regen war das auch die beste Entscheidung. Man hatte nichts zu verlieren, weil es kühl war, hielten die harten Reifen problemlos durch, also hätte man theoretisch auch bis zu vorletzten Runden mit einem Reifenwechsel warten können. Der Poker ging dank des Regenschauers in den letzten 10 Runden dann auch auf, zu dem lieferten Schumacher und Rosberg sich zwei schöne Überholmanöver. Nico konnte seinen Teamkollegen am Ende allerdings nur überholen, weil der in der Eau Rouge hinter Yamamoto steckte. Rosberg hatte mehr Schwung, Schumacher machte allerdings auch nicht die Innenlinie auf der Kemmel Geraden dicht. Das Ergebnis war dann am Ende respektabel, aber man konnte auch sehen, dass die restlichen Rennen für Mercedes eher grauenhaft werden. In Monza dürfte man noch recht gut aussehen, danach wird es wohl düster, da Ross Brawn den Wagen nicht mehr weiterentwickelt.

Überraschend gut waren die Renault aufgestellt. Kubica verlor seinen zweiten Platz an der Box, Petrov nutzte das Chaos in den ersten Runden geschickt aus, und fuhr von Platz 24 auf Platz 10. Man wird sich nicht nur bei Renault fragen, wo man in der WM stehen würde, wenn man einen zweiten Fahrer hätte, der vernünftige Ergebnisse abliefern kann. Die zweite Frage ist auch: warum ist der Renault auf den Geraden so schnell, während der Red Bull quasi stehen bleibt? Die Antwort lautet vermutlich, dass der Red Bull deutlich mehr Abtrieb erzeugt und deswegen gerade in den schnellen Kurven so viel besser ist. Dafür liefert der Renault mehr mechanischen Grip, was bei nasser Strecke mehr bringt, als der reine aerodynamische Grip des Red Bull. Bei den Franzosen wird man sich die Frage stellen, ob man Petrov nicht doch mit einem schnellen und erfahrenen Mann ersetzt. Zur Wahl stehen Sutil, Glock und Heidfeld und es würde mich nicht wundern, wenn man sich für Sutil entscheidet. Der Deutsche wird langsamer als Kubica sein, aber er hat im Gegensatz zu Glock oder Heidfeld keine Quali-Schwäche, was bei dem gültigen Format der Serie extrem wichtig ist.

Aufgefallen ist mir noch eine mal wieder merkwürdige Strategieentscheidung von Williams. Barrichello war ja früh draussen, aber man hatte Hülkenberg auf Platz sieben. Plötzlich war der verschwunden, weil man recht früh die Reifen gewechselt hat. Normalerweise gehört Williams ja eher zu den Teams, die mit einem Reifenwechsel lange warten. Warum man ausgerechnet in Belgien auf einen frühen Stopp setzte, ist mir ein Rätsel. Hülkenberg hätte locker in die Punkte fahren können, denn der Speed war ja da, das konnte man in der Quali sehen.

Ansonsten:

– Sutil fuhr ein sauberes Rennen, konnte Massa aber nicht unter Druck setzen. Der fünfte Platz ist aber ein gutes Ergebnis

– Während Pedro de la Rosa bei Sauber nur auffiel, wenn er neben der Strecke war, lieferte Kobayahsi wieder ein gutes Rennen ab. Von Platz 17 gestartet, hangelte er sich auf den achten Platz. Bei Sauber wird man sich auch fragen, ob man de la Rosa noch eine zweite Saison geben wird. Der angeblich erfahrene Pilot hat gerade Mal 6 Punkte, während der Japaner 21 Zähler gesammelt hat. Und das trotz des schlechten Saisonstarts.

– Auch nicht gut sortiert war Sebastian Buemi, während Alguersuari nach der Zielflagge in den Punkten auftauchte. Allerdings wurde ihm der 10. Platz nach dem Rennen wieder aberkannt, weil er die Schikane abgekürzt hatte. Damit erbt Liuzzi den einen Punkt.

Im großen und ganzen war der erwartete, etwas chaotische Grand Prix, auch wenn das weniger am Regen lag. Das Rennen fand, bis auf die letzten Runden, ja mehr oder weniger im trockenen statt und so tat sich dann vorne auch dementsprechend wenig. Hamilton ausser bei den Restarts nie unter Druck und konnte sein Rennen relativ gelassen angehen.

In Sachen WM sieht es für den Moment so aus, als würde sich vorne ein Zweikampf zwischen Lewis Hamilton und Mark Webber entwickeln. Vettel fehlen 31 Punkte, Button 35 und Alonso 41. Da aber 25 Punkte für einen Sieg vergeben werden, kann es vorne schnell wieder eng werden. Zu dem steht Monza auf dem Programm, und da platzt ja schnell mal ein Motor.

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14 Kommentare

Dirk 30 August, 2010 - 09:31

Was mich bei Williams noch mehr wunderte: Scheinbar versuchte man am Ende, Hülkenberg draussen zu lassen, der eierte bei dem Regen am Ende auf Slicks durch die Gegend und drehte sich auch noch, so dass man ihn dann doch zum Wechsel reinholte. Meines Erachtens die falsche Entscheidung, es war definitiv zu nass für Slicks. Aber vielleicht war es ja auch seine Entscheidung, und er hatte auf einen kurzen leichten Schauer gehofft, wie zu Beginn des Rennens.

Ich 30 August, 2010 - 11:25

Tja, RBR braucht nun vor allem eines: Stallregie. Sonst werden sie wirklich das Kunststück vollbringen, mit einem (jedenfalls am Anfang) haushoch überlegenen Auto keinen Titel zu holen.

Ich finde es übrigens sehr interessant, wie die Strafen mal wieder verteilt wurden. Vettel bekommt eine Strafe, weil er im Zweikampf einen Gegner und WM-Kandidaten abräumt. Barrichello bekommt keine Strafe, obwohl er einen Gegner und WM-Kandidaten abräumt, ohne überhaupt im Zweikampf zu sein. Das ist alles lächerlicher und willkürlicher als in den vergangenen Jahren. Meiner Meinung nach könnte man es sich sparen, da immer einen Fahrer mit hinzusetzen.

Flo 30 August, 2010 - 12:26

Die Vettel Strafe halte ich auch für einen Witz, klar verliert er den Wagen und die Ausrede das da eine Bodenwelle sei halte ich auch für fragwürdig, schließlich konnten andere dort auch überholen, aber um zur Strafe zurückzukommen; war dann Pech das er ausgerechnet den Wagen so unglücklich rumreißt das er noch Button den Kühler aufschlitzt. Für mich Rennunfall wenn auch von Seiten Vettels evtl. mit etwas Geduld vermeidbar.

RBR sollte sich nun definitiv auf Mark Webber konzentrieren, Vettel scheint mir noch zu unreif auch wenn er nun schon sein 2. Jahr im RBR ist. Er will, wie im Text erwähnt, einfach manchmal zu schnell zu viel.
Mark hat da mehr Erfahrung. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht das RBR nun auf Mark ausrichtet, wäre aus deren Sicht der Witz schlechthin würde ihr „als Nummer 2 Fahrer hingestellter“ Mann die WM holen.

Vorsicht 30 August, 2010 - 12:43

Finde auch, dass man Vettel nicht noch extra bestrafen hätte müssen – er hat ja nicht nur Button abgeräumt, sondern ohnehin auch sich selbst aller Punktechancen beraubt. Die „causing an avoidable collision“-Regel sollte meiner Ansicht nach nur dann angewendet werden, 1) wenn der Fahrer, der die Kollision auslöst davon in der Meisterschaft oder im Rennen offensichtlich profitiert. 2) Oder natürlich, wenn es sich um ein offensichtlich absichtliches Abschießen eines Kollegen handelt (Senna ’90, Schumacher ’97, etc. – wobei die genannten Fälle eigentlich auch Punkt 1) erfüöllen).

Zu Petrov: Stimme zu, dass er im Qualifying keine besondere Reife bewiesen hat. Aber die Rennvorstellung war, wie jene von Kobayashi, eigentlich wieder ziemlich gut. An Renaults Stelle wäre ich eher geneigt, ihm noch ein bisschen Zeit zu geben, um sich zu beweisen.

Montoya12 30 August, 2010 - 16:32

@Vorsicht da muss ich dir aber wiedersprechen mit aller Punktechancen geraubt.

Er hätte mindestens einen Punkt geholt.Und ich finde die Strafe auch einen Witz aber da sie viel zu lasch ist.Er hätte die schwarze Flagge bekommen sollen für so ein dummes Manöver und die Ausrede mit der Bodenwelle ist das dümmmste was ich in 15 Jahren F1 gehört habe.

Man hat gestern auch gesehen das er mit den riesen Druck Weltmeister zu werden scheinbar (noch?)nicht umgehen kann.

NoteMe 30 August, 2010 - 17:47

Für mich nicht verständlich ist der lasche Umgang mit Barrichello. Seine Aktion war nicht weniger dumm als die von Vettel, und hätte IMHO bestraft gehört. Kann doch nicht sein, dass BAR anders behandelt wird, weil er ALO zufällig so getroffen hat, dass dieser nicht aus dem Rennen war.

Mir fehlt hier in den Entscheidungen, ähnlich wie letztens in der DTM, die innere Konsistenz.

Flo 30 August, 2010 - 17:47

Ach Monty, schwarze Flagge, er war durch den Unfall genug geschädigt und ihn da jetzt noch aus dem Rennen zu nehmen. Das Argument hat überhaupt keinen Boden. Oder siehst du einen Grund und die Pure Absicht in dem Unfall?

Yankee 30 August, 2010 - 19:56

Massa hatte 2008 in Fuji ebenfalls eine Durchfahrtsstrafe bekommen, als er Hamilton abgeschossen hatte. Unterschied war allerdings, dass Massa nicht in die Box kommen musste, um seinen Wagen zu reparieren, sofern ich das noch richtig im Kopf habe.

Yankee 30 August, 2010 - 20:01

Oh und Hamilton konnte natürlich weiterfahren. War eher auch nur ein leichtes umdrehen im Zweikampf, was aber zum Vorteil Massa ausging.

Vorsicht 30 August, 2010 - 23:18

Naja – das wäre ja dann der angesprochene Fall, dass der Unfallverursacher einen Vorteil daraus zieht. Was bei Vettel ja nicht grade gegeben war.

Yankee 31 August, 2010 - 13:27

Wollte auch beide nicht unbedingt vergleichen. Nur das es ähnliche Zwischenfall in der nahen Vergangenheit auch schon gab.

abductee 31 August, 2010 - 21:56

siehe 3tes video dort:
http://axisofoversteer.blogspot.com/2010/08/necessary-accident.html
von onboard schaut das ganze nicht so dumm für vettel aus.
ausserdem hat die cam nen kurzen aussetzer bevor er den Wagen verliert – könnte für die bodenwelle sprechen.

DonDahlmann 31 August, 2010 - 22:58

Wg. Barrichello: Ich vermute man hat in deswegen nicht bestraft, weil es a) keine Absicht war und b) und er nicht weiterfahren konnte. Wie gesagt, ich fand die Strafe gegen Vettel auch überflüssig, es war ein Rennunfall, den er verschuldet hatte.

nona 2 September, 2010 - 13:43

Nicht nur leichte Bodenwelle, sondern glattfeuchte Bodenwelle. Die ganze Blanchimont hoch hatte es schon leicht angefangen zu nieseln, man beachte das dezente Spray auf der Kamera. Klar war es aktiv Vettels Bock und Ungeduld, aber zum Verreissen, Grip zurückkriegen und Überkorrigieren haben diverse Faktoren beigetragen.

Re: Strafen, das ist insgesamt schon die ganze Saison lang ein schlechter Witz ohne Linie, Sinn oder Verstand. Nicht nur dass die Regeln wild in alle Richtungen und Entfernungen interpretiert werden (ohne jetzt Verschwörungstheorien für oder gegen irgendwelche Fahrer zu entfachen), es werden auch schonmal eigentlich eindeutige Strafen einfach weggelassen wo es eigentlich überhaupt nichts zu interpretieren gäbe, z.B. bei Massas folgenlosem Überfahren der Boxenausfahrtslinie in Monaco.

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