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NASCAR: Analyse Pocono August 2010

von KristianStooss
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Das zweite Saisonrennen in Pocono drohte ein weiterer Langweiler zu werden, doch nach 120 Runden sorgten turbulente Restarts und vereinzelte Regentropfen für Spannung. Dazu kam dann der Unfall von Elliott Sadler, welcher das Sicherheitsdefizit der Rennstrecke auf brutale Weise deutlich machte.

Dass der NASCAR am Sonntag kein weiterer Fahrer verloren ging, lag definitiv nicht an den Sicherheitsvorkehrungen des Pocono Raceway. Elliott Sadler kann sich beim R&D-Center der NASCAR für das 2007 eingeführte CoT bedanken und auch Dr. Robert Hubbert einen Brief schreiben – seines Zeichens Erfinder des HANS-Device. Vor nicht ganz zehn Jahren wäre dieser Unfall von Sadler vermutlich sein letzter gewesen. Nach seinem Sieg im Truckrennen am Samstag musste er einen ganz bösen Einschlag in eine Autobahnleitplanke (!!!) samt dahinterliegendem Erdwall einstecken, der ihn frontal von geschätzt ca. 200 km/h auf -50 km/h zurückbeschleunigte, seinen Motor herausriss, den Wagen mit der Nummer #19 bis zur A-Säule komplett zerstörte und auf die Strecke zurückwarf.

AJ Allmendinger traf das Auto von Sadler als die meisten Fahrer nach einem Crash von Kurt Busch vom Gas gingen und in der Rauchwolke ein Rückstau entstand. Busch wurde wiederum von Jimmie Johnson angeschoben und drehte sich über das Gras im Pocono-Infield. Dabei verfehlte er nur knapp die Einschlagstelle von Sadler und rauschte an einer Service-Zufahrt vorbei, um seitlich in der Fortsetzung besagter Leitplanke einzuschlagen. Auch Kurt war nach dem Unfall kurz benommen, wie die Onboard-Bilder zeigten. Elliott Sadler konnte sich aus eigener Kraft unter schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Wrack befreien und legte sich, die Hände ins Gesicht haltend, auf den Asphalt direkt neben die zerstörte #19, während die ersten Helfer eintrafen – ein grauenvoller Anblick, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Zuletzt gesehen habe ich so schockierende Aufnahmen 2007 bei einem Frontalcrash von David Reutimann im alten Cup-Auto. Nach dem Einschlag in die SAFER-Barrier war Reutimann tatsächlich kurzzeitig bewusstlos und lehnte mit dem Helm gegen das Lenkrad. Er bekam ähnlich wie Sadler von dem harten Ruck in die Anschnallgurte „den Wind aus sich herausgeschlagen“! (Idiom im Original: „He got the wind knocked out of him.“)

Nach Kasey Kahnes Unfall im Juni gaben die Verantwortlichen des Pocono Raceway endlich umfangreiche Sicherheitsupdates pünktlich zu den Rennen auf der Strecke im nächsten Jahr bekannt. Für Elliott Sadler kam diese Ankündigung aber fast zu spät: Er blieb wie durch ein Wunder unverletzt, wird aber in den nächsten Tagen sicherlich ordentliche Schmerzen haben. Die Umbaumaßnahmen beinhalten den längst überfälligen Abschied von der Leitplanke im Infield. Dort kommt in Zukunft eine ansonsten übliche Betonmauer zum Einsatz, der an Schlüsselstellen eine SAFER-Barrier vorgelagert wird. Greg Biffle und Jimmie Johnson sprachen sich dann noch für die Beseitigung des Rasens im Infield aus, da ein Rennwagen auf nassem Gras bei Tempo 300 nicht mehr kontrolliert werden könne. Zusätzlich ist ein Fangzaun auf der Geraden mit den Büschen hinter der Mauer im Gespräch.

Ein weiteres Video zeigt einen Einschlag von Colin Braun aus dem letztjährigen Truck-Rennen in Atlanta in eine SAFER-Barrier. Dieser Unfall dürfte ähnlich dem von Elliott Sadler abgelaufen sein: Angeschoben von hinten, ausgebrochen nach links und nahezu ungebremster Einschlag. Bei Twitter gab Sadler bekannt, dass es ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Unfall mit Leitplanke und SAFER-Barrier sei – überraschen dürfte das aber keinen. Dieses Video ist deswegen so interessant, weil man sehen kann, wie die Sicherheitseinrichtungen zusammenarbeiten: HANS-Device und eben besagte SAFER-Barrier, welche ordentlich nachgibt!

Das Rennen selbst war bis in Runde 120 eher ein ziemlicher Langweiler, konnte dann durch mehrere Staubkörner, die NASCAR fand, für Pocono-Verhältnisse aber gewaltig zulegen. Sobald das Feld wieder zusammengeführt wurde, gab es schönes Racing, teilweise sogar „three-wide“ und „four-wide“ Action. Innerhalb von 10-20 Runden zog sich das Feld dann aber wie Kaugummi auseinander und Fahrer wie Jimmie Johnson, Jeff Gordon oder der spätere Rennsieger Greg Biffle zogen vorne einsam ihre Kreise. „Track position“ ist in Pocono unheimlich wichtig, was auch viele Fahrer dazu verleitete, es mit nur zwei neuen Reifen oder gar ohne Reifenwechsel nach einem „fuel run“ zu versuchen. Am Anfang ging dieser Versuch bei Biffle einmal schief und das Strategiespiel schien fehl am Platze, doch mit der größeren Menge an Gummi auf der Strecke ab Runde 150 war diese Möglichkeit plötzlich wieder offen.

Dazu kam der immer wieder drohende Regen, welche zunächst das Rennen um fast eine Dreiviertelstunde verzögerte und auch in der Endphase eine längere Unterbrechung nach dem Unfall von Elliott Sadler notwendig machte. Diese Pause stellte gleichzeitig auch die rennentscheidende Phase ca. in Runde 170 dar, als die letzten Boxenstopps des Tages anstanden. Sam Hornish Jr trumpfte mit einer gewagten Strategie von Crew Chief Travis Geisler auf, als er einfach nicht an die Boxen kam und damit die Führung übernahm. Bisher bestimmende Fahrer wie Jeff Gordon und Juan Pablo Montoya entschieden sich in Front für die sichere Alternative der vier neuen Reifen, was sich aber als Fehlentscheidung herausstellte, wie bereits oben erwähnt. Die beiden Fords von Greg Biffle und Carl Edwards wurden mit nur zwei neuen Reifen bestückt und setzten sich gemeinsam mit Hornish an die Spitze des Feldes.

Die letzten 30 Runden nutzte Greg Biffle dazu, Hornish zu knacken und einen großen Vorsprung auf Tony Stewart herauszufahren, der als einziger mit vier neuen Reifen erfolgreich unterwegs war. Carl Edwards komplettierte den ersten Roush- bzw. Ford-Erfolg seit Talladega im Chase 2009 mit einem tollen dritten Platz, die Teamkollegen David Ragan und Matt Kenseth kamen auf Rang 14 und 18 ins Ziel. Damit ist die Ford-Fraktion nun nach zuletzt steigenden Leistungen endlich wieder zurück an der Spitze und dass ausgerechnet nach dem Flugzeugabsturz von Teamchef Jack Roush, den er mit schweren Gesichtsverletzungen glücklicherweise überlebte. Hornish fiel zum Schluss übrigens bis auf Platz 11 zurück.

Die Top5 komplettierten Kevin Harvick, der weiterhin unauffällige Spitzenresultate einfährt und Denny Hamlin. Dahinter folgen mit Jeff Gordon (6.), Mark Martin (7.) und Jimmie Johnson (10.) drei Hendrick-Piloten in den Top10. Johnson führte sogar die meisten Rennrunden und bestimmte die erste Hälfte des Rennens, bevor er sich mit der Abstimmung des Wagens verhedderte. Dale Earnhardt Jr war zeitweise gut unterwegs und tauchte auch an der Spitze auf, musste aber einen Dreher überstehen und fiel nach technischen Problemen im Schlusssprint noch mit einer halben Runde Rückstand an das Ende der Führungsrunde zurück. Hendrick Motorsports ist also immer noch größtenteils vorne mit dabei, denn Gordon und Johnson hatten ein sehr großes Wörtchen um den Rennsieg mitzureden, doch letztlich fehlte das kleine Quäntchen Glück am Ende.

Jeff Burton (8.) und Martin Truex Jr (9.) sind die fehlenden beiden Piloten in den Top10. Für Richard Childress Racing zeigt das zum einen, dass wieder ein Super-Mannschaftsergebnis herausgefahren wurde, auch wenn Clint Bowyer nur 15ter wurde. Zum anderen ist auch Michael Waltrip Racing oft vorne mit dabei; David Reutimann kam auf Rang 17 ins Ziel. Juan Pablo Montoya wurde nach dem erneuten Strategie-Fauxpas als 16ter abgewinkt, hat aber nach dem verpassten Chase in den verbleibenden Rennen die Alles-oder-Nichts-Möglichkeit zur Verfügung, um den ersten Ovalsieg noch 2010 unter Dach und Fach zu bringen. Enttäuscht haben an diesem Wochenende Kasey Kahne (19.), Jamie McMurray (22.) und Kyle Busch, der nach umfangreichen Arbeiten am Kühler nur 23ter wurde. Die komplette Ergebnisliste inklusive weiterer Statistiken kann man bei Jayski.com einsehen.

NASCAR Media hat so kurz nach dem Rennen leider noch keine grafische Aufbereitung der Meisterschaftswertungen online gehabt, deswegen hier noch die Fahrerwertung und die Owner Points ebenfalls von Jayski.com. Getan hat sich in den Top35 nichts, 199 Punkte Rückstand hat David Gilliland (#38) nun schon auf Bobby Labonte/Landon Cassill (#71). Bei den Fahrern gab es einige Verschiebungen in den Top12, wobei Jeff Burton mit zwei Rängen am meisten gewann, weil er und Kurt Busch die Positionen tauschten. Der Sieg von Greg Biffle (11.) bringt diesem einen Vorsprung von über 100 Punkten auf Platz 13, wo Mark Martin lauert, den zwölften Rang von Clint Bowyer einzunehmen. 34 Punkte trennen die beiden Piloten, da geht es noch um alles. Dale Earnhardt Jr hat mit 129 Zählern Rückstand auf Platz 12 jetzt eine Menge Arbeit in den verbleibenden fünf Rennen vor sich. Das zweite Rundkursrennen in Watkins Glen am kommenden Wochenende ist da vielleicht nicht der beste Platz.

MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Sir Lewis Hamilton, Mercedes F1 W15, leads Fernando Alonso, Aston Martin AMR24, and Valtteri Bottas, Kick Sauber F1 Team C44 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)
MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Lando Norris, McLaren MCL38, leads Charles Leclerc, Ferrari SF-24, and Oscar Piastri, McLaren MCL38 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)

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2 Kommentare

NASCARaddicted 4 August, 2010 - 17:11

Der Crash von Sadler war echt unglaublich. Pocono muß auf jeden Fall was machen. Nicht nur daß es ne Leitplanke mit Erdwall war, anstatt einer Safer Barrier – was ich noch schlimmer finde ist, der Einschlagswinkel. Wenn ich das richtig erkenne war die Leitplanke an der Stelle nicht gerade sondern Richtung Rennstrecke gebogen. Wäre sie gerade gewesen, wäre Sadler wohl einfach nur an ihr entlanggeschrammt. Bei dem Einschlag-Tempo wäre das Rennen für Sadler dann wahrscheinlich auch beendet gewesen, aber zumindest hätte er das Auto wohl noch selber ins Infield fahren können.

In dem Zusammenhang möchte ich aber noch an einen anderen Crash erinnern: Michael McDowell im April 08 beim Qualifying in Texas. Er schlug so hart in die Mauer ein, daß sich sogar die Safer Barrier verbog. Beim YouTube Video gibt es auch eine gute Aussage der Moderatoren dazu: jeder der das CoT kritisiert hat, soll sich diesen Unfall ansehen. Und McDowell stieg unverletzt aus …

Bergfreunde.co 17 August, 2010 - 12:24

Val Franzedas und Franzei – Marmolada – Dolomiten…

Ich finde ihren Eintrag sehr interessantent :-)…

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