Home Formel EinsF1 F1: Analyse der Freitagstrainings / US-Grand Prix

F1: Analyse der Freitagstrainings / US-Grand Prix

von StefanTegethoff
2 Kommentare

Auch wenn man wie üblich das Freitagsergebnis nicht zu genau nehmen sollte: das Kräfteverhältnis scheint sich nicht wesentlich geändert zu haben.

Die wichtigste Info zum Grand Prix der Türkei gab es schon am Donnerstag: die Nachfolgerin von Lucious Liz heißt Randy Mandy – gemeint ist Sebastian Vettels neues Chassis. Dieses und auch das namenlose Schwesterauto von Mark Webber wurden am Freitag sowohl mit als auch ohne die Red Bull-Variante des F-Schachts getestet. Nach der nachmittäglichen Technikbeprechung kam man dann aber zu dem Schluss, dass der Geschwindigkeitsvorteil auf der langen Geraden den Verlust durch den leicht verschlechterten Abtrieb nicht aufwiegt. Vermutlich wird man das System in Kanada wieder mitbringen, dort gibt es ja kaum schnelle Kurven, aber viele Geraden, dort dürfte sich ein F-Schacht richtig auszahlen.

Ob nun mit oder ohne diesen Bonus-Luftkanal, Red Bull dürfte morgen und übermorgen vorn dabei sein. Im ersten Training versteckte man sich noch ein wenig, im zweiten reichte es dann für die Plätze 2 (Webber) und 3 (Vettel) hinter Jenson Button, der aber auch dann noch davon überzeugt war, dass die Bullen nicht ihr volles Potential gezeigt hätten.

Allerdings hatten diese auch wieder mit Zuverlässigkeitsproblemen zu kämpfen, dieses Mal gab der Renault-Motor im Fahrzeug von Mark Webber kurz vor Feierabend den Geist auf. Der soll allerdings mit über 2000 gelaufenen Kilometern sowieso kurz vor dem Ende seiner Lebensdauer gewesen sein, insofern mache man sich keine Sorgen, vermeldete Teamchef Horner. Bei Vettel mussten außerdem zweimal Wasserleitungen repariert werden; Kühlungsprobleme sind nicht das, was man in einem heißen Grand Prix haben möchte.

Mark Webber selbst steht derweil kurz vor einer Vertragsverlängerung. Er hat ja in den letzten Grands Prix beeindruckend gezeigt, dass er nicht nur der „Alte“ ist, der sich vom jugendlichen Vettel bügeln lässt; und mit der jüngsten Verdopplung seiner Siege und der Co-Führung in der WM hat er nun auch um so bessere Argumente, warum das Team an ihm festhalten sollte.

Button ist trotz der vermuteten Red Bull-Stärke aber auch für sein Team McLaren zuversichtlich: immerhin reichte es in beiden Trainings für den Spitzenplatz, wobei Hamilton im erste Training mit einer knappen Sekunde Vorsprung vor Button auf P2 definitiv leicht unterwegs war.

Mit vorn dabei dürfte auch Ferrari bei seinem 800. Grand Prix sein, auch wenn das Auffälligste, was die Roten am Freitag zeigten, einige Dreher und Quersteher waren. Renault und Mercedes  werden wohl wie bisher auch das vordere Mittelfeld bilden. Kubica wird sicher wieder versuchen, das Maximum aus dem Renault herauszuholen, aber gerade in Istanbul kann man dabei auch leicht das Auto bzw. die Reifen überfahren.

Hinter Force India – nun auch mit eigenem F-Schacht, mit dem man auch sehr zufrieden war – balgen sich Williams, Sauber und Toro Rosso um die hinteren Mittelfeldplätze. Vor allem aus Williams-Sicht dürfte es ziemlich enttäuschend sein, dass man auch in diesem Jahr den Sprung ins vordere Mittel- oder gar ins Spitzenfeld geschafft hat. Hülkenberg war in beiden Trainings der Schnellere der beiden, einmal um sieben, einmal um nur ein Zehntel.

Bei den neuen Teams geht es durchaus interessant zu: Lotus, die unter anderem einen neuen leichtgewichtigen Heckflügel ausprobierten, schienen einen Vorteil von einigen Zehnteln gegenüber Virgin zu haben. Auf das hintere Ende des Feldes der Etablierten fehlten derweil nur noch fünf bzw. sieben Zehntel. Und auch wenn man aus der Onboard-Perspektive das Gefühl hat, die HRT würden Turn 8 im Schneckentempo nehmen, fehlte Bruno Senna im HRT am Ende der zweiten Trainingseinheit doch nur ein Zehntel auf Timo Glock – all dies aber natürlich auch noch nicht spritbereinigt.

Entscheidend werden an diesem Wochenende die Reifen sein – hört man fast jedes Wochenende, stimmt auch üblicherweise, aber dank der hohen Temperaturen (Streckentemperatur um die 50°C) und der langen, schnellen Kurve 8 gilt das in Istanbul ganz besonders. Die wird schließlich an diesem Wochenende auch zum ersten Mal mit vollen Tanks gefahren. Wer da seine Reifen zu früh zu stark rannimmt, der kriegt ein Problem. Allerdings meldete Mike Gascoyne am Ende des zweiten Trainings, dass sich der weichere Option-Reifen mit volle Tank auf einem Longrun besser hielt als erwartet.

Und Probleme hatten in der Kurve schon einige: Kubica, Massa und Alonso etwa rutschten neben die Ideallinie, konnten dann dort auf der dreckigen Spur den wagen nicht mehr halten und mussten den großzügigen Auslauf nutzen. Nur für Adrian Sutil reichte der nicht, vor dem letzten der vier Scheitelpunkte drehte er sich mit hoher Geschwindigkeit von der Bahn und schlug in die Reifenstapel ein. Weil das Auto nicht pünktlich zum Start des zweiten Trainings wieder fertig war, konnte er in dieser Einheit mit 16 Runden nur halb so viel fahren, wie die meisten seiner Kollegen.  Dennoch reichte es für starke Plätze 10 und 11, zumindest dieser eine Force India hat gute Chancen, um den Einzug in Q3 zu kämpfen.

Doch nicht nur Turn 8 machte Probleme. Auch in der ersten Kurve, eine blinden Bergab-Links, unternahmen viele Fahrer einen Ausflug auf die asphaltierte Auslaufzone. Und zwar nicht nur Neulinge und Hinterbänkler, sondern auch die Top-Leute, darunter Vettel und Schumacher. Und in Turn 7, der sich öffnenden 180°-Bergkauf-Kehre, erwischten auch einige die Linie nicht, Mark Webber schrubbte sich dort am Kurvenausgang auf den Kerbs kräftig den Unterboden ab. Gut möglich, dass viele dieser Ausrutscher auch vollen Tanks geschuldet sind: Istanbul ist schon an sich eine herausfordernde Strecke, 180kg Sprit machen sie nicht einfacher.

Was das dann alles wirklich bedeutet, wird man aber wie immer erst in der Quali (oder frühstens in den Schlussminuten des freien Samstagstrainings) sehen. Dran denken: die Quali ist morgen bereits um 13 Uhr deutscher Zeit, nicht wie bei europäischen Rennen üblich um 14 Uhr, das das dritte freie Training startet entsprechend auch schon um 10 Uhr.

US-Grand Prix in Austin

Unvermittelt kam am Dienstagabend die Meldung, dass es ab 2012 wieder einen US-Grand Prix geben wird, und zwar auf einer eigens dafür gebauten Strecke nahe Austin, der Hauptstadt von Texas. Das überraschte viele, da es lange schien, als seien Indianapolis oder der von Bernie Ecclestone herbeigeträumte New York Grand Prix die einzigen Alternativen für den F1-Chef.

Und schon am Nächsten Tag wurde bekannt, dass Hermann Tilke die Strecke entwerfen wird bzw. bereits damit befasst ist. Veranstalter Tavo Hellmund erklärte, man habe ein hügeliges Grundstück von 800 acres (ca. 320 ha) ausgewählt und sofort nach Abschluss des Vertrages mit Ecclestone gekauft. Außerdem habe man dem Designer die Vorgabe gemacht, eine schnelle Strecke mit herausfordernden Kurven wie in Spa, Silverstone und Hockenheim zu planen. Gut möglich, dass dabei am Ende eine vom Charakter her Istanbul nicht unähnliche Strecke herauskommt, was ja nicht schlecht wäre, zumal fraglich ist, wie lange der Türkei-GP noch im Kalender verbleiben wird.

Es taten sich in der Folge auf diese Enthüllungen einige (verständliche) Fragen auf. Zum Einen: Warum nicht eine der vielen beliebten Traditionsrennstrecken in den USA? Mit Road America, Laguna Seca, Watkins Glen, Road Atlanta und anderen gäbe es doch genügend Auwahl.

Das Problem ist, dass keine von diesen die höchsten Sicherheitsstandards der FIA erfüllt, die nötig sind, um Formel 1-Rennen zu veranstalten. Auch die modernen Strecken, wie Miller oder Barber Motorsports Park, haben nur Grade 2, nicht einmal F1-Testfahrten wären dort erlaubt. Außerdem hat kaum eine Rennstrecke in den Vereinigten Staaten die entsprechenden Einrichtungen, da den US-Rennserie üblicherweise eine Mauer und ein paar Zelte als Boxengasse dienen.

Und schließlich wäre da noch das Problem, dass alle bestehenden US-Strecken ziemlich weit ab vom Schuss errichtet wurden. Laguna Seca hat mit 150 km bis San Francisco noch die beste Lage der traditionellen Bahnen, Watkins Glen ist 300km von New York entfernt. Die bereits angesprochenen neueren Strecken Miller und Barber liegen zwar nur 50 bzw. 20 km außerhalb von Salt Lake City und Birmingham, Alabama, aber das ist nicht die Art von Ballungsraum, die sich Bernie Ecclestone, der ja lange von einem New York Grand Peix träumte, für sein großes Event vorstellt.

Mit dem Standort Austin hat man stattdessen gleich vier Metropolitan Areas in einem 300km-Umkreis, die allesamt in den vergangenen 10 Jahren um über 20% gewachsen sind: Austin selbst (1,7 Mio. Einwohner in der Region Greater Austin), San Antonio (2,1 Mio EW), Houston (5,9 Mio. EW) und selbstverständlich die Dallas-Fort Worth-Agglomeration, die mit 6,4 Mio. Einwohnern die viertgrößte in den USA ist.

Und warum Hermann Tilke? Einerseits ist es die sichere Variante, bei ihm weiß man als Event-Organisator, dass man eine moderne, sichere Strecke mit den entsprechenden „Facilities“, die ja heutzutage für den F1-Tross leider fast wichtiger sind als die Strecke selbst, bekommt. Zum Anderen dürfte da sicherlich auch Ecclestone zugunsten seines „Hofbaumeisters“ vermittelt haben.

Dennoch hätte ich nicht damit gerechnet, dass man den deutschen Streckenarchitekten an diese Aufgabe heranlässt. Ich hätte eher gedacht, dass der Nationalstolz der Amerikaner sie dazu bewegt, (dem Südafrikaner) Alan Wilson zu vertrauen, der mit seiner Firma Wilson Sahara Motorsports in Salt Lake City sitzt und für die genannten Strecken Barber und Miller verantwortlich ist; oder aber Populous, eine auf Sportstätten und Events ausgerichtete Architektengruppe, die mit der Mitarbeit am Dubai Autodrome und mit dem Silverstone Arena Circuit Rennstrecken-Erfahrung gesammelt hat.

Ecclestone hofft jedenfalls, dass dieser erneute Versuch, die Formel 1 in den USA dauerhaft zu etablieren, endlich ein erfolgreicher sein wird. Promoter Hellmund behauptet, die Finanzen seien bereits unter Dach und Fach, unter anderem bekomme man finanzielle Unterstützung vom Staat Texas und könne auch den „Texas Major Events Trust Fund“ anzapfen. Ob es nun richtig ist, dass in Zeiten einer Wirtschaftskrise und einer Ökokrise (Texas ist schließlich auch Anrainer des Golfes von Mexiko) öffentliche Gelder für eine Rennstrecke ausgegeben werden, dass ist dann nochmal eine andere Frage…

MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Sir Lewis Hamilton, Mercedes F1 W15, leads Fernando Alonso, Aston Martin AMR24, and Valtteri Bottas, Kick Sauber F1 Team C44 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)
MELBOURNE GRAND PRIX CIRCUIT, AUSTRALIA - MARCH 24: Lando Norris, McLaren MCL38, leads Charles Leclerc, Ferrari SF-24, and Oscar Piastri, McLaren MCL38 during the Australian GP at Melbourne Grand Prix Circuit on Sunday March 24, 2024 in Melbourne, Australia. (Photo by Sam Bagnall / LAT Images)

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2 Kommentare

nona 29 Mai, 2010 - 11:34

Die Geschwindigkeitsunterschiede am Scheitelpunkt in Turn 8 (welcher von den vieren eigentlich?) waren in den Freitagstrainings ziemlich drastisch, das lässt für das Qualifying schonmal wenig gutes besonders für die kleinen Teams erahnen. Auch im Rennen dürfte das für interessante Situationen gut sein, wenn ausgerechnet in der Kurve -wo man anders als auf einer Geraden natürlich nicht mal eben so die Linie wechseln kann- jemand mit 20-30 km/h Überschuss auf einen Hinterbänkler aufläuft.

In other US-News, USF1 hat wohl endgültig das Zeitliche gesegnet und ihre Assets in die Liquidation begeben. Sagt Cosworth: http://en.espnf1.com/f1/motorsport/story/18561.html
Austin möge das als Omen nehmen.

Ich 29 Mai, 2010 - 17:37

Die USA haben eigentlich viele gute Strecken, auch Indy war ja alles andere als schlecht. Noch besser wäre natürlich, wenn die F1 das komplette Oval fahren würde. ;-)

Das Problem sind die übertriebenen Vorgaben für F1-Strecken. Meine Erwartungen an das neue Rennen sind nun jedenfalls gleich Null. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass viele Amerikaner sehen möchten, wie etwa 20 Autos „gemütlich“ hintereinander durch irgendein Kurvengeschlängel düsen. Die sind eigentlich besseres gewohnt.

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